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Wie der Zufall will

von metropolis93


Meine Wangen brannten wie Feuer, als meine Schwester mir rechts-links zwei Ohrfeigen, an deren Zustandekommen ich nicht ganz unschuldig war, ins Gesicht klatschte. Marías Gesichtsausdruck nach zu schließen, den meine Erwiderung hervorrief, hätte sie mir am liebsten gleich nochmal eine gescheuert. Aber ich war schon längst weg aus dem Hauseingang, in dem wir immer schön publik unsere lautstarken Auseinandersetzungen in einem wirren Mischmasch aus unserer Heimatsprache und Deutsch austrugen. Einfach nur weg wollte ich. Weg von diesen Gaffern, die interessiert zuhörten, was man sich an den Kopf warf; weg aus dieser Enge, in der irgendeiner immer irgendetwas sah und es brühwarm weitertratschte. Und vor allem weg von meine Schwester und ihrer nur unzureichend verborgenen Abneigung. Wahrlich grün waren wir einander nicht und die Tatsache, dass wir uns 20m2 und eine 90cm Matraze mit ihren Kindern teilten, machte es nicht gerade besser. Aus unerfindlichen Gründen reichte die sonst so sehr ausgeprägte Familienloyalität nicht dazu aus, mich, die in vielen das glatte Gegenteil von ihr war, zu akzeptieren. Nein, ich musste ständig erzogen werden. Auch wenn ich es war, die das meiste Geld besorgte, auf die Kleinen aufpasste und selbst schon „groß“ war. An diesem Abend war meine Gereiztheit über die allgegenwärtigen „Du siehst mal wieder verboten aus, so läuft man nicht rum“, „Benimm dich endlich“ und „Das geht so nicht, du bist doch kein Kerl“ mit mir durchgegangen, als mir statt einer Begrüßung ein vorwurfsvolles „Wo hast du dich mal wieder rumgetrieben ?!“ entgegengeschleudert wurde. Die Erklärung, ein einfaches Fußballspiel mit Leuten aus dem Viertel um den lang ersehnten freien Abend zu begehen, wurde mit einer Gardinenpredigt über Anstand und Tradition quittiert. Was angesichts Marías Lebenswandels einfach nur lächerlich war. Das sagte ich ihr auch. Und nahm dann Reißaus, so wie immer eigentlich.
Ließ mich mal wieder durch die Stadt treiben, lief durch Lichtermeere und dunkle Straßenzüge, bis ich mich in einem ganz anderen Teil weit außerhalb meines Viertel wiederfand. Die lodernde Wut war zu einem kleinen Flämmchen Trotz heruntergeglüht und allmählich spürte ich den kühlen Nachtwind an meinem ausgeleierten Tshirt zerren. Fröstelnd schlang ich die Arme um den Körper und fragte mich wohin, als ich einer kleiner Bar zu meiner Rechten gewahr wurde. Ein kurzes Zögern, hauptsächlich weil ich mir meiner zerschlissenen Jeans, meiner verblichenen Baseballkappe und dem Tshirt, das wie so vieles andere noch von meinem Bruder stammte, bewusst wurde. Wenn Kleider Leute machten, rangierte ich dann wohl in der Kategorie Straßenköter.
Dann siegten die Verlockung von Licht, Wärme und etwas zu trinken. Nach den dunklen Straßen waren das geschäftige Treiben in der Bar und die Menschenmenge eine Reizüberflutung, die alles zu einem betäubenden Chaos werden ließ. Irgendwann hielt ich eine Cola in der Hand, die ich in großen Schlucken hinunterstürzte, als ein deutliches „Junge, Junge, du hast aber einen ganz schönen Zug drauf“ direkt neben meinem Ohr mich herumwirbeln ließ. Ich versuchte, mein Gegenüber durch einen Hustenanfall hindurch zu fokussieren: Blonde kurze Haare und leicht spöttisch glitzernde blaue Augen. Während ich noch beschäftigt war, die aspirierte Cola auszuhusten, ohne wie ein Tuberkulosekranker zu klingen, verschwand der Spott aus den funkelnden Augen. „ Sorry...hab dich nicht erschrecken wollen. Pardon“. Diesmal ein freundliches Grinsen und eine Nonchalance, bei der ich mir wie ein Trottel vorkam. „Alles gut?