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Stories » Detail

Chemische Anziehung

von AJ_Fox


„Tisch-Zwei wartet auf die Bestellung!“
Kaum waren die Worte ausgesprochen, drückte Beate das Tablett ihrer Kollegin in die Hand und beförderte die junge Frau mit einem Schubs in die entsprechende Richtung. Tessa umkreiste geschickt die einzelnen Tische und näherte sich dem Ziel mit einem leichten Seufzer.
„Wo kann ich ihre Bestellung abstellen?“
Die Frau warf einen flüchtigen Blick der Kellnerin entgegen, schob ihre Brille wieder zurecht und räumte die unzähligen Aktenstapel ein wenig beiseite.
Wie immer wünschte Tessa einen guten Appetit und wurde mit einem herzlichen Danke verabschiedet.
Seite Wochen besuchte die Frau mit dem weißen Kittel nun täglich am Abend das Restaurant und wälzte ununterbrochen ihre Unterlagen. Ihre Augen wendete sie nur selten von den scheinbar wichtigen Papieren ab und notierte ständig irgendwelche Zahlen und Formeln.
Nur wenn Tessa in der Nähe war, unterbrach sie ab und zu ihre hektische Schreiberei und ließ sich von den fast schwebenden Bewegungen der Bedienung faszinieren.
„Wie lange willst du denn eigentlich noch warten?“
Beate lehnte sich leicht gegen den Tresen und sah Tessa entgegen, die gerade mit dem leeren Tablett wieder zurückkehrte.
„Hat sie es wieder getan?“
Die Kollegin nickte ihr lächelnd entgegen und hob dabei eine ihrer Augenbrauen, während Tessa nur mit den Schultern zuckte und vorsichtig einen Blick hinter sich riskierte aber die Dame an Tisch zwei blätterte wieder tief versunken in ihren wissenschaftlichen Unterlagen.
„Irgendwann in naher Zukunft wird am Tisch zwei keine Blondine mehr sitzen, die dir hinterher starrt.“
Beate streckte den rechten Arm aus, samt dem löchrigen Geschirrtuch in der Hand und zeigte auf Tessa mit dem Finger.
„Und wehe du jammerst dann, dass du immer noch Single bist.“
Mit einem Schwung schleuderte Beate das Tuch über die Schulter und verschwand murmelnd in der Küche. So ein Szenario gab es bis zu diesem Augenblick noch nicht in Tessas Vorstellung und umso schmerzhafter wurde die Erkenntnis, dass jeder Tag der letzte sein könnte.
Pünktlich nach einer Stunde verließ die Blondine das Lokal samt den Unterlagen. Der Betrag lag immer in der Mitte des Tisches mit einer kleinen Notiz.
„Vielen Dank für das köstliche Abendessen“ stand dieses mal drauf.
Gerade als Tessa den Stuhl zurechtrücken wollte und den Tisch abräumen, bemerkte sie etwas auf dem Boden.
Es war eine Schlüsselkette. Zwei kleine Schlüssel und eine durchsichtigen Plastikkarte baumelten an der Kette, sowie ein Metallmarke. Auf der einen Seite waren Name und Anschrift des Forschungsinstituts eingraviert. Die Rückseite enthielt sechs dünne Rillen mit jeweils einer Farbe des Regenbogens.
Wie verrückt sprintete Tessa zu der Eingangstür und raus zum Parkplatz aber so weit kam sie gar nicht, denn da sah sie bereits das kleine grüne Auto davonfahren. Eine Verwechselung war definitiv ausgeschlossen, denn so eine auffällige Lackierung sah man in dem kleinen Örtchen kein zweites Mal.
Leicht aufgelöst kehrte Tessa wieder in das Restaurant zurück und ging gedankenverloren zur Theke.
„Was ist den los?“
Beates Kopf lugte aus der Küchentüre.
„Sie hat ihre Schlüssel liegen lassen und hier steht keine Telefonnummer drauf.“
Tessa zeigte Beate das kleine Metallplättchen mit der Gravur.
„Keine Nummer?“
Nun verließ Beate komplett ihren Bereich und nahm die Schlüsselkette in die Hand.
