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Stories » Detail

Roof Stories - Story 4 (Part 1)

von cappuccino007


Roof Stories - Story 4

Glasscherben
Broken Glas

„Alora, einen Cappuccino und eine Tasse heiße Schokolade für die zwei Damen!“, sagte der Kellner mit italienischem Akzent und stellte die Getränke auf den Tisch. Verena nahm sich ihren Cappuccino und schüttete ein Päckchen des dazu beigelegten Zuckers hinein. Charly beobachtete sie dabei, während sie selbst einen Löffel von der Schaumkrone ihres Heißgetränkes kostete.
Seit Giselle am vergangenen Samstag hatten sich die Beiden jeden Tag getroffen. Sie waren im Kino gewesen, beim Sushi-Essen und Charly hatte Verena sogar auf einen Berufsfindungsabend an ihrer Schule begleitet. Bei jedem dieser Treffen hatte es sich so angefühlt, als wären die Zwei bereits ein Paar. Und das nicht nur, weil sie gar nicht mehr genug voneinander bekommen und mit dem Küssen und Kuscheln aufhören konnten. Charly war schon lange nicht mehr so vernarrt gewesen, wie in dieses bezaubernde Mädchen, das ihr gegenüber saß. Die Zwei hatten sich zwar erst vor etwa einem Monat auf G4G kennengelernt, aber schon nach nur so kurzer Zeit schien die Chemie zwischen Beiden zu stimmen. Dies war unter anderem auch der Anlass für das heutige Treffen: Um zu klären ob sie am Ende des Tages weiterhin zwei verliebte Singles oder ein verliebtes Paar sein würden. Doch die Zeichen standen so gut, dass Charly mehr als überzeugt davon war, dass Letzteres eintreffen würde.
„Wusstest du, dass der Name Cappuccino vom italienischen Wort cappuccio, zu Deutsch Kapuze kommt?“, fragte Charly belehrend während Verena einen weiteren Schluck nahm. Sie schüttelte lächelnd den Kopf, „Nein wusste ich nicht. Aber dafür habe ich ja dich, damit du mir solche interessanten Fakten näher bringst.“
Charly grinste zufrieden. Ihr Blick fiel auf Verenas Hand, die ruhig auf dem Tisch lag. Die Brillenträgerin schob sanft ihre Hand darauf und fragte zögerlich, ohne Verena in die Augen zu schauen, „Also, wir wissen Beide, dass wir nicht nur zum Kaffee trinken hier sind. Was mich angeht, fand ich die letzten Tage wunderschön…“
„Ich auch…“, murmelte Verena zustimmend dazwischen und auf Charlys Mund formte sich ein siegessicheres Lächeln, „Darum frage ich jetzt einfach ganz direkt, ob du es dir vorstellen könntest, dass wir in Zukunft als Paar einen Kaffee trinken gehen könnten?“
Charly schaute schüchtern durch ihre Brillengläser zu Verena, auf deren Gesicht sich ein verlegenes Lächeln breit machte.

Dass Charly es heute überhaupt pünktlich zu diesem Treffen geschafft hatte, grenzte sowieso schon an ein Wunder. Nach Unterrichtsende musste sie noch zu einer Versammlung der Stufensprecher um den bevorstehenden Unterstufen-Tanzabend zu besprechen. Charly war schon immer eine sehr engagierte und verantwortungsbewusste Schülerin gewesen. Kein Wunder also, dass sie während den Jahren immer mal wieder zur Klassensprecherin und ab der Oberstufe auch zu einer der Stufensprecherinnen gewählt wurde. Und ihre Mitschüler konnten wirklich froh sein, sie in ihren Reihen zu haben, denn im Planen und Organisieren machte Charly niemand was vor.
In ihrem Mathe-Kurs gehörte sie gemeinsam mit zwei anderen Schülern zu denjenigen, die mit ihren Leistungen den gesamt Schnitt der Klasse einigermaßen passabel aussehen ließen. Egal ob Zahlen, Elemente oder Neutronen, in naturwissenschaftlichen Fächern war Charly ein Ass und auch in den Übrigen zählte sie immer zu dem oberen Drittel was die Noten betraf. Manche Leute, die Charly nicht so gut kannten, hätten sie sofort als langweiligen Nerd abgestempelt, doch das war sie keinesfalls! Wenn sie sich nicht gerade mit schwierigen mathematischen Formeln auseinander setzte, traf man sie entweder auf ihrem Skate- oder Longboard an, vor der Konsole oder mit einer Tüte Chips vor dem TV, wo sie mal wieder einen „How I Met Your Mother Staffelmarathon abhielt.
Dass Charly so ein verantwortungsbewusstes Mädchen war, lag wohl unter anderem daran, dass sie das Älteste von vier Geschwistern war und schon immer als eine Art Vorbild agieren musste. Als sie gerade einmal zehn Jahre alt war, ließen sich ihre Eltern scheiden. Ihr Vater lernte ein paar Jahre später eine neue Frau kennen, die nun Charlys Stiefmutter war. Mit in die Ehe brachte diese zwei bildhübsche Töchter, Leonie und Juliana. Anders als Cinderella kam Charly aber gut mit ihren Stiefschwestern zurecht und der gesamte Patchwork-Clan der Sattlers, zu dem auch Hund Sully gehörte, hielt stets zusammen.

