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Keine Meerjungfrau

von nightingale_


Es war eine Idee einer Freundin gewesen.
"Du musst mal wieder raus!", hatte sie mir gesagt.
"Ich gehe doch schon raus", hatte ich ihr geantwortet, wohl wissentlich, dass sie auf etwas anderes anspielte. "Jeden Tag gut eine Stunde lang mindestens. Hinten an den Feldern lang oder durch den Wald... es ist ganz schön..."
"Du weißt, was ich meine. Unter die Leute! Einfach mal wieder mitten hinein ins Geschehen..."
"Und was schwebt dir da so vor?", fragte ich wenig begeistert nach.
"Hm... " Sie blätterte in der Zeitung, die sie gerade noch lustlos auf dem Tisch auf- und wieder zusammen gefaltet hatte. "Wie wär's mit: Wellness-Wochenende... hier, fünf Sterne! Kostet auch nur... 599 Euro!"
"Sicher!", sagte ich und lachte. "Da gehen wir dann gemeinsam hin, nicht?"
"Oder hier... Segeln, das wäre doch auch wieder mal was, oder?"
"Zu der Jahreszeit?!" Ich versuchte, einen Blick auf das Datum der Zeitung zu werfen, aber meine Freundin zog sie sie mir weg.
"Ach, das warst du doch auch letztens erst eine Woche... in Dänemark, richtig?"
"Hmmm...", murmelte ich nur.
"Hah, wie wäre es hiermit? Schützenverein..."
"Ich und Schießen?"
"Und hier! Jägerprüfung!", begeisterte sie sich unbeachtet meiner Teilnahmlosigkeit weiter. "Das ist doch was!"
"Ich hatte mal eine Jägerin damals in der Schule in meinem Jahrgang."
Sofort war mir ihre Aufmerksamkeit wieder zuteil. "Ja?"
"Ja, die hat ihren Jagdschein gemacht, da war ich in der 12..."
"Ach - und guck mal hier!" Wieder flog ihr Blick über die Anzeigen. Typisch für sie. Nicht eine Minute konnte sie sich auf irgendwas konzentrieren. "Fußball, wäre das nichts für dich? Warst du da nicht damals in der Schule so gut drin...?"
Ich warf einen Blick auf ihre Anzeige. "Herrenmannschaft?!"
"Ja, dann hier... Töpferkurs!"
Entgeistert sah ich sie an.
"Ach, komm schon! Ich habe deine Figuren bei dir Zuhause gesehen! Die sind wirklich fantastisch!"
"Da war ich in der Neun..."
"Ja, siehst du! Und da warst du schon so gut. Also, da gehst du hin."

Und so kam es, dass ich eines schönen Abends in einem Kunstraum einer Grundschule saß und gut eineinhalb Stunden Zeit hatte, mir irgendetwas aus dem Ton herauszuformen.
Während die meiste Zeit dadurch verging, dass wir darauf warteten, von der Kursleiterin den Ton ausgehändigt zu bekommen, sah ich mir die anderen Kursteilnehmer genauer an. Sie alle lächelten mich lieb an, es war ein recht kleiner Kurs. Gemischt. Drei, vier Leute waren dabei, die um die vierzig, fünfzig Jahre waren, Hausfrauen, eine Rentnerin, ein Mann und selbst in meinem Alter waren welche dabei. Was heißt in meinem Alter: Ich war tatsächlich die Jüngste.
Aber eine der Frauen hatte es sich zur Aufgabe gemacht, mich zum Lachen zu bringen. Sie musste gemerkt haben, dass ich mich nicht sonderlich wohl fühlte und es für mich, nach der Trennung von meiner Freundin, ungewohnt war, wieder unter Menschen zu sein.
Ständig hatte sie irgendeinen bissig-sarkastischen Kommentar parrat, der mich zum Lachen brachte, immer wieder blickte sie von ihrer eigenen Arbeit auf und mich aufmunternd lächelnd an. Ihr gelang es, was niemand Anderen gelungen war: Ich fühlte mich wohl.
Auf Anhieb war sie mir sympathisch.

"Wow...", sagte jemand und blieb neben mir stehen. Ich sah auf. Eine der Hausfrauen stand neben mir. "Das sieht ja richtig gut aus." Sie staunte. "Hast du das schon einmal gemacht?"
"In der Schule im neunten Schuljahr einmal...", murmelte ich vor mich hin.
"Ja, manche Menschen haben da eben einfach richtig Talent für!", schaltete sich meine mir liebgewonnene Freundin ein und lächelte mich warm an.
"Das hat die sicher von mir abgeguckt!", warf nun der Mann in den Raum. Wir blickten zu ihm und seinem Werk.
"Ja!", sagte meine neue Freundin. "Der Mann macht quadratisch und eckig und die schöne Dame hier macht kunstvoll und elegant und schön und... - ja, ganz eindeutig abgeguckt!"
Wir lachten und sie zwinkerte mir zu.

"Wissen Sie, ich muss Ihnen das jetzt einfach einmal sagen!", wandte sich meine Kursleiterin an mich. "Sie machen das so toll, alles so selbstständig, da muss ich nichts machen, das ist echt richtig klasse! Das muss ich jetzt einfach mal sagen...!"
Verlegen versuchte ich sie bestmöglich zu ignorieren, immerhin war es gerade im Raum doch recht still.
"Ja, manche Menschen haben da einfach Talent für, die können das." Wieder meine neue Freundin. "Und da braucht man sich auch gar nicht für schämen oder so", sagte sie mit einem Blick auf mich, die sich versuchte, auf die Figur vor sich zu konzentrieren. Wieder dieses warme Lächeln.

Die Stunde ging voran und so kam es, dass bald die ersten anfingen aufzuräumen.
"Oooh, ist das eine Meerjungfrau?", fragte die Rentnerin neben mir beeindruckt.
"Nee... das ist einfach... irgendeine Figur...", murmelte ich, noch immer der Aufmerksamkeit verlegen.
"'Irgendeine Figur'?" Meine mir liebgewonnene Freundin zog eine Augenbraue hoch. "So etwas ist ein Kunstwerk. Hast du denn schon einen Namen dafür?! So etwas braucht einen Namen!!"
Ich blickte sie an, atmete einmal tief durch und lächelte genau so lieb zurück, wie sie es tat.
"Verrate mir deinen und ich nenne sie nach dir", flüsterte ich leise.



copyright © by nightingale_. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Erinnerungen werden wach....
Sehr schön zu lesen macht neugierig wie es weitergeht....erinnert mich an meinen bildhauerkurs...war allerdings das modell und kein Teilnehmer.und ist auch schon gut 12 Jahre her....aber die Stimmung kam wieder auf.....hach....einfach schön
artwoman - 09.12.2013 19:28
Oh...
RedAlly - 09.12.2013 14:51
schön!
atayari - 08.12.2013 17:41

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