„Wozu brauchst du bitte eine Nummer, wenn hier die Adresse steht?“
Sie drückte Tessa die Schlüsselkette in die Hand und machte eine wedelnde Bewegung mit der Hand.
„Soll ich dich etwa mit einem Besen hier rausscheuchen oder setzt du deinen Hintern von selbst endlich in Bewegung?“
Tessa stotterte leicht vor sich hin.
„Du hast gleich eh Feierabend. Also los, raus mit dir.“

Wenige Minuten später saß Tessa bereits im Auto und gab die Adresse in ihren Navi ein. Das Forschungszentrum lag zwar nur wenige Kilometer entfernt aber Tessa war noch nie in der Gegend gewesen und wusste auch nicht so recht was genau dort gemacht wurde.
Tessas Fantasie entführte sie zu den verrücktesten Versionen, wie ihr Ziel auszusehen vermochte. Eine gesicherte Einrichtung mit Wachhunden und viel Wachpersonal oder womöglich doch eine kleine unscheinbare geheime Basis würde sie dort erwarten?
Allmählich wurden die Lichter der kleinen Stadt immer weniger und lediglich die Straßenlaternen begleitete Tessa auf ihrem Weg. Je länger sie der Route folgte, desto weniger belebten Raum eröffnete sich ihrer Sicht. Weit und breit herrschte die Natur in der Umgebung der Straße.
Das letzte Stück des Weges führte die Kellnerin durch eine enge, kurvige Straße, die an manchen Stellen bereits Dellen und Löcher hatte.
Es gab absolut keine Hinweise darauf, dass hier irgendwo geforscht wurde. Aber dann, als Tessa bereits voller Zweifel umkehren wollte, erblickte sie in der Ferne eine Lichtung, die von einigen Laternen erleuchtet wurde. Ein Gebäude war zu erkennen. Einen elektrischen Zaun mit Stacheldraht gab es in der Tat, aber weit und breit konnte die junge Frau keine Wachmänner erblicken. Die Schranke zum Gelände stand offen. Tessa ergriff die Gelegenheit und passierte den unbemannten Wachposten im Schritttempo. Vor ihre Augen breitete sich eine riesengroße Parkfläche aus, die im Vergleich zum eigentlichen Gebäude das Dreifache an Platz einnahm, doch leider war kein einziges Auto zu sehen auf dem leeren Platz.
„Habe ich sie etwas verpasst?“, fragte sich die junge Kellnerin und stieg langsam aus dem Auto aus. Etwas unsicher entschied sich Tessa zum Eingang zu gehen. Womöglich konnte sie dort jemanden erreichen. Die massive Metalltür konnte nur mit der passenden Zugangskarte geöffnet werden. Eine Klingel oder so etwas in der Art schien nicht vorhanden zu sein. Lediglich eine seltsame schwarze Halbkugel war über der Tür befestigt und blinkte rot auf.
Leicht verlegen winkte Tessa mit der Schlüsselkette in die schwarze Kugel, in der Hoffnung es handle sich hierbei um eine Kamera und jemand würde sofort herbeieilen, um das Eigentum von der Forschungseinrichtung wieder in Empfang zu nehmen. Nach einigen Sekunden des Hoffnungsvollen Wartens passierte rein Garnichts.
„Hallo. Ist da drin jemand?“
Die schwarze Kugel antwortete jedoch nicht.
„Ich habe hier einen Schlüssel gefunden, der einer Mitarbeiterin gehört und würde diesen gern abgeben!“
Immer noch blinkte die die Halbkugel unbeeindruckt vor sich hin.
„Darf ich fragen mit wem du da redest?“
Voller Anspannung wendete Tessa ihre Aufmerksamkeit auf die Stimme, die vom Parkplatz ausging und japste vor Schreck leise auf, da sie nie damit gerechnet hätte, dass ausgerechnet die Dunkelheit hinter ihr ein Dialog beginnen würde.
„So gruselig sehe ich doch gar nicht aus.“
Mit verschränkten Armen trat die Blondine etwas weiter ins Licht.