Als Vanny heute das LLoft betrat, wurde sie Zeuge einer sehr seltsam anmutenden Szene und blieb wie angewurzelt noch im Rahmen der Eingangstür stehen. An der Bar standen Rosalie, Nadine und Becky, die anscheinend versuchten die rhythmischen und eleganten Hüftschwünge, die ihnen Milli vormachte nachzumachen. Bei den Dreien sah es jedoch eher so aus, als würden sie im Sekundentakt irgendwelche Krämpfe in der Magengegend verspüren.
„Will ich wissen, was für eine Freakshow ihr da veranstaltet?“, fragte Vanny skeptisch, während sie langsam die Tür hinter sich schloss. Milli musste lachen, „Die Mädels wollten, dass ich ihnen ein paar Grundlagen für den Bauchtanz zeige!“
„Ahh verstehe!“, antwortete Vanny und begutachtete die drei Tanzschülerinnen, „Wenn ich euch einen guten Rat geben darf, lasst es lieber!“
„Sei mal nicht so pessimistisch Vanny!“, erwiderte Rosalie, „mit ein bisschen Übung bekommen wir das schon hin!“
Vanny prustete los und hing ihre schwarze Lederjacke auf, „Ja okay, dir und Nadine würde ich es sogar noch zutrauen, aber bei unserem kleinen Püppchen habe ich so meine Zweifel!“
Becky ließ sich von diesem Kommentar nicht beirren und schwang weiter begeistert die Hüften, wobei ihr ihr teuer aussehendes Goldamulett nur so um den Hals schwang, „Ach Vanny, ich weiß doch, dass du eigentlich mehr als scharf drauf bist, dass ich dir mal eine private Tanzshow liefere!“
Die anderen drei mussten lachen, nur Vanny hob erschrocken die Augenbrauen, „Von dir angetanzt werden? Nein danke!“
„Du kannst es ruhig zugeben. Wir wissen doch beide, dass du mich total heiß findest!“, neckte Becky Vanny scherzhaft und warf ihr einen Kussmund zu. Vanny griff nach diesem und warf ihn dann hinter sich, „Ne eigentlich nicht aber leb‘ ruhig weiter in deiner Traumwelt Becky.“
Als sich die Piercingträgerin immer noch belustigt an die Bar setzte, fiel ihr Blick auf ein gelbes Reclam-Heft, das dort lag, „Die Leiden des jungen Werther? Wem gehört denn dieser Mist?“
„Das ist meins“, antwortete Hanna, die gerade von der Toilette kam und sich die Ärmel ihres cremefarbenden Schlabberpullis nach oben schob, „Das lesen wir zurzeit in Deutsch.“
„Oh du Arme, das tut mir leid!“, beklagte Vanny ihr Beileid und klopfte Hanna ermutigend auf die Schulter, während diese neben ihr Platz nahm. Hanna nahm ihr Buch in die Hand und blätterte begeistert durch die Seiten, „Oh nein, nein! Ich mag solche Dramen. Im Allgemeinen finde ich alte Literatur sehr interessant.“
Vanny blickte sie ausdruckslos an, „Okay Hanna, bis jetzt dachte du bist cool. Verspiel dir diesen Eindruck lieber nicht.“
„Was warum?“, fragte Hanna verwundert, „Hast du schon mal ein Drama von Goethe oder Schiller gelesen?“
„Nope und ich habe es auch nicht vor. Ein Bier bitte Nadine!“, wandte sich Vanny schnell ab, doch Hanna redete begeistert weiter, „Das solltest du mal machen. Es fasziniert mich immer wieder, was für Kunstwerke man aus Worten schaffen kann.“
Hannas rockige Freundin blickte von dem kleinen gelben Buch in deren Hand und zu ihr zurück, „Tja du siehst Kunstwerke darin, alle normalen Schüler nur einen Haufen Gefasel!“
„Ja und das ist eigentlich schade. Die wissen gar nicht, was für literarische Schätze ihnen Goethe und Co. da hinterlassen haben!“, fügte Rosalie hinzu. Vanny blickte mit ihren hellgrünen Augen ungläubig in die Runde, „Sagt mal, bin ich hier etwa im Club der lesbischen Dichterinnen gelandet oder was? Will irgendwer mit ins Gaming Zimmer kommen und über nicht so intellektuelle Themen reden?“
Die Anderen lachten und Becky, Milli und Hanna folgten der Butch ins Gaming Zimmer, wo sich die Meute auf der Eckcouch niederließ.

