Was hätte sein können (1)

von Alicejb90


Es war ein sonniger Tag, aber um 9:30 Uhr noch nicht warm genug um im T-Shirt herumzulaufen. Noch im Pullover bereitete ich meine Anlage vor. Ich arbeite im Freizeitpark an den Fahrattraktionen und war heute bei der Seilbahn eingeteilt. Meine Aufgabe war es zu überprüfen, dass nur Gäste mitfahren, die den Sicherheitshinweisen entsprechen und die Sitze abzufangen, wenn sie zurück kommen.
Als es zehn Uhr war öffneten die Parktore. Ich beobachtete wie die Gäste in den Park strömten. An dem Tag war einiges los, nun ja nicht ungewöhnlich für einen Donnerstag im August in den Schulferien.. Nach einer halben Stunde hatte ich meine erste Fahrt mit einem siebenjähriges Mädchen mit ihrer Mutter. Der Vater fuhr mit dem kleinen Bruder am kleinen Freefalltower, bei dem man sich selbst hochziehen musste. Wie vermutet war den ganzen Tag viel Betrieb. Als ich kurz nach zwölf von meiner ersten Pause zurückkam, standen die Gäste den ganzen Anstellweg entlang. Ich übernahm wieder die Seilbahn und ließ die Gäste fahren.
Nach einer Weile fiel mir auf, dass eine Frau in der Warteschlange mich die ganze Zeit anstarrte. Ich überlegte, ob ich sie kenne, doch es fiel mir kein Ort ein, an dem ich sie schon einmal gesehen haben könnte, außer hier im Park. Aber naja, jedes Gesicht kann ich mir nicht merken. Ein paar Fahrten später war sie dran. Sie stellte ihre Tasche an die Seite und stieg ein. Sie wirkte sehr nervös und wendete den Blick kein einziges Mal von mir ab. Ich sagte: "Wie sie gesehen haben fahren Sie zweimal vor und wieder zurück. Während der Fahrt bitte nicht schaukeln und viel Spaß." Mit dem Daumen drückte ich auf den grünen Knopf und ließ damit den Sitz in die Höhe steigen. Erst jetzt wandte sie den Kopf nach vorne. Der Sitz fuhr nach vorne, wurde langsamer und kam rückwärts wieder zurück. Ich trat an meine Position um den Sitz abzufangen. Als dieser oben einrastete und der untere Teil noch ein Stück weiter schwang, flogen mir ihre langen, fast schwarzen, Haare, die sie offen trug, ins Gesicht. Ich packte den Sitz um ihn abzubremsen und atmete dabei ein. Ihr Shampoo roch fruchtig. Sie drehte den Kopf und blickte mich an. Ich lächelte. Schnell wendete sie den Kopf wieder nach vorne und der Sitz fuhr zum zweiten Mal hoch. Als sie wieder zurückkam, wehte mir wieder ihr Shampoogeruch in die Nase, diesmal blickte sie direkt zu mir.
Täuschte ich mich oder waren ihre Wangen leicht gerötet? Sie lächelte mich an. "Bitte noch kurz warten, der Sitz fährt gleich wieder runter.", sagte ich.
Ihr Lächeln machte mich irgendwie nervös, deshalb ging ich gleich nachdem sich der Sitz gesenkt hatte, zur Ausgangskette um sie ihr zu öffnen. Die junge Frau holte ihre Tasche und ging dann zum Ausgang. Als sie an mir vorbeikam, sagte ich: "Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag." Sie antwortete: "Ihnen auch. Bis nachher." Lächelte mir zu und ging hinaus.
Ich ließ die nächsten Gäste herein und setzte meine Arbeit fort. Aber so ganz bei der Sache konnte ich nicht bleiben. Immer wenn gerade keine Gäste fahren wollten, schweiften meine Gedanken zu jener Frau. Auch während meiner zweiten Pause spuckte sie mir im Kopf herum. Was war anders bei ihr? Warum war sie so nervös? Warum machte sie mich nervös? Hielt sie ihr Versprechen, dass sie nachher noch einmal kam?
Als ich nach meiner Pause zurück zur Seilbahn kam, sah ich unten in den Booten eine Frau alleine fahren. Sie blickte zu mir hoch und lächelte, als unsere Blicke sich trafen. Bei mir waren gerade keine Gäste mehr, deshalb beobachtete ich die Fahrt der Frau bis zum Ausstieg. Gespannt hielt ich die Luft an und folgte ihr mit den Blicken. Ob sie wohl hoch zu mir kam? Und tatsächlich, ganz gemütlich schlenderte sie den kleinen Berg zu mir hoch. Es waren kaum noch Gäste im Park, da viele bestimmt noch an den See zum Schwimmen wollten.
Ich spürte wie mein Herz, für jeden Schritt, den sie näher kam, schneller schlug. Sie kam tatsächlich zu mir und lächelte mich schüchtern an. Ich lächelte genauso schüchtern zurück und sagte: "Freie Sitzwahl." Sie stellte ihre Tasche ab und ging zum linken Sitz. Als sie saß, drückte ich ohne ein Wort den Knopf. Sie wusste ja schon wie es ablief. Wieder wehte mir ihr Shampoogeruch in die Nase als sie zurückkam. Ich atmete ihn jedes Mal tief ein. Nach den zwei Fahrten, fragte sie: "Darf ich nochmal?" Ich blickte in die Anstellreihe, doch diese war leer, also nickte ich und startete wieder. Während sie fuhr, dachte ich: "Sie hat eine schöne Stimme. Nicht so hoch,, wie bei den meisten Frauen." Auch meine Stimme war tief für eine Frauenstimme. Nicht rauchig oder rau, aber eben tiefer, wie der Durchschnitt. Sie fuhr noch ein paar Mal zusätzlich. In der ganzen Zeit kamen keine anderen Gäste.
Nach dem sechsten Mal sagte sie: "Jetzt habe ich erst einmal genug." Sie lächelte mich wieder an, ich lächelte zurück. Dieses Mal hob ich ihr die Stange hoch, damit sie aussteigen konnte. Sie sagte leise "Danke." und ging ihre Tasche holen. Ich öffnete ihr die Ausgangskette und wollte und wollte ihr einen schönen Abend wünschen, als sie an mir vorbeiging, doch bevor ich den Mund öffnen konnte, überraschte sie mich. Sie blieb vor mir stehen und streckte mir die Hand entgegen. Perplex starrte ich sie erst an, dann nahm ich ihre Hand. Ich spürte, dass sie etwas in der Handfläche versteckt hielt. Es fühlte sich an wie ein Zettel oder so. Sie sagte: "Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend und Feierabend. Vielleicht sieht man sich mal wieder." Dabei bekam ihr Lächeln etwas leicht ... man könnte sagen, "spitzbübischer", dann zog sie ihre Hand zurück und ließ das "Etwas" dabei in meiner Handfläche. Sie wandte sich ab und ging zügig davon. Verwirrt ließ ich das Etwas in meiner Hosentasche verschwinden. Ich würde erst nach Feierabend nachschauen, was sie mir gegeben hatte.
Von meiner Position an der Seilbahn hatte ich einen guten Überblick über einen Teil vom See und den Weg, der darum führte, deshalb beobachtete ich die junge Frau, wie sie dort entlang zum Ausgang ging.