„So war das eigentlich gar nicht gemeint.“
„Nur zur Info. Das ist keine Kamera da oben. Nur ein Bewegungsmelder.“
Tessa senkte nun endlich ihren Arm mit der Schlüsselkette und sah etwas beleidigt die schwarze Kugel an.
„Komm mit.“
Wieder wurde sie aus ihren Gedanken gerissen und sah in die Dunkelheit hinein. Der weiße Kittel verschwand geradewegs um die Ecke. Rasch setzte Tessa ihre Beine in Gang und folgte der Forscherin. An der anderen Seite des Forschungszentrums war ebenfalls ein Eingang. Dieser sah etwas kleiner und beeindruckender aus als der andere. Daneben parkte das grüne Auto.
„Hier hat sie sich also versteckt“, dachte sich Tessa und sah gerade noch in den Augenwinkeln wie sich die schwere Tür hinter den beiden Frauen automatisch verschloss.
„Was genau macht ihr denn hier eigentlich?“ Die Augen der Kellnerin lugten neugierig umher und versuchten endlich Klarheit zu erlangen.
„Menschenforschung“
Die Antwort klang ziemlich locker und selbstverständlich. Tessa wartete voller Überzeugung darauf, dass endlich ein Lacher oder eine Aufklärung des Witzes folgen würde, aber die Frau vor ihr ging weiter den leeren Gang entlang.
„Was ist denn los?“
Tessa blieb mitten in dem kahlen und kalten Durchgang stehen und war sichtlich verunsichert, denn die Art der Frau und diese ganze Aktion waren auf einmal irgendwie sehr suspekt.
„Das war doch nur ein Witz.“, gab die blonde Forscherin endlich zu und lachte leicht auf.
„Na du bist ja echt leicht zu verunsichern.“
„Na ich besuche ja auch nicht täglich eine seltsame Forschungseinrichtung, die weit weg von der Zivilisation im Wald steht.“, konterte Tessa und streckte wieder ihren Arm aus mit der Schlüsselkette.
„Hier!“
„Behalt sie noch einen Augenblick und leiste mir etwas Gesellschaft.“
Die Frau schob wie üblich ihre Brille etwas zurecht und marschierte weiter. Immer wieder warf sie einen lockeren Blick hinter sich, um nachzuprüfen, ob der Gast ihr nachging.
Tessa folgte irritiert und dennoch voller Neugier. Den Weg behielt sie stets im Hinterkopf, falls eine Flucht die letzte Option wäre. Am Ende des Flurs war ein Aufzug, der die beiden Damen weiter hinab in die Tiefe beförderte. Beide sprachen kein Wort miteinander, sondern musterten sich möglichst unauffällig und spürten innerlich wie eine die andere unheimlich anzog.
Sie begegneten sich nun täglich seit Wochen und kannten nicht einmal den Namen des anderen. Tessa fand die Dame an Tisch zwei bereits wenige Sekunden nach ihrem Erscheinen wahnsinnig faszinierend. Allein schon dieses Outfit und der Stapel mit den Akten machten die Fremde irgendwie anziehend.
Oft stellte sich die Kellnerin vor, wie die unbekannte einer geheimen Organisation angehörte oder in Wirklichkeit eine Undercover-Agentin war, die jemanden ausspionierte. Einmal träumte Tessa sogar von der Forscherin. Die einzelnen Bilder des Geträumten waren in einen nebligen Schleier gehüllt und sehr unklar aber an das schlechte Gewissen konnte sich die verträumte Kellnerin noch sehr gut erinnern, denn in dem Traum war es ihr durchaus bewusst gewesen, dass die Wissenschaftlerin verheiratet war und Kinder hatte.
Tessa schluckte den imaginären Kloß, der sich in ihrem Hals verschanzt hatte.
„Haben sie Kinder?“
Die Unbekannte setzte ihre Brille kurz ab und putzte die Gläser mit ihrem Kittelärmel, während sie Tessa mit einigen Falten auf der Stirn ansah. Der Fahrstuhl summte dabei leise und unterstrich die unangenehme Stille in der Kabine.