„Na dann erzähl doch mal Vanny,“ begann Hanna, „wie war es am Samstag bei dir noch so auf Giselle?“
„Oh, es war ziemlich cool. Wir sind als ein paar der letzten gegangen“, erinnerte sich Vanny und nahm einen Schluck von ihrem Bier, „Naja und dann haben wir bei Chrissi noch eine eigene kleine Privatparty geschmissen.“
„Das heißt du warst mit ihr in der Kiste?“, fragte Becky ein wenig vorwurfsvoll.
„Oh ja!“, bestätigte Vanny.
„Also schon wieder ein One-Night-Stand“, seufzte Milli, die sich mittlerweile einen Zopf gemacht hatte.
„Was heißt schon wieder?“, entgegnete Vanny, „Das war erst der Dritte. Zumindest mit einem Mädchen, das ich auf Giselle aufgerissen habe.“
„Und findest du es gut, wenn du mit irgendeinem fremden Mädchen Sex hast und sie am nächsten Tag wie eine heiße Kartoffel fallen lässt? Was ist wenn das Mädchen sich mehr von dir erhofft als nur eine gemeinsame Nacht?“, fragte die kleine Blondine streng. Milli, die sonst die Güte in Person darstellte, blickte Vanny mit solch einem ernsten Gesichtsausdruck an, das man fast glaubte, ein komplett anderes Mädchen säße auf der Couch. Vanny zuckte nur mit den Schultern, „Die Mädels mit denen ich bis jetzt einen One-Night-Stand hatte waren ja auch alle nur auf das aus. Und wenn sie sich danach trotzdem etwas anderes erhoffen, ist es doch nicht meine Schuld!“
Milli wandte sich ab und Vanny erklärte, „Du weißt nicht wie es, wenn du einfach so ein starkes Bedürfnis nach Sex verspürst, dass deine Mumu schon anfängt vor Verzweiflung mit dir zu kommunizieren!“
Alle blickten mit hochgehobenen Augenbrauen zu dem Mädchen mit dem Nasenring, „Was denn? Kennt ihr das nicht wenn eure Mumu mit euch redet? Wenn sie förmlich darum bettelt, dass sich endlich mal wieder jemand mit ihr beschäftigt und zwar nicht die Hand, die vom selben Körper stammt wie sie?“
„Oh Gott Vanny!“, sagte Milli ein wenig verklemmt, während Becky sich an ihrem Bier verschluckte und Hanna los lachen musste. Vanny seufzte genervt, „Ach komm Milli, als hättest du dich noch nie selbst angefasst. Jeder tut das und jeder der was anderes sagt, der lügt.“
Keins der anderen drei Mädchen sagte etwas dazu und nach einigen Sekunden wandte sich Vanny an Hanna, die zu ihrer Rechten saß, „Hanna sei ehrlich, machst du es dir manchmal selbst?“
Das Mädchen mit dem hellbraunen Haar blickte Vanny so verdattert an, als hätte diese so eben nach Nacktbildern von ihr verlangt. Vannys hellgrüne Augen starrten sie eindringlich an und Hanna wusste, dass diese erst von ihr ablassen würden, wenn sie eine Antwort gab. Deshalb murmelte sie nach wenigen Augenblicken immer noch ein wenig perplex „Ja schon…“
Vanny nickte zufrieden und wandte sich an Becky, „Und du Beckychen?“
Das Mädchen mit den Knopfaugen begann peinlich berührt herum zu drucksen, „Was? Ich?“
„Also ja“, schlussfolgerte Vanny aus dem beschämten Gekicher. „Aber nur ganz selten!“, stellte Becky sofort mit erhobenem Zeigefinger klar. Mit verschränkten Armen und einer hochgezogenen Augenbraue wandte sich Vanny anschließend an Milli und schaute sie herausfordernd an. Es folgte ein Blickduell zwischen der taffen Butch und der knuffigen Blondine, doch nach ein paar Sekunden knickte Milli ein und gab zu, „Ja gut, ich mach das auch ab und zu. Aber nur weil einem die eigenen Hand zu langweilig wird, ist das meiner Meinung kein Grund einfach so hemmungslosen Sex mit Fremden zu haben!“
„Aber nur, weil du nicht weißt wie es ist Sex mit einer anderen Hand als der eigenen zu haben“, erwiderte Vanny und zwinkerte Milli überlegen zu.
„Oha, Vanny!“, zischte Becky streng, doch Milli hob die Hand, „Nein ist schon gut. Sie hat ja Recht, ich hatte noch nie Sex und weiß deshalb nicht wie toll es ist. Aber wenn ich es mal erlebt habe und dann eine, ich nenne es mal Durststrecke haben sollte, würde ich mich trotzdem niemals auf einen One-Night-Stand einlassen. Um mit jemandem schlafen zu können gehört für mich Vertrauen dazu und dieses Vertrauen kann ich nicht in der kurzen Zeit vom Club zu mir nach Hause aufbauen.“
Hanna hatte aufgehorcht. Milli war also auch noch Jungfrau. Es beruhigte sie zu wissen, dass sie nicht die Einzige ohne Erfahrung war. In der Vergangenheit hatte sie das immer ein wenig gestört. Aber da sie Jungs sowieso nie attraktiv fand, hätte sie damals wohl kaum mit einem Schlafen können. Und wenn sie sich doch dazu gezwungen hätte, würde sie es jetzt sicher bereuen. Nein, sie wollte und würde ihr erstes Mal mit einem Mädchen haben. Und das hoffentlich nicht in allzu ferner Zukunft, denn sie fand mit achtzehn Jahren war sie in der heutigen Zeit eh schon ein klein wenig spät dran.
Vanny seufzte, „Du würdest es eben nicht machen, ich schon. Wir haben einfach eine verschiedene Einstellung zu One-Night-Stands aber du wirst meine nicht aufgrund irgendwelcher Moralpredigten ändern können. Also, anderes Thema?“

