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Leuchtende Menschen (4)

von EimoH


Es hatte eine Weile gedauert, ehe sie zwei Roller gefunden und freigeschaltet hatten. Sonst standen diese Dinger überall im Weg herum und wenn man dann tatsächlich mal danach suchte, waren sie wie vom Erdboden verschluckt. Und teuer war es wirklich. Sie sausten nebeneinander durch die leeren Straßen, die nun nur noch von Laternen beleuchtet wurden, und sie lachten aufgedreht. Der Wind fegte durch ihre Pullover und sie versuchten Kringel und Kurven zu fahren und zu springen, aber das gelang kaum. Einen kurzen schrecklichen Moment dachte Luzi, sie würde stürzen, als sie eine zu enge Kurve nehmen wollte, konnte aber im letzten Moment ihr Gleichgewicht wiederfinden. Von da an fuhr sie ein wenig vorsichtiger. Der Spaß ebbte schnell ab und sie entschieden sich dafür, mit den Rollern zum See im Norden der Stadt zu brausen. Sie fuhren hintereinander, Lola voran und Luzi genoss den wohltuenden frischen Wind in ihrem Gesicht. Das Bier der letzten Stunden hatte seine Wirkung gezeigt und sie war froh, dass der Wind sie kühlte. Sie erreichten das Tor zum Park, in dem der See gelegen war und stellten die Roller ab. Das Tor war abgeschlossen und der Park dahinter dunkel. Die Parks in der Stadt wurden bei Einbruch der Dunkelheit geschlossen, aber kontrolliert wurden sie nicht. Sie grinsten einander zu und Lola half Luzi beim Klettern. Mit einem eleganten Sprung vom Tor herunter folgte Lola Luzi in die Schatten der Bäume, wo das Licht der Straßenlaternen nicht mehr hinreichte. Kurz darauf eröffnete sich still die helle Weite des Sees vor ihnen und als würde ihnen damit erst bewusst werden, was ihnen bevorstand, begannen sie zu kichern. „Wir hätten uns mehr Bier mitnehmen sollen!“, stellte Lola ernst fest. „Wir hätten uns Handtücher mitnehmen sollen!“, hielt Luzi lachend dagegen und Lola stimmte in ihr Lachen ein. Nachdem sie sich wiedereingekriegt hatten, zeigte Lola nach vorn und sagte: „Dort vorn ist eine schöne Badestelle.“ Ein wenig entfernt waren noch andere Menschen, die ebenfalls miteinander lachten, aber weit genug von ihnen entfernt waren, um sich unbeobachtet zu fühlen. Kurz standen sie sich unentschlossen gegenüber. „Nackt?“, fragte Luzi. „So verrückt wie möglich!“, antwortete Lola kokett. Wieder grinste sie Luzi frech entgegen, aber mit Nacktheit konnte sie Luzi nicht herausfordern. Sie war es gewöhnt, mit ihren Freund*innen und auch ihren Ossi-Eltern nackt baden zu gehen. „Und danach nasse Kleidung tragen zu müssen, ist eine Horrorvorstellung.“, fügte Luzi hinzu. Und so zogen sie sich rasch aus und schlichen vorsichtig zur Badestelle hinüber. Das Wasser fühlte sich kälter an als tagsüber und stach leicht in die Haut. „Scheiße ist das kalt!“, fluchte Lola sofort und Luzi fing an zu kichern. Hier war Lola nicht so selbstbewusst und herausfordernd. Das gefiel Luzi und ließ sie selbstgefällig an Lola vorbei immer tiefer in das scheißekalte Nass laufen. Sie zwinkerte Lola zu und ließ sich nach vor gleiten und tauchte unter. Die Kälte umfasste ihren Körper und kurz schien es, als ob sie sie festhalten wollte, doch dann tauchte Luzi Zug um Zug und tauchte zwei Meter weiter wieder auf. Sie schaute zurück und sah, dass Lola es ihr gleich getan hatte und zu ihr schwamm. Sie hörte sie „scheiße“ und „kalt“ brummen und sah dann aber sogleich wieder das mittlerweile schon vertraute Grinsen. Sie schwammen ein paar Züge, spritzen sich Wasser entgegen ohne gut zu zielen und kicherten. Luzi tauchte nochmal und genoss das kalte Tuch des Wassers auf ihrem Gesicht. Sie ließen sich auf dem Rücken im Wasser treiben und sahen zum Himmel hinauf, der bewölkt war und von den Lichtern der Stadt erhellt wurde. Dann wurde ihnen kalt und sie beschlossen, zurückzuschwimmen. Die ganze Zeit, bis sie wieder angezogen waren, berührten sie einander nicht. Sie waren zu nackt, um sich näher zu kommen, aber zwischen ihnen knisterte es bei jedem Blick. Durch die Kälte waren die Narben auf Luzis Bauch und Rücken bläulich verfärbt und gut zu erkennen und sie spürte Lolas Blick, sagte aber nichts. „Nun bleibt nur noch eine Sache zu tun.