„Kinder? Nicht, dass ich wüsste.“
Die Brille wanderte wieder auf ihren ursprünglichen Platz und der Spaziergang durch das komplexe Wegsystem wurde fortgesetzt, nachdem sich die Aufzugtüren geöffnet hatten.
„Warum soll ich ihnen eigentlich folgen?“
Die Frau in Weiß blieb kurz stehen und lehnte sich an der Wand an. Sie schien nachzudenken was wohl die passendere Antwort wäre.
„Also wenn es doch auf Menschenversuche hinausläuft, haben sie hier ein ganz schlechtes Exemplar erwischt. Ich werde sofort ohnmächtig, wenn ich Blut oder Spritzen sehe.“
Tessa zog dabei eine Luftellipse um ihren Körper mit dem Zeigefinger.
„Nun ohnmächtig klingt irgendwie verlockend.“ Sie machte eine kurze Pause und betrachtete Tessa von Kopf bis Fuß. Dabei spiegelte sich kurz das Licht in den Brillengläsern wieder. Die Situation wirkte nun noch mysteriöser und unvorhersehbarer als vorher.
„Mit einem Kaffee bist du aber sicherlich einverstanden, oder?“
Tessa nickte hastig obwohl ihre Gedanken immer noch bei dem vorherigen Satz verharrten. Zahlreiche Bilder huschten ihr durch den Kopf und nahezu alle hatten nichts Anständiges im Sinn.
„Es macht dir hoffentlich nichts aus, wenn wir uns duzen?“
Die Kellnerin schüttelte heftig mit dem Kopf und überlegte weiterhin was die Unbekannte bloß vorhaben könnte.
„Ich heiße übrigens Ninett.“
Sie sagte es, ohne sich dabei zu ihrer Besucherin umzudrehen und schritt durch ein weiteres Abteil der Forschungseinrichtung. Dieser schien nun etwas mehr Leben zu bekommen, denn abgesehen von einer Tür am Anfang und am Ende der Ganges sah man hier einzelne Glastüren an den Seiten. Auch manche Wandabschnitte waren lediglich verglast. Ninett blieb plötzlich vor einer dieser Türen stehen. Sie war mit einer Art Folie überzogen, die das Glas trübte und einen direkten Einblick verwehrte.
„Da wären wir auch schon. Mein zweites Wohnzimmer!“
Sie öffnete die Tür mit einem übertriebenen Lächeln und bat ihren Gast herein.
„Mach‘s dir bequem. Ich hol uns den Kaffee.“
Kaum waren die Worte ausgesprochen, war die Forscherin bereits auf dem Gang hinter einer der restlichen Glastüren verschwunden.
Der Raum war ziemlich winzig, so kam es Tessa zumindest vor, im Vergleich zu den endloslangen Fluren in dem Gebäude. Jede Wand wurde praktisch genutzt und beherbergte Regale, Schränke oder Kommoden. Das Meiste war wiederum aus Glas oder glänzendem Metall. Etwas Farbe verliehen wenigstens die zahlreichen Bücher und Zeitschriften, die sich überall, wo Platz für diese war in Reihen und Stapeln türmten und dazwischen weitere Unterlagen. Es waren die Akten und Mappen, welchen Tag ein Tag aus in der Gegend reisten und stets in dem kleinen Restaurant an der Ecke am Tisch zwei platz nahmen. Während Tessa das „Wohnzimmer“ von Ninett betrachtete, entfiel ihren Augen nicht die zweite Tür, welche in einen weiteren Raum führte.
„So hier ist der Kaffee mit einem Extraschuss Schlafmittel.“
Ninett stellte eine der beiden Tassen auf ihrem Schreibtisch ab und versuchte nebenbei einige Akten beiseite zu räumen. Jeder ihrer Sätze klang so ernst und nur ein kaum ersichtliches Lächeln auf ihrem Mund verriet sie bei der Witzelei.
„Ach die Mühe war vollkommen umsonst. Ein paar Spritzen oder ein Pröbchen Blut aus dem Nebenraum hätte auch gereicht.“
Die Blondhaarige führte ihre Tasse ganz nah an ihr Gesicht und pustete auf die dunkle Flüssigkeit. Sie lächelte dezent dabei. Ehe sie zum ersten Mal ansetzte, hielt sie kurz inne.