Hanna und Becky merkten, dass Milli wohl am liebsten weiter diskutiert hätte, doch für den Moment resignierte sie und nickte. Bevor ein anderes Thema begonnen werden konnte, hörten die Mädchen wie die Tür aufging und nur wenige Sekunden später Charly um die Wand aus Regalen gebogen kam. „Charly!“, brüllte Milli und stand freudig auf. Sie schloss Charly in die Arme, doch statt nach einem Augenblick wieder loszulassen, klammerte sich die Brillenträgerin an die Blondine und senkte den Kopf.
„Charly?“, fragte Milli verwundert und blickte Charly an. Deren Gesicht war wie von Schmerz verzerrt und dicke Tränen kullerten ihr über die rot glühenden Wangen, „Hey Charly, was ist denn?“, fragte Milli sichtlich erschrocken über diesen Anblick. Auch Hanna, Becky und Vanny blickten verwundert drein. Milli schaute die vollkommen aufgelöste Charly besorgt an, wollte sie aber nicht unter Druck setzen zu verraten was los war, „Sie hat mich abserviert“, murmelte Charly schließlich unverständlich mit tränenerstickter Stimme.
„Wer hat dich abserviert?“, fragte Milli.
„Verena“, presste Charly heraus und schluckte schwer.
„Was?!“, platzte es aus Vanny heraus, „Ich dachte ihr seid mehr oder weniger schon zusammen?“
Charly schüttelte den Kopf. Milli hatte in der Zwischenzeit ein Taschentuch organisiert und gab es dem rothaarigen Häufchen Elend. „Hier, putz dir erst einmal die Nase und dann setzen wir uns mal!“
Charly tat wie befohlen und gemeinsam setzten sich die fünf auf die Eckcouch. „Also was genau ist passiert?“, fragte Milli. Die Brillenträgerin starrte nach unten in ihr zerknülltes Taschentuch und bemühte sich die Tränen zurück zu halten. „Wir haben uns grad eben getroffen um darüber zu reden, was genau jetzt zwischen uns ist. Ich habe euch ja erzählt, dass wir uns auf Giselle geküsst haben und die letzten Tage haben wir uns eigentlich immer gesehen und da haben wir auch rumgeknutscht und gekuschelt und das alles. Also es sah eigentlich von beiden Seiten so aus, als wäre die Sache klar, aber dann hat sie heute doch einen Rückzieher gemacht!“, berichtete Charly tapfer, konnte dann aber eine neue Flut von Tränen nicht zurück halten. Milli nahm sie fürsorglich in den Arm und streichelte ihr über die Schulter, „Ach nicht doch…“
„Mit was für einer Begründung?“, fragte Vanny neugierig und ungläubig zu gleich.
Charly weinte so heftig, dass man fast fürchtete, sie würde an ihren Tränen ersticken. „Weil ich bi bin!“
Milli wich ungläubig zurück und auch Hanna und Becky blickten sich perplex an, „Wie, weil du bi bist?“
„Naja sie hat gesagt, sie müsste immer Angst haben, dass ich sie vielleicht irgendwann für einen Typen verlasse. Und, ich zitiere, sie sich nie sicher sein könnte, dass sie mir vom Körperlichen her genügt.“, erklärte Charly mit leichtem Unverständnis in der Stimme.
„Das kann doch nicht ihr ernst sein?“, sagte Becky empört.
„Doch das ist ihr Ernst!“, erwiderte Charly bebend, „Was soll ich denn machen? Ich kann nichts dafür, dass ich nun mal beide Geschlechter mag! Sie hat es so dargestellt, als würde ich das eine Wochenende mit einer Frau zusammen sein wollen und am nächsten mit einen Mann! Und auch als würde es mir nur um den Sex gehen! Aber so ist das doch nicht! Wenn es passt, dann passt es, egal welches Geschlecht das dann ist! Und zwischen ihr und mir hätte es gepasst und ich wette, wenn ich lesbisch wäre, dann wäre ich jetzt glücklich vergeben. Aber so bin ich ein wandelnder Wasserfall, der wegen seiner beschlagenden Brille nichts mehr sehen kann. Und der ganz nebenbei Millis Hose vollgerotzt hat.“
Die Anderen mussten schmunzeln und auch über Charlys Lippen huschte ein kurzes Lächeln. Dann herrschte jedoch bedrückte Stille. Milli streichelte sanft über Charlys rotbraunes Haar, während diese immer noch wegen der ganzen Aufregung leicht zitterte.
Nach ein paar Minuten stand Hanna auf, „Ich hol mal ein Glas Wasser!“ Sie ging zur Tür, doch ehe sie deren Klinke herunter drücken konnte, sprang diese auf und ein Mädchen mit blonder Kurzhaarfrisur und schwarzer Cap brüllte gut gelaunt los, „Hallo ihr Lesben!“
„Hi Pia!“, begrüßte Hanna das laute Skatergirl ein wenig überrumpelt. Hinter Pia erkannte Hanna auch die zwei vertrauten Gesichter von Emma und Nicki, dem Nachwuchstraumpaar des LLofts. Diese umarmten Hanna freudig, während Pia immer noch brüllend in die Ecke zu den anderen marschierte. Als sie dort zum Stillstand kam, verflog ihre gute Laune allerdings sofort. Verwundert über den traurigen Anblick, den sie dort zu sehen bekam fragte sie vorsichtig, „Ist wer gestorben?“
Becky, die auf der unteren Lehne der roten Eckcouch thronte schüttelte den Kopf, „Nein, Szenario Nummer zwei ist eingetreten.“
Pia klappte der Mund auf und sie brüllte ungläubig „Charly wurde abserviert? Von wem?“
Charly erzählte die ganze Geschichte noch einmal, wobei man in ihrer Stimme diesmal mehr die Wut als die Enttäuschung heraus hörte. Als sie geendet hatte donnerte Pia zornig los,
„Boah, diese… ich würde… ich könnte… ausrasten! Was ist das bitte für eine engstirnige dumme Ziege?!“
„Die Begründung ist wirklich totaler Schwachsinn. Emma ist doch auch bi und wir sind schon seit über drei Jahren glücklich zusammen!“, sagte Nicki empört und umfasste ihre braun gebrannte Freundin an der Hüfte, „Schon und mir gehen die Männer definitiv nicht ab!“
„Vielleicht sollte ich stattdessen mal wieder nach einem Mann Ausschau halten… mit den Mädels klappt es ja nicht…“, bemitleidete sich Charly selbst.
„So ein Quatsch!“, mahnten Milli und Becky. Im selben Moment kam Hanna mit einem Glas Wasser in der Hand zurück und hielt es Charly hin. Pia beäugte das Glas skeptisch „Was ist das?“
„Wasser.“
Pia lachte und nahm Hanna augenblicklich das Glas aus der Hand, „Pff du bist ja lustig Hanna! Wasser? Nein, nein, nein! Charly braucht jetzt was Richtiges zu Trinken. Was haltet ihr davon wenn wir in irgendeine Bar gehen?“
Die Mädels blickten sich an und der Vorschlag fand Zustimmung. Nur Charly drehte ihren Kopf Richtung Fenster, „Geht ihr ruhig, aber lasst mich hier damit ich in Ruhe sterben kann.“
Pia krempelte die Ärmel ihrer Sweatshirtjacke nach oben, trat zu Charly und packte die Brillenträgerin entschlossen an den Oberarmen, „Oh nein! Wegen so einer blöden Kuh wie dieser Verena versinkst du nicht in Selbstmitleid! Du kommst mit und alle Getränke gehen auf uns!“
„Moment!“, fuhr Vanny mit erhobener Hand dazwischen und wollte etwas sagen, doch Pia ließ nicht locker, „Doch! Die Getränke gehen auf uns! Siehst du nicht wie schwach und minderwertig sie sich fühlt? Und wie scheiße sie aussieht?“
Charly räusperte sich ein wenig empört, „Pia, ich bin nicht taub!“
„Und ich nicht reich!“, sagte Vanny und drehte sich dann zu Becky, „Unsere kleine Bonze hier hat doch viel Geld, die kann Charlys Getränke bezahlen!“
Becky blickte Vanny sauer an, „Meine Eltern haben viel Geld, nicht ich!“
„Ach komm, du wirst doch wohl Taschengeld bekommen?“, fragte Vanny ungläubig.
„Ja, aber das sind nur dreihundertfünfzig Euro im Monat und die brauch ich selbst!“
Alle blickten Becky fassungslos an, selbst Charly hatte sich schockiert umgedreht.
„Was?“, fragte das Mädchen mit der Goldkette, das nicht verstehen konnte, warum sie alle so anstarrten. „Ach nichts, nichts!“, murmelte Charly und rappelte sich dann mühsam auf „Gut einverstanden, gehen wir in eine Bar. Und keine Sorge, ich zahle meine Getränke auch selbst. Ich möchte ja nicht, dass irgendwer wegen mir noch arm wird. Wo wollen wir überhaupt hin?“
Pia legte die Finger nachdenklich an den Mund und nach wenigen Sekunden kam ihr ein Einfall, „Wir wäre es mit dem Kings’n’Queens? Da waren wir schon ewig nicht mehr!“
„Au ja!“, quietschte Becky zufrieden und auch die Übrigen waren damit einverstanden. Hanna, die sowieso keine einzige Szene Bar kannte, fügte sich und war gespannt was sie erwartete.

