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Überraschungen. Fortsetzungsroman, VIII

von atayari


„Guten Morgen.“, erwidere ich mit einem Lächeln. Sie wirkt nicht besonders überrascht, mich noch auf ihrem Sofa zu sehen. Das gefällt mir. Ich war mir bis eben nicht ganz sicher, wie sie reagieren würde, jetzt, am Morgen, wo wieder die Sonne scheint und alles anders ist. Aber sie lächelt zurück.

Dann guckt sie mich plötzlich betreten an. „Bin ich tatsächlich einfach eingeschlafen gestern Abend?“ Ich lache und nicke. „War aber nicht schlimm.“, füge ich an, „Ich nämlich auch!!“ Jetzt lacht sie auch, und ihr perlendes, helles Lachen tut meiner Seele gut.
„Wir sind schon zwei…“ Dann krabbelt sie über mich hinweg vom Sofa und tapst Richtung Küche. „Möchtest du Tee zum Frühstück? Oder lieber Kakao? So was müsste ich auch noch haben… Und – hm… Croissants zum Aufbacken aus dem Tiefkühler oder Toast von etwa vorgestern.“ Ich verziehe das Gesicht, dann fällt mir ein, dass sie mich ja jetzt nicht mehr sehen kann. „Kakao und Croissants wären super!“, rufe ich zurück. Dann begebe ich mich auf die Suche nach dem Badezimmer. „Links neben der Haustür!“, erhalte ich Unterstützung aus der Küche, nachdem ich herausgefunden habe, dass sie sowohl einen Einbauschrank im Flur als auch ein helles und geräumiges Schlafzimmer hat. Mein Gesicht brennt, aber das sieht sie ja zum Glück nicht.

Ein paar Minuten später sitzen wir uns am Küchentisch vor zwei dampfenden Tassen Kakao gegenüber und gucken den Croissants beim Backen zu. Irgendwie hat sich plötzlich betretenes Schweigen zwischen uns geschoben, ich weiß nicht genau, wieso. „Woran denkst du?“ Sofort fühle ich mich ertappt und spüre, dass meine Wangen schon wieder zu glühen anfangen. „An nichts Besonderes.“, versuche ich auszuweichen. Tatjana fängt meinen Blick auf und hält ihn fest. „Du bist nicht gut im Lügen.“, stellt sie fest. Dann, hartnäckig: „Woran hast du gedacht gerade?“ Ein Seufzer entringt sich meiner Kehle, bevor ich schließlich doch antworte. „An das Schweigen zwischen uns.“ Sie lächelt ein bisschen schief. Ihre Augen sind warm, das versöhnt mich ein bisschen mit dem Gefühl, dass sie sich über mich lustig macht. Dann zerstört sie den Zauber mit ihrer nächsten Frage. „Und worüber würdest du gerne reden?“ „Ich weiß nicht!“, erwidere ich eine Spur zu schnell und eine Spur zu barsch. „Sonst wäre es ja nicht so still.“

Tatjana hebt die Augenbrauen. Dann stiehlt sich wieder ein verschmitzes Lächeln in ihr Gesicht. Ich habe das Gefühl, sie nimmt mich überhaupt nicht ernst. Aber in Anbetracht dieses Lächelns kann ich auch einfach nicht mehr verstimmt sein. Ich ertrinke in diesem Lächeln, in diesem Blick. Bin ihr willenlos ausgeliefert in diesem Moment und schäme mich gleichzeitig dafür, wenn ich mir vorstelle, dass sie es weiß.

„Ich wüsste schon etwas, worüber ich gerne reden würde!“, sagt sie sanft. Als meine Augen ihre erreicht haben, fährt sie fort: „Aber dafür brauchen wir vielleicht nicht so viele Worte?“ Ein heißer Schauer rinnt ganz plötzlich durch meinen Körper, lässt mich zusammenzucken und den Kopf leicht in den Nacken legen. Lust schießt in mir hoch. Ich sehe mir gegenüber die Frau, in die ich mich schon im Krankenhaus verliebt habe. Die Frau mit dem verschmitzten Lächeln, den tanzenden Sommersprossen und den Funken sprühenden, wachen Augen. Die Frau, die ungeniert mit mir flirtet. Vergessen sind all meine Vorbehalte. Ich spüre, ich werde diesen Kampf verlieren. Ich will sie zu sehr. Sollen die Konsequenzen doch sehen, wie sie zurecht kommen.

Mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen wartet Tatjana, bis sie an meinem Gesicht sieht, dass ich meine Gedanken zu Ende gedacht habe. Dann steht sie auf, nimmt meine Hand vom Tisch, wo sie mit dem Henkel der Tasse beschäftigt war, und zieht mich von meinem Stuhl hoch.