„Ich warne dich aber, der Kaffee hier ist absolut ungenießbar.“
Erneut bildeten sich leichte Grübchen um die Mundwinkel. Tessa wippte in dem Sessel, in dem sie zuvor platz nahm, vor und zurück und wanderte mit ihren Augen immer wieder zu der Forscherin. Beide nippten dabei an ihren Tassen und lauschten der seltsamen Stille im Raum. Nur das leise Quietschen des Stuhls sendete seine Laute hinaus.
„Was ist eigentlich in dem Raum nebenan?“
Eigentlich hatte Tessa etwas Angst vor dieser Frage, denn sie befürchtete wirklich Blut und andere fürchterliche Instrumente dort vorzufinden.
„Dort teste ich meine Proben.“
Ninett nickte leicht mit dem Kopf, als würde sie verstehen, dass diese Aussage dem Gast nicht all zu viel Information verriet.
„Meine Aufgabe ist es einen neuen Wirkstoff aus bestimmten Pflanzen zu testen. Es gibt wahnsinnig aufwendige Verfahren, wie man diese Substanzen gewinnen kann und dann werden diese mit anderen noch komplizierteren Anwendungen aufbereitet. Das ist im Prinzip meine Aufgabe. Testen und die Ergebnisse auswerten.“
Die Tonlage war plötzlich vollkommen anders. Die knappen lockeren Sätze waren nicht mehr zu vernehmen. Tessa merkte, dass hier die Leidenschaft aus der Frau floss.
„Also kein Blut?“, fragte Tessa zur Sicherheit.
„Nein. Kein einziger Tropfen.“
Die Kellnerin wurde nun vollkommen von der Neugier gepackt und betrat mit der Erlaubnis der Laborantin den zweiten Raum.
Auch diese Wände waren zugestellt mir einer Art Arbeitsplatte, die sich u-förmig im Raum ausbreitete. Die Mitte zierte ein großer Labortisch aus Edelstahl. Tessa lehnte sich leicht an das kühle Metall an.
„Hier arbeitest du also.“
„Hör ich da Enttäuschung aus deinen Worten heraus?“
Die junge Angestellte aus dem Restaurant biss sich leicht auf die Lippen. Ihre Gedanken waren voll von den Vorstellungen an die attraktive Geheimagentin, die eine wichtige Mission erledigte und deswegen in diesem kleinen Örtchen ihre Tarnung aufrechthielt.
Der Tagtraum wurde schlagartig zur Realität, als Tessa den fremden Atem auf ihrer Haut spürte.
„Wo warst du gerade?“
„Hab dich in Gedanken verfüh…“
Noch bevor die letzten Buchstaben ihre Lippen verlassen konnten, spürte Tessa die der Anderen auf ihren ruhen. Die weiche Haut berührte sich kaum, aber das Gefühl, welches der Körper hervorrief, schrie bereits nach mehr. Die Schüchternheit war längst aus den Augen der beiden verschwunden und nun standen sich zwei Femme Fatal gegenüber, die nach purer Leidenschaft dursteten.
„So schmeckt der Kaffee gleich viel besser.“
Ninett leckte mit ihrer Zungenspitze über die kaum geöffneten Lippen der Frau ihr gegenüber. Diese lächelte und erhob ihre Hand, um mit den Fingerkuppen über die Wangenknochen der Laborantin zu streifen, weiter zu ihren vollen rötlichen Mundpartien.
„Eine neue Geschmacksrichtung. Labello.“
Tessa sprach dabei das Wort langsam aus und betonte jede der einzelnen Silben. Man hätte es ihrem Gesicht auch ohne Stimme ablesen können.
Womöglich etwas zu hastig griff sie nach dem weißen Kittelrand und zog die Forscherin erneut zu sich. Der Hunger nach mehr war nicht zu übersehen.
Die Stille waltete im Raum, doch musste diese immer wieder den liebevollen leisen Klängen der Leidenschaft platz machen.