Gleich beim Anblick der Speisekarte vor der Eingangstür musste Hanna grinsen. Diese war nicht wie üblich auf einer Klapptafel aufgestellt, sondern auf zwei riesige Asse aus Pappe gedruckt. Die Inneneinrichtung der Bar war modern und trendig. Jeder einzelne der Barhocker war besetzt und die zwei Barkeeper mixten gut gelaunt und in höchster Perfektion einen Cocktail nach dem anderen. Um den wartenden Gästen die Zeit ein wenig zu vertreiben, warfen die Barkeeper sie hier und da die silbernen Cocktailshaker in die Luft, fingen sie hinter dem Rücken wieder auf oder jonglierten ein wenig damit. Die Wand hinter der Bar wechselte alle paar Sekunden ihre Farbe und ließ so die gut hundert verschiedenen Flaschen von Alkohol die dort aufgereiht waren in einem anderen Licht erstrahlen. Hier und da schlängelte sich eine Kellnerin mit vier Tellern auf den Armen zu den Tischen, die so gut wie alle besetzt waren. Die hintere rechte Ecke der Bar war zu einer Art Lounge mit Sesseln und Sofas umfunktioniert worden, doch auch dort war alles besetzt. Eine hübsche Kellnerin mit Nasenpiercing kam auf die Gruppe zu und fragte, „Habt ihr reserviert?“
„Nein. Aber wir bräuchten einen Tisch für acht Leute wenn es geht.“, beorderte Pia. Die Kellnerin, die anscheinend ein wenig im Stress war blickte sich hastig um, „Hier unten ist alles voll, aber oben müsste noch was frei sein! Kommt mit!“