Dann drängt sie mich mit dem Rücken gegen den Rahmen der Küchentür und küsst mich mit einem Hunger, der mir die Knie weich werden lässt. Ich stöhne und ziehe sie mit beiden Händen fester an mich. Meine Welt hört auf sich zu drehen, meine Augen werden blind für alles um uns herum, meine Hände spüren die Hitze ihrer Haut, und ich weiß nicht, ob gut ist, was hier passiert, aber ich will es auch gar nicht mehr wissen.

Ihr Stöhnen füllt meine Ohren, ich spüre ihre Hände auf meinem Rücken, auf meiner Brust, den Druck ihres Körpers an meinem, das harte Holz des Türrahmens in meinem Rücken. Hunger lässt meine Hände unter ihr T-Shirt wandern. Heftig zieht sie die Luft ein. Dann löst sie sich ein bisschen von mir und schiebt mich Richtung Flur. „Komm!“, wispert sie nah an meinem Ohr, „ich weiß einen Ort, da ist es bequemer…“

Ein paar Sekunden später liege ich rücklings auf ihrem großen, breiten Bett in ihrem schönen, hellen Schlafzimmer und habe vergessen, dass es ein Morgen gibt.

Eine gefühlte Ewigkeit später liege ich in ihren Armen, mein Kopf auf ihrer Schulter, und bin einfach nur glücklich. Tatjana auch, wie ich an ihrem sanften Lächeln und den geschlossenen Augen ablesen kann. Langsam streiche ich mit meinen Fingerspitzen über den prallen Bauch, der mir so viel Angst gemacht hat. Ein wohliges Seufzen ist die Antwort und ein leichtes Streicheln auf meinem Oberarm. Dann schreckt sie plötzlich hoch. „Shit, wir haben die Croissants vergessen!!“ Da rieche ich es auch. Hastig krabbeln wir aus dem Bett und laufen in die Küche. Schwarzer Qualm quillt aus dem Backofen. Kichernd wie Grundschüler reißen wir das Fenster und die Klappe vom Backofen auf, wedeln mit Geschirrtüchern und flüchten schließlich hustend aus der Küche.

„Oh du meine Güte!“, japst Tatjana, als sie vor lauter Husten und Lachen wieder Luft bekommt. „Gleich schicken uns die Nachbarn die Feuerwehr!!“ „Die werden staunen, was es hier zu löschen gibt!“, stimme ich ein und lasse mich erschöpft in einen Sessel fallen. Tatjana plumpst mir gegenüber aufs Sofa. „Und jetzt?“, fragt sie etwas ratlos. „Jetzt müssen wir wohl frühstücken gehen, wenn wir nicht verhungern wollen!“, gebe ich zurück und strecke ihr die Zunge raus. „Nicht doch lieber erst Mittagessen?“, unterbreitet sie einen Gegenvorschlag, und ihre Augen glitzern schon wieder schelmisch. „Ich wusste gar nicht, dass Schwangere so viel Spaß an Sex haben!“, necke ich sie. „Du weißt noch so einige Dinge nicht über Schwangere!“, erwidert sie. „Aber ich sehe schon, du lernst schnell!“

Ich grinse nur, einmal mehr überrascht über den Menschen, der in diesem komischen Körper steckt und irgendwie so gar nicht in mein Bild von werdenden Müttern passen will. Irgendwie ist Tatjana so ganz anders, als ich dachte. Oder befürchtet hatte. Aber deutlich besser in diesem anders, stelle ich insgeheim fest. Vielleicht hatte Chiara doch recht. Sie meinte neulich zu mir, ich solle mich nicht so anstellen, auch schwanger sei man schließlich noch ein ganzer Mensch und nicht nur eine Hülle für das Baby.

„Du denkst zu viel, Lena.“, reißt mich Tatjanas Stimme aus meinen Gedanken. Erst da bemerke ich, dass sie ihr Sofa verlassen hat und neben meinem Sessel steht. Sanft streicht sie mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Komm her!“, sagt sie und zieht mich an beiden Händen aus dem Sessel hoch. „Noch ist es drin. Noch musst du keine Angst haben.“ Entschuldigend sehe ich auf. „Ich weiß. Es ist nur-“ „Psst.“, unterbricht sie mich. „Vergiss es einfach für einen Moment. Manche Fragen haben eine Antwort, die nur die Zeit geben kann…“

Ich weiß, dass sie Recht hat. Ich ziehe sie an mich. „Du bist klug.“, flüstere ich ihr ins Ohr und genieße die Gänsehaut, die sich auf ihrem Hals bildet.




copyright © by atayari. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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