Mit einem leichten Sprung nahm die Kellnerin auf dem Metalltisch platz und umschlang mit ihren Beinen blonde Schönheit. Ninett‘s Hände umschlangen die Taille der flinken jungen Frau. Nun waren sowohl die Forscherin als auch die Kellnerin Gefangene der Leidenschaft, die durch beide Körper strömte.
Die Finger streiften langsam den Hals entlang, über die Schultern. Der Stoff der Bluse, die unter dem Kittel verborgen lag, war seidig und fühlte sich hauchdünn an. Diese Andeutung musste nicht mehrmals ausgesendet werden und schon glitt sanft der weiße Stoff zu Boden.
Erneut umfasste Ninett ihre Besucherin und zog diese leicht an sich ran. Die Innenschenkel der Kellnerin pressten sich gegen die Hüfte der Frau, die nun die Zügel zu übernehmen schien. Sie betrachtete die Jeansjacke, die viel zu kurz geschnitten war. Langsam öffnete sie die wenigen Knöpfe, beginnend mit dem untersten. Die Befreiungsaktion wurde von weiteren Küssen begleitet, denn keine der beiden Frauen wollte die wertvollen Minuten sinnlos verstreichen lassen. Der Jacke folgten wenige Momente später auch die seidige Bluse, sowie das schwarze Poloshirt mit dem Logo des Restaurants.
Das Herz von Tessa raste und jede einzelne Zelle ihre Körpers pulsierte vor Erregung. Es war so eigenartig und doch fühlte es sich richtig an die Nacht mit einer Unbekannten zu genießen.
Der strenge Zopf der Wissenschaftlerin wurde längst zu einer zerzausten Haarfrisur, in der sich die Finger der Kellnerin immer wieder vergruben und ihre Lippen auf einer Wanderung Halsabwärts sich einen Weg freiküssten. Sie fühlte sich so magisch angezogen, als sei solch ein Gefühl nicht von dieser Welt. Sie hielt kurz inne und wagte einen Blick in die großen Augen, die voller Verlangen ihr entgegen blinzelten. Die Schutzbarriere aus Glas war längst bei Seite geräumt und dennoch machte die Forscherin genau in diesem Augenblick die übliche Handbewegung, um das zurecht zu rücken was nicht mehr vorhanden war.
„Gewohnheit.“, flüsterte sie leise und sah nun doch leicht verlegen weg. Mit beiden Händen umfasste Tessa das Gesicht und zog die wunderschönen Augen wieder zu sich, um in der wunderbaren Tiefe dieser zu ertrinken.
„Du löst in mir solche Gefühle aus, die in meinem ganzen Leben noch keine Frau auch nur ansatzweise entdeckt hätte. Wieso?“
Die Fremde Frau hatte keine Antwort für die Kellnerin parat, denn solche Worte kreisten auch in ihren Gedanken und verlangten eine Antwort.
„Das Ganze läuft doch hoffentlich nicht auf ein Menschenexperiment mit dem geheimnisvollen Wirkstoff hinaus?“
Die Beine der jungen Bedienung klammerten sich noch etwas fester um den Körper der Frau, die ihr die Sinne raubte. Nur zur Sicherheit, falls diese sich unerwartet lösen wollte.
„Aber natürlich. Der Wirkstoff heißt schließlich nicht umsonst ‚Chemical attraction No. 5‘.“
Ein leises Gelächter flog hinaus in den leeren dunklen Flur, dessen Lichter schon längst erloschen waren. Die einzige Lampe die etwas Helligkeit den beiden schenkte, stand im Nebenraum auf dem Tisch und war so gut wie überflüssig, denn das Spiel der Lust begann nun richtig aufzublühen und beide Körper brannten darauf berührt und ertastet zu werden.
Ninett dirigierte Tessas sich nach hinten fallen zu lassen. Der Tisch war lang genug, um das Vergnügen in die horizontale Ebene zu verlagern. Die Kellnerin stöhnte leise auf, als ihr nackter Rücken das kalte Metall berührte. Die Gänsehaut, als Folge dessen, durchzog ihren ganzen Körper und vermischte sich mit dem pulsierenden Gefühl, das durch den gesamten Körper strömte. Die Laborantin schmiegte sich an den Körper ihrer spontanen Liebespartnerin. Auch ihre Haut unterlag dem kühlen Raum.