“, sagte Lola, zog ihren Pullover an und ihre Lippen zitterten leicht vor Kälte. „Auf einen Baum klettern! Mal sehen, ob wir einen guten Baum finden.“ Lola drehte sich eine Kippe und zündete sie an. Wieder ging sie voran und Luzi folgte ihr. Nach ein paar Metern hielt Lola ihr ihre Hand entgegen, die kalt war, und so gingen sie nebeneinander eine Weile durch den Park. Lola fragte, ob Luzi häufig auf Bäume kletterte oder sogar bouldern ging. Letzteres verneinte Luzi, aber an sich kletterte sie gern, wenn auch nicht oft. Die milde Luft, die Bewegung und die körperliche Nähe wärmten sie langsam wieder auf. Schließlich fanden sie einen alten Baum, mit tiefen Verästelungen und dicken Ästen, auf die sie klettern wollten. Luzi kletterte voran, setzte ruhig und sicher ihre Füße in Mulden und zog sich stark den Baum Stück für Stück hinauf. An das Herunterkommen wollte sie jetzt lieber noch nicht denken. Bald erreichte sie einen Ast, auf dem sie bequem beide Platz fanden und von dem aus sie einen schönen Blick auf den See hatten. Lola erreichte ihn kurz nach ihr. Sie ließ sich neben ihr nieder und seufzte bei dem Ausblick. „Wow.“, stieß sie hervor. „Von unseren drei Abenteuern gefällt mir dieses hier am besten.“ Sie sah zu Luzi. „Solange ich nicht an das Herunterklettern denke.“, setzte Lola noch hinzu und lächelte. „Der Ausblick ist viel zu schön, um daran jetzt schon einen Gedanken zu verschwenden.“, erwiderte Luzi und sah dabei Lola an. Sie sahen einander an, ließen ihre Blicke über das Gesicht der anderen wandern und wurden ernst. „Darf ich dich küssen?“, flüsterte Luzi. Lola nickte und flüsterte ein „Ja“ zurück. Luzi lehnte sich vorsichtig nach vorn und als ihre Lippen sich berührten, war sie aufgeregt und gleichzeitig fiel eine Anspannung von ihr ab, die sie die letzten Stunden mit sich herumgetragen hatte. Sie küssten sich sanft und Luzi spürte Lolas Atem auf ihren Lippen. Sie unterbrachen ihren Kuss, sahen einander an und lächelten. Und dann küssten sie sich wieder. Lola schmeckte leicht nach Bier und Zigarettenrauch und Luzi mochte es. So verblieben sie eine lange Zeit, küssten und streichelten sich, bis sie ihr Zittern nicht mehr ignorieren konnten und sich eingestehen mussten, dass es mittlerweile zu kalt geworden war. Sie jammerten und kicherten beim Abstieg und schafften es letztendlich leichter als gedacht. Unten angekommen, lehnten sie sich erneut gegeneinander und küssten sich nochmal. Dann klingelte Lolas Handy und sie ging mit einem Augenrollen ran. „Hey, was gibt’s?“ Luzi rieb ihre Hände aneinander und pustete dazwischen, um sie aufzuwärmen. Die Nacht wurde kühler und wenn sie sich nicht bald aufwärmten, würden sie sich mit ihren nassen Haaren sicherlich noch erkälten. Lola schien sich zu verabreden, zu ihren Freund*innen in die Bar zurückzukehren und Luzi sah auf die Uhr. Es war schon spät. Lola legte auf und grinste sie an. Auf einmal schien ein bisschen Nähe zwischen ihnen verloren gegangen zu sein. „Hey, ich geh wieder zu den Anderen. Hast du auch Lust?“ Eigentlich hatte sie wenig Lust dazu, aber sie wollte gern mehr Zeit mit Lola verbringen. Es war dumm, sie hatte sich vorhin nicht so richtig wohl gefühlt in der Runde und man sollte doch aufhören, wenn es am schönsten war, aber Luzi wusste auch, dass sie es bereuen würde, nicht mitgegangen zu sein. Karla sagte immer, man solle die Dinge bereuen, die man getan hatte, nicht die, die man nicht getan hatte. Daran würde sie sich heute wohl halten.



copyright © by EimoH. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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