“ Ich nickte, als ich endlich wieder etwas Luft bekam. Auf dem schmalen Gesicht lag nun ein warmes Lächeln, das nicht so recht zu dem burschikosen Auftritt zu passen schien, dafür aber umso sympathischer wirkte. „Joa, danke, geht schon wieder.“ Ich schwang mich zu wahren verbalen Höhenflügen auf, vergraulte mal wieder alle freundlichen Mitmenschen. Toll, mal wieder glanzvoll den Volltrottel markiert. Aber die Fragerin schien das nicht zu stören; das Lächeln kehrte immer wieder im Verlauf des Abends, bis ich dieser zunehmend sympathischen Zufallsbekanntschaft sogar anvertraute, dass ich den Rest der Nacht in Ermangelung eines Schlafplatzes durch die Stadt streifen würde. Kein verurteilender Blick, keine hochgezogenen Augenbrauen, nur ein pragmatischer Gegenvorschlag: „Kannst bei mir pennen.“ Ich revanchierte mich mit einem Drink und wir besiegelten den Deal mit einem Handschlag und einem verlegenen Grinsen.
Als wir ins Freie traten, war die Nacht empfindlich kühl geworden und ich konnte ein kurzes Zittern nicht unterdrücken. Den blauen Augen entging nichts. „Na komm schon her.“ Das klang beinah...zärtlich. Und auf einmal war da ein Gefühl von Wärme, als sie mir einen Arm um die Schultern legte. Es fühlte sich gut an. Und richtig. Kein bischen unangenehm und aufdringlich wie die Berührungen anderer Leute, vor denen ich gewöhnlich Reißaus nahm.
Es war noch dunkel, als ich mich davonstahl. Jedoch nicht ohne vorher noch zu der hastig im Dunkeln gekritzelten Notiz ein Dankeschön dazulassen. Verdammt, warum mussten bei uns alle mit Rosenkranz rumlaufen, viel prolliger und kitschiger ging es einfach nicht...aber es war meine einzige Option.
Einem glücklichen Zufall war es auch zu verdanken, dass ich nicht wie immer hinten in der Küche spülte, sondern vorne den Tresen wischte, als sie Tage später das kleine Restaurant meines Onkels betrat. Das mit seiner Lage und seiner Klientel nicht gerade zu den angesagtesten Locations der Stadt gehörte. Die blauen Augen wirkten ungewohnt ernst als sie mich ansahen und sie mir die Kette hinhielt. „Hier....das muss dir doch sicher einiges bedeuten, oder?“. Für meine spontane Erwiderung „Ne ne, behalts ruhig.“ hätte ich mir die Zunge abbeißen können. Verdammt, viel besser hätte mich nicht ans Messer liefern können, als rundheraus zuzugeben, dass das in meinen Augen bloß folkloristischer Tand war, mit dem ich sie da abgespeist hatte, der zu alten Omas und kleinen Möchtegerngangstas passte. „Ähh...sicher?“. Jetzt half nur noch die Flucht nach vorn. „ Also eigentlich bin ich nicht besonders spirituell, das trägt man bei uns einfach so. Ich seh's mehr so als Glücksbringer, so ohne den ganzen Katholizismus. Und Geschenk ist Geschenk, ein bischen Glück schadet nie, also behalt's ruhig....“ Vor lauter Verlegenheit redete ich immer schneller, brach schließlich mit rotem Kopf ab. Die blauen Augen zwinkerten, als sie die Kette um ihre Finger wand und mit „Auf Wiedersehen“ im Dunkeln verschwand.



copyright © by metropolis93. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


wunderbar!
und? gab es ein wiedersehen? kriegen sie ein happy end? trotz rosenkranz und rotem kopf? das wäre so schön...
atayari - 17.11.2013 19:30
öäh ...
noVodka - 16.11.2013 02:29
Schön
angeljack85 - 16.11.2013 01:59
Schön
angeljack85 - 16.11.2013 01:24
Danke!
alaska01 - 12.11.2013 22:26

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