Sie eilte zu einer Treppe links neben der Bar, die hinauf auf eine zweite Ebene führte, auf der man ebenfalls Platz nehmen und auf das Geschehen am Boden herunterblicken konnte. „Charly und ich kommen gleich nach, wir gehen noch einmal kurz auf die Toilette!“, rief Milli den Anderen nach, die bereits die schwarz-weißen-Stufen nach oben erklommen. Auf dieser Ebene war tatsächlich noch der ein oder andere Tisch frei, aber auch nur, weil die meisten Gäste hier oben an jeweils einem der drei Billardtische zugange waren.
Die Kellnerin schritt gehetzt voran und eine weitere Bestellung wurde ihr zugerufen. Hanna und Vanny gingen gerade an einem der Pooltische vorbei, da schrie auf einmal jemand panisch „Achtung!“
Hanna konnte gerade noch abbremsen ehe plötzlich ein volles Glas Bier vom Rand des Billardtischs vor ihr auf dem Boden zerschmetterte. Man hörte das Glas klirren und für einen Moment senkte sich der Lautpegel rings herum. Anscheinend war eine Billardkugel gegen das Glas geknallt und hatte es zu Boden befördert. Hanna hatte glücklicherweise nur ein paar Spritzer des Weizengetränkes abbekommen. „Na super, das war mein Bier!“, beschwerte sich einer der jungen Männer, der mit am Tisch stand.
„Oh Gott Entschuldigung! Ist alles okay?“, fragte das Mädchen, das die Kugel über den Rand des Pooltischs gejagt hatte. Der Schreck stand ihr in das wunderschöne Gesicht geschrieben und für eine Sekunde hielt sie den Atem an.
„Schon okay, nichts passiert.“, sagte Hanna schließlich um das leicht durcheinander wirkende Mädchen zu beruhigen. Sie hob die grüne Kugel mit der Nummer sechs auf und rollte sie mit einem aufmunternden Lächeln zu der Schützin mit dem welligen dunkelbraunen Schopf herüber. Das weiße Hemd und der dunkelgraue Pullover, den sie darüber trug verliehen ihr ein wenig den Eindruck eines britischen Schulmädchens, es fehlte lediglich die Krawatte. „Das sollte eigentlich ein Kunsttrick werden. Sonst klappt er immer!“, versuchte sie die Sache zu erklären.
„Ja ja, das würde ich jetzt auch behaupten!“, pöbelte der junge Mann weiterhin. Während das langhaarige Mädchen ihm verärgert eine runterhaute, bemerkte Hanna erstmals den schwarzen Kniffelbecher, der auf der smaragdgrünen Oberfläche des Pooltisches aufgestellt war. Vermutlich hatte sie dort hinein treffen wollen. „Beim nächsten Mal klappt es wieder!“, grinste Hanna wohlwollend und das Mädchen, das sich mittlerweile mit beiden Händen an ihren Queue abstützte, blickte sie mit verlegener Miene an. Ihre Augen waren Eisblau, doch ihr Blick war einer der Wärmsten, die Hanna je gesehen hatte. Die vollen Augenbrauen standen ein wenig tief, doch genau das verlieh ihrem Gesicht einen unverwechselbaren Charme. Hanna fiel es schwer den Blick von dem Mädchen zu lösen, dem es anscheinend ähnlich erging, doch schließlich ging sie mit Vanny weiter. Diese blickte noch einmal mit Argwohn zurück zu dem Pooltisch und brummte, „Wenn man nicht Billard spielen kann, soll man es halt lassen!“

Dem Rest ihrer Truppe war mittlerweile ein großer Tisch in der Ecke zugewiesen worden und gemeinsam machten sie es sich unter schwarz-weißen Bildern von Marylin Monroe, Elvis Presley und James Dean gemütlich und bestellten allesamt eine Runde Bier. Hanna spähte noch einmal zu dem Billardtisch hinüber, doch durch die Wand aus Männern die dort stand, konnte sie keinen Blick mehr auf das Mädchen von eben erhaschen. Sie wollte nicht voreingenommen denken, doch der Körperhaltung und Gestik zufolge waren die meisten dieser Männer schwul. Hanna erinnerte sich, warum sie eigentlich hergekommen waren und murmelte bedrückt, „Die arme Charly. Ich hätte es ihr so sehr gegönnt, dass es mit Verena klappt.“
Vanny nickte, blickte dann aber nach rechts, „Ja ich hätte es ihr auch gegönnt, aber wenn ich ehrlich bin, kann ich Verena schon verstehen.“ Hanna schaute verwundert auf und Vanny fuhr fort, „Es stimmt schon, dass einige bisexuelle Mädels irgendwann wieder umschwenken.“
„Aber doch nicht alle!“, antwortete Hanna ein wenig verständnislos.
„Nein, natürlich nicht alle. Das würde ich auch nie behaupten. Einige wollen nie wieder einen Kerl, wenn sie die perfekte Freundin gefunden haben, aber andere sehnen sich nach einiger Zeit eben doch mal wieder nach einem Adonis mit Penis. Vor allem die, die nur einen auf Pseudo-bi machen. Die einfach mal experimentieren wollen. Und du kannst eben nie sicher sein, wie ernst es das Mädel mit dir meint. Das steht ihr ja nicht auf die Stirn geschrieben. Deswegen würde ich mich auch nie auf ein Bi-Mädchen einlassen.“
Im ersten Moment war Hanna so perplex und geschockt über Vannys Aussage, dass sie gar nicht wusste, was sie darauf sagen sollte. Die Kellnerin kam mit einem Tablett zurück und stellte jedem der Mädchen ihr Getränk hin. „Und was ist wenn du dich total in ein Bi-Mädchen verliebst?“, fragte Hanna ernst nachdem sie ihr Bier bezahlt hatte. Vanny nahm einen Schluck und grinste überlegen, „So weit würde ich es gar nicht kommen lassen.“
„Aber wenn doch? Das kannst du doch nicht steuern. Außerdem, du kannst doch auch von einer Lesbe irgendwann wieder verlassen werden, schon mal darüber nachgedacht?“, fragte Hanna herausfordernd.
„Ja natürlich kann ich das. Man kann nie sicher sein, ob es hält, aber bei einer richtigen Lesbe habe ich schon mal fünfzig Prozent mehr Chancen, dass es das tut. Und was Charly angeht… ich kenne Niemanden, der sich so schnell, so sehr verlieben kann wie sie. Meiner Meinung nach übertreibt sie da manchmal etwas.“
In diesem Moment trafen Milli und Charly zu den anderen und Vanny wandte sich bedacht zu Hanna, „Tu mir einen Gefallen und sag Charly nicht, was ich Bi-Mädels gesagt habe. Auch nicht den Anderen, das kommt nicht gut an.“
Bis jetzt hatte Hanna gedacht Vanny wäre total tolerant. Immerhin wusste diese wegen ihrer gläubigen Großmutter selbst wie es war, wenn man wegen seiner Sexualität verachtet wurde, doch nach diesem Gespräch war Hanna ein wenig vor den Kopf gestoßen. Sie fand es erschreckend, dass anscheinend mehrere Lesben so eine negative Einstellung gegenüber Bisexuellen hatten. In der Szene sollte man doch eigentlich zusammen halten. Denn egal ob man nun ausschließlich an Frauen interessiert war oder eben nur bis zu einem gewissen Maß, so war das doch die Gemeinsamkeit, die sie alle verband.