Die wenigen Kleidungsstücke, die noch zwischen den lodernden Lustpunkten waren, sollten als nächstes den Weg für weitere Berührungen frei machen. Ninett löste sich nur ungern von den Lippen der anderen, verfolgte jedoch ihr Ziel gewissenhaft und glitt etwas hinab zum Hals. Anschließend zum Brustbein, bis sie bei den attraktiven Rundungen ihrer Verführerin verblieb. Erst waren es nur vorsichtige Küsse, die um die Brustspitze ihre Kreise zogen. Tessas Hände streichelten im selben Augenblick den makellosen Körper ihrer begehrenswerten Unbekannten und zog sie immer wieder zu sich hoch, um ihre Lippen erneut zu kosten. In der Zwischenzeit arbeiteten die Hände der Kellnerin stetig weiter und machten sich am Gürtel der andere zu schaffen.
Beide Frauen waren so vertieft in ihrer leidenschaftlichen Zeremonie. Sie nahmen weder das leise Klopfen war, noch sonst etwas. Dort in dem Raum lagen diese Schönheiten und schenkten sich die Intimität der anderen. Das Klopfen wurde von Sekunde zu Sekunde immer lauter und Pochte wild in Tessas Brust.

Die Kellnerin riss ganz weit die Augen auf und schluckte erstmal den Speichel in ihrem Mund hinunter. Langsam sah sie sich um und war komplett zerstreut. Sie suchte den Raum und den Tisch, doch das einzige, was sie vor sich sah, war ihre Windschutzscheibe. Sie saß in ihrem kleinen Auto und presste die verschränkten Armen fest an sich. Das pochende Geräusch vernahm sie nach wie vor in ihren Ohren und ein Verlangen nach der Frau, die gerade eben noch ihren Körper so liebevoll berührte, trieb sie in den Wahnsinn.
„Hallo!“
Tessa zuckte erneut zusammen und wendete ihren Blick hastig nach links.
„Haben sie meine Schlüsselkette gefunden?“
Nun begriff Tessa langsam, dass sie nie in dem Gebäude war. Nachdem keiner die Türe öffnete entschloss sie sich im Auto zu warten und verfiel dabei in einem tiefen, schönen Schlaf.
„Ja, ich hab sie.“
Sie öffnete endlich die Fahrertür und stieg aus dem Auto aus. In der rechten Hand hielt sie nach wie vor die Kette und baumelte mit dieser, um sich zu vergewissern, dass die Schlüssel noch dran waren.
„Bitteschön.“
Sie streckte den Arm aus und reichte der Blondine das Fundstück entgegnen. Sie schien sichtlich erleichtert zu sein und umfasste Tessas Hand mit ihren beiden voller Begeisterung. En blitzartiges Kribbeln schoss durch den Körper der Kellnerin und setzte das abklingende Pulsieren ihres Körpers von neuen in Gang.
„Darf ich ihnen einen Kaffee als Dankeschön anbieten?“
Erwartungsvoll funkelte die Unbekannte mit ihren Brillengläsern ihre Heldin an und zog sie bereits leicht an der Hand zum Eingang. Wie konnte Tessa diesem Vorschlag je wiederstehen. Vor wenigen Augenblicken war sie im Begriff dieser Schönheit ihre Jeans vom Körper zu reißen.
„Ich war vorhin kurz Tanken und als ich hier ankam, durchwühlte ich erst mein ganzes Auto auf der Suche nach dieser blöden Karte.“ Sie machte eine kurze Pause und drückte auf ihren Autoschlüssel, um die grünen Türen zu verschließen.
„Danach bin ich wieder zur Tankstelle gefahren, aber dort wurde nichts abgegeben. Die letzte Hoffnung war das Restaurant.“
Sie stoppte erneut ihre Erzählung und legte ihre durchsichtige Karte auf das Gerät neben der Tür.
„Ist das da oben ein Bewegungsmelder?“
Tessa wartete mit großer Erwartung auf die Antwort, um ihren Traum auf die Probe zu stellen.