Anfangs war Charly skeptisch was das Trinken betraf, denn eigentlich war sie nicht der Typ der Frust mit Alkohol herunter spülte. Doch Pia hatte für ihre Flasche Bier bezahlt und so schüttete Charly diese unter Beifall der frechen Blondine nur so in sich hinein. Bald reichte dem Nerd der Alkohol nicht aus mehr um gut gelaunt zu sein, deshalb beschloss sie sich auf die Suche nach einem freien Billardtisch zu machen. Glücklich kam sie nach ein paar Minuten zurück und stützte sich mit einem kräftigen Ruck auf dem einen Ende des Tisches ab, „Also alle die Lust haben mit Billard zu spielen können mir folgen! Ich hab eine Bekannte getroffen und die meinte es geht klar, wenn wir ein bisschen an ihrem Tisch mitmischen!“
Vanny, Hanna, und Pia waren vorerst die Einzigen, die der total aufgedrehten Charly folgten. Der Rest blieb in einer gemütlichen Mädelsrunde am Tisch zurück. Hanna musste grinsen, als sie sah, dass sie ausgerechnet auf den Billardtisch zusteuerten, an dem die braunhaarige Schützin von vorhin stand. Sie spitzte gerade ihren Queue und musste ebenfalls grinsen, als sie Hanna gemeinsam mit den Anderen auf sich zu kommen sah, „Oh, dich kenn ich doch!“
Charly blickte mit leicht schummrigem Blick zwischen den beiden Mädchen hin und her, „Ihr zwei kennt euch? Woher?“
„Nein, wir kennen uns nicht, wir haben uns heute nur schon einmal gesehen,“ berichtigte Hanna und winkte mit der Hand ab. Charly war gar nicht weiter auf eine Erklärung aus, sondern fuhr augenblicklich fort, „So so, na dann, Hanna das ist Fiona, ein gute Bekannte von mir. Fiona das ist Hanna!“, machte Charly die zwei Mädels miteinander bekannt. Fiona. So hieß also die hübsche Billardspielerin. Der Name passte zu ihr. Schön und selten zugleich.
„Fiona habe ich auch auf G4G kennengelernt. Sie war sogar zweimal mit im LLoft, aber das ist jetzt auch schon über ein halbes Jahr her, kann das sein?“
„Ja so um den Dreh. Tut mir leid, aber irgendwie hat es mir damals nicht ganz so gut gefallen. Ein paar der Mädels fand ich ziemlich unheimlich!“
„Ja, als du da warst, war auch hauptsächlich die alte Fraktion anwesend. Aber mittlerweile sind so viele Neue da, wie die liebe Hanna hier zum Beispiel! Der musste ich sogar noch mehr in den Arsch treten damit sie endlich mal vorbei schaut als dir damals. Und du warst schon eine harte Nuss!“
„Tja, manche Menschen muss man eben zu ihrem Glück zwingen, nicht?“, bestätigte Hanna mit einem Augenzwinkern.
„Ja, ja genug geredet, ich will jetzt ein paar Kugeln versenken!“, hetzte Charly auf einmal und da man nicht wollte, dass die hyperaktive Brillenträgerin womöglich noch explodiert, teilte man die Teams ein und begann mit dem Spiel. Hanna hatte nur einmal vor ein paar Jahren im Urlaub eine Partie Billard gespielt, stellte sich dafür jetzt aber ziemlich gut an. Vanny, die gemeinsam mit Pia im feindlichen Lager spielte, kommentierte das Ganze wieder nur mit „Anfängerglück“. Die taffe Butch hingegen, war sehr geschickt mit dem Queue und als Fiona sie darauf ansprach, erklärte Vanny ihre Künste nur mit einem Gehessigen „Ich weiß eben wie man einlocht.“
Charly torkelte beschwipst um den Pooltisch herum und setzte zu einem neuen Angriff an. Es war schon ein Erfolg, wenn sie die weiße Kugel traf, doch meistens gelang nicht einmal dies. Stattdessen rasierte sie mit ihrem Queue halb die grüne Oberfläche des Pooltisches. Wer das Spiel mit den bunten Kugeln wirklich gut beherrschte war Fiona. Sie versenkte sogar manche Kugeln von denen man nie geglaubt hätte, dass man sie versenken könnte. Hanna war von ihren Poolkünsten begeistert, aber auch so fand sie die quirlige Brünette irgendwie faszinierend. Hier und da haute diese einen kecken Spruch heraus und wirkte äußert selbstbewusst. Immer wieder musste Hanna zu ihr blicken und verlegen lächeln, wenn sie sah, dass auch Fiona zu ihr herüber spähte.
Während Pia versuchte mit ihren Billardkünsten zu glänzen, lehnte ihre Partnerin Vanny lässig an der Brüstung und beobachtete interessiert das Geschehen unten. An der Bar entdeckte sie Michele und die anderen Italiener, die man sonst eher bei Alfredo’s antraf. Sie ließ ihren Blick durch die Menge schweifen, da wurde sie auf einmal auf eine ihr bekannte Cap aufmerksam.
Jess, mal wieder in ihrer schwarzen Lederjacke, schlängelte sich durch die Gäste, dicht gefolgt von der modelgleichen Isabell.
„Uhh wen haben wir denn da?“, murmelte Vanny und spähte den Beiden interessiert hinterher. Hanna, die mit ihrem Queue ein Stückchen neben Vanny stand, trat ebenfalls zur Brüstung „Was ist denn?“
„Unsere liebe Jess ist gerade gekommen. Und im Schlepptau hat sie Isabell.“
Auch Hanna hatte die Beiden mittlerweile in der bunten Menge ausgemacht, und beobachtete wie sie sich an einen freien Tisch setzten. Es gefiel ihr nicht, dass Jess wieder mit dieser blonden Diva unterwegs war. Nein, es fuchste sie regelrecht. Auf einmal drängte sich Fionas Kopf zwischen Vannys und Hannas Schultern und fragte neugierig, „Wen observiert ihr denn da?“
„Ach, nur Jess und ihre blonde Begleitung.“, erörtere Vanny beiläufig.
„Jess? Jess wer?“, fragte Fiona.
„Na unsere Jess! Die aus dem LLoft“, sagte Hanna, doch Fiona machte nach wie vor einen ratlosen Gesichtsausdruck. Vanny wandte sich ein wenig schockiert an sie, „Willst du ernsthaft sagen, dass du Jess nicht kennst? Die Jess?“
„Ich kenne nur den Jazz, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr gerade nicht die Musikrichtung meint.“
„Nein in der Tat nicht. Jeder hier kennt Jess. Ich glaube du bist echt die Erste die sie nicht kennt!“, erklärte Vanny baff.
„Irgendwer muss ja die Erste sein! Also wer von denen da unten ist das denn?“
„Die da mit der Cap und der Lederjacke.“
Mit konzentrierter Miene analysierte Fiona das so berühmt berüchtigte Szenemitglied, doch schmunzelte nur, „Und was soll an der jetzt so besonders sein? Ich meine gut, ihre Cap ist schon verdammt cool. Und sie hat Brüste. Aber Letzteres haben viele.“
Vanny sah, dass Pia sie an den Billardtisch zurück winkte „Hanna, erklär du ihr das Mal, ich bin wieder dran!“
„Jess ist einfach... Ja, Jess eben! Sie hat einen unglaublichen Charakter, irgendwie offen und geheimnisvoll zugleich. Sie hat immer ein offenes Ohr für einen. Außerdem sieht sie extrem gut aus.“, schwärmte Hanna genau auf dieselbe Art und Weise, wie die anderen Mädels ihr bei ihrem ersten Besuch im LLoft von Jess vorgeschwärmt hatten.
„Aha aha, ich verstehe“, nahm Fiona die ihr gelieferten Informationen auf, „Darf ich dich etwas fragen?“
„Klar?“
„Stehst du auf sie?“
Diese Frage überraschte Hanna noch mehr als die Bierglasattacke von vorhin. „Was? Nein! Wie kommst du darauf?“
„Nun ja, wenn man so von einer Person schwärmt, wie du gerade, kann man das schon mal denken!“, erläutere Fiona ihre Vermutung in einer gespielt philosophischen Stimmlage.
„Alle aus dem LLoft schwärmen so von ihr!“, versuchte Hanna sich rauszureden, da ihr aufgefallen war, dass sie Jess gerade wirklich in einem ziemlich guten Licht hatte da stehen lassen.
„Also steht ihr alle auf sie?“, schlussfolgerte Fiona und legte wie eine ermittelnde Detektivin die Finger an das Kinn.
„Nein! Jess ist einfach nur cool okay?“, antwortete Hanna ein wenig genervt und wechselte dann das Thema, „Wir sollten wieder an den Tisch, wir sind gleich dran!“
„Ach Mist du hast Recht. Eigentlich wollte ich noch kurz eine rauchen gehen, aber das wird wohl noch warten müssen…“
Hanna jedoch erwiderte freudig, „Sagen wir den Anderen einfach, dass sie diese Runde ohne uns zu Ende spielen sollen. Ich könnte jetzt nämlich auch eine Zigarette vertragen!“
Fiona stimmte zu und ohne ihre Queues, dafür aber mit ihren Jacken verließen die zwei Mädchen die obere Etage. Draußen angekommen blieben sie auf der Terrasse mit ihren zugesperrten Sonnenschirmen, Tischen und Stühlen stehen. Aus ihrer Jackentasche fummelte Hanna ihre Marlboro-Schachtel, so wie ihren ständigen Begleiter, das Feuerzeug. Leicht zitternd steckte sie sich einen der Nikotinstängel in den Mund und zündete auch Fiona den ihren an. Diese paffte gerade aus, als die Eingangstür aufging und niemand geringeres als Jess mit dem Handy am Ohr herauskam. Sie nickte Hanna zu, verschwand dann aber rasch um die Ecke, wo sie offensichtlich ein äußert dringendes Gespräch zu führen hatte. Fiona entging nicht wie Hanna dem Mädchen mit dem aschschwarzen Haar hinterher schaute und nach einem weiteren Zug fragte sie, „Und Hanna, in welche Klasse gehst du?“
Es dauerte eine Sekunde ehe Hanna wieder im Hier und Jetzt angekommen war, dann aber antwortete sie lächelnd.

Fortsetzung Part 2...



copyright © by cappuccino007. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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