„Ja, im Moment schon. Die Kamera ist defekt. Wir bekommen da unten immer ein Signal, dass jemand an der Tür ist und irgendeine arme Socke hat dann das Vergnügen durch die ganze Abteilung zu laufen, mit dem Fahrstuhl nach oben zu fahren um nachzusehen, ob an der Tür tatsächlich jemand ist oder ein Tier den Melder aktiviert hat.“
Die schwere Tür öffnete sich und ein kleiner Eingangsbereich wurde sichtbar. Es war nicht wie im Traum, aber richtig warm und herzlich sah es trotz der paar Blumen und Sitzmöglichkeiten nicht aus. Es erinnerte an das typische Wartezimmer beim Doktor.
„Wo war ich stehen geblieben?“
Ohne Tessa die Gelegenheit zu geben eine Antwort zu äußern, fuhr die Unbekannte fort.
„Ach ja. Ich hatte keine Nummer von eurem Lokal und bin schließlich den ganzen Weg, in der Hoffnung, dass der Schlüssel dort wäre, zurückgefahren. Wie es sich rausstellte, war dieser schon auf dem Weg zu mir. Deine Kollegin hat es mir gesagt.“
Sie zuckte leicht mit den Schultern und lächelte Tessa mit einem breiten Grinsen an.
Sie war absolut nicht geheimnisvoll oder locker. Eher in Eile und voller Energie. Die Laborantin aus dem Traum hatte wesentlich viel mehr Anziehungskraft, stellte Tessa innerlich fest und seufzte leicht auf.
„Welche Forschungen betreibt ihr hier eigentlich?“
Der Blick der Kellnerin wanderte im Raum umher, auf der Suche nach Parallelen aus dem so realen Traum. Der Gang war tatsächlich länglich und außer den Lampen an der Decke war nichts zu sehen. Nur gab es hier zahlreiche dunkle Holztüren an den Seiten.
„Verbotene Menschenexperimente.“
Die blondhaarige blieb endlich vor dem Fahrstuhl stehen, drückte den Knopf und verschränkte die Armen.
Tessa räusperte sich. Das überraschte Gesicht war wohl mehr als deutlich zu erkennen, worauf die Wissenschaftlerin laut auflachte und erneut ihre Brille zurecht schob.
„Das sollte eigentlich nur ein Scherz sein. Anscheinend bin ich nicht so gut darin.“
„Besser als du vermutest“, dachte sich die Bedienung.
„Ich heiße übrigens Nina.“
Wie im Traum wendete sie sich mit dem Rücken zu Tessa und stieg in den Fahrstuhl ein.
„Kommst du mit?“
Mit zügigen Schritten eilte die Kellnerin der anderen Frau nach und schwebte förmlich in den Fahrstuhl.
„Genau dasselbe machst du auch im Restaurant immer.“
Sie flüsterte es beinahe und richtete den Blick irgendwohin auf den Boden. Nina konnte zwar nicht das Gesicht der anderen Frau erkennen, so war ihr aber klar, dass nun eine Frage offen stand.
„Mir gefällt die Art wie du dich bewegst.“, fügte sie hinzu und richtete ihre Brille erneut, obwohl sie kein Millimeter verrutscht war.
Es ertönte ein Signal, als würde irgendwo im Aufzug eine kleine Glocke schlagen und die Türen schlossen sich langsam. Ehe sie vollkommen aufeinander trafen, ergriff die Kellnerin den Mut mit einer großen Portion Zuversicht und drückte Nina gegen die Fahrstuhlwand. Es reichte aus, um auch bei der Forscherin die letzten Zweifel und die Unsicherheit endgültig zu verbannen.
Die Lippen der beiden berührten sich erneut aber nun war es kein Traum.






copyright © by AJ_Fox. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


chemische A
Hat sich super lesen lassen, war witzig, spritzig und nicht langweilig
Sandemann - 05.03.2014 17:40
richtig gut
angeljack85 - 22.01.2014 23:23
Chemie stimmt...
metropolis93 - 14.01.2014 21:19
*Chemische Anzieheung*
AJ_Fox - 14.01.2014 18:28

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