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Forum » Coming Out » ThreadAlles hat seine Zeit oder:
28.11.2021 16:40
HiddenNickname
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...eine Coming-Out-Omi erzählt (50+) Hallo in die Runde. Ich möchte den Gedankenaustausch mit einer Teilnehmerin von hier gerne als Möglichkeit nutzen, etwas über mich zu erzählen. ---"Weißt du schon lange, dass auch Frauen deinen Herzschlag beschleunigen?"--- Nein, ich weiß es erst seit einigen Monaten. Es ist auch nur diese eine Frau. Vorausschicken muss ich, dass ich mich bereits in jungen Jahren aus fachlichen Gründen mit dem Thema Sex/Gender/Sexuality auseinandergesetzt habe und in den USA studienmäßig einmal mehr in dieses Fach stolperte (jedenfalls in den 90ern gab es jedenfalls in den USA bereits ganze Buchabteilungen im Ausmaß von ganzen Etagen NUR zu diesem Thema (Gender Studies)). Soweit meine theoretischen "Vorbildungen"... Ich war grundsätzlich immer bereit zu akzeptieren, dass ich "wahrscheinlich eine lesbische Seite in mir habe", was mich aber nie weiter berührt hat, weil ich mich in der Tat wirklich nur für Männer interessierte. Ansonsten hielt ich mich für gelassen und homosexuellen Menschen gegenüber als sehr aufgeschlossen. Immerhin kann ich auf der Stelle etwa ein Halbdutzend Menschen in meinem engeren Umfeld aufzählen, die ich teilweise bereits seit Jahrzehnten kenne, von denen ich bereits seit meiner Jugendzeit wusste, dass sie homosexuell sind, oder die sich mir gegenüber als junge Erwachsene outeten. Übrigens nur Männer, keine Frauen. Falls Bekannte/Freundinnen von mir lesbisch sind (und über einige Freundinnen, die nie geheiratet haben, denke ich erst in letzter Zeit häufiger nach...), haben sie sich mir gegenüber jedenfalls nie dazu geäußert. Frauen, die an mir offenbar interessiert waren, sind stets wieder aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich weiß auch, warum mir diese Seite in mir bis neulich gleichgültig war - weil die Dame, die diese Seite in mir zum Klingen gebracht hat, erst letztes Jahr in mein Leben getreten ist. Wir liefen uns über eine Fortbildungsveranstaltung über den Weg, man tauschte beiläufig Nummern aus, ich erwähnte beiläufig, man könne sich ja mal auf einen Kaffee treffen, sie sagte beiläufig ja... man traf sich beiläufig eines Tages in einem netten Café... Da sah sie mir - nicht mehr ganz so beiläufig, wie ich im Nachhinein fand - intensivst in die Augen. Gut, ich dachte mir (noch) nichts dabei, das hatten schon viele Frauen getan, ohne dass ich dem eine tiefgründigere Bedeutung beigemessen hätte. Außerdem, einem anderen Menschen forschend in die Augen zu schauen heißt ja erstmal nichts, nicht wahr? Weil dieses erste Treffen überaus nett verlaufen war, trafen wir uns ein zweites und ein drittes Mal - und nach spätestens diesem dritten Treffen ging ich einigermaßen verstört nach Hause. Es begann eine Zeit der schlaflosen Nächte, in denen ich guhgelte, recherchierte, nachlas, und dachte: Schei*e... Das darf jetzt aber nicht wahr sein... Ich konnte es nicht fassen, wollte es nicht fassen... Da steht frau da und versteht trotz aller Aufgeklärtheit die Welt nicht mehr... --- "...wonach genau suchst du eigentlich auf dieser Plattform? Du scheinst ja viel weiter in deiner Selbsterkenntnis zu sein..."--- Ich habe mich hier angemeldet, weil ich Antworten suche: Warum (erst) jetzt, warum überhaupt, und: "Kann man das wieder wegmachen" ... "gender troubles" ... Ich habe das nie gewollt. Aber nun ist es eben so. Ich denke, dass ich bi zu sein annehmen muss wie ein Kind. Ich denke auch, dass mir der Austausch mit Menschen, die mich verstehen, hilft. Ich hatte von dieser "Seite in mir" gewusst, aber nie eine Veranlassung gehabt, dem näher nachzugehen. Ich hatte niemals ernsthaftes Interesse daran gehabt, eine Beziehung zu einer Frau einzugehen; der Mensch als Partner an meiner Seite war immer ganz klar männlich, niemals weiblich. Vor 15 Jahren, ich war also Mitte 30, hatte ich allerdings eine sehr wichtige Begegnung mit einer Frau, wo ich den Kontakt im Zuge meines persönlichen inneren Coming Outs wieder gesucht habe. Neulich also haben wir uns getroffen, und sie konnte eine Menge zu meiner Situation sagen, was mir echt geholfen hat. Sie konnte mir auch sagen, wieso sie das in Bezug auf mich damals schon "gesehen" hat; dass ich nicht 100% hetero bin, war für sie damals schon klar. "Wie war das dann mit dem Coming Out?" Mein persönliches inneres Coming Out hatte ich im letzten Winter. Ich habe mir selbst gegenüber zähneknirschend klein beigegeben und versuche seitdem, mich damit zu arrangieren, dass ich nun "tatsächlich" nicht 100% hetero bin oder nicht so hetero, wie ich immer angenommen hatte; vielleicht bin ich auch gar nicht mehr hetero, was ich aber derzeit noch bezweifle. Aquaman fand ich hinreißend sexy . Seine Mutti allerdings auch ... Ich weiß derzeit noch nicht genau, in welche Richtung das ganze kippen wird. Irgendwann im Frühsommer - also dieses Jahr, begann ich mich nach und nach gegenüber meinen wichtigsten Menschen zu outen, besonders meinem Mann gegenüber ( "Schatz, wir müssen reden..." ) , und meinen wichtigsten Freunden ( "Ich muss dir was sagen, Sprechstunde bitte..." ) . Die besagten von oben, die ich bereits seit meiner Kindheit und Jugend kenne. Mein Mann, den ich echt liebe und den ich verdammt gut leiden kann, sagte ganz sachlich: "Das passt ins Bild" ... (Anm.: das passt ins Bild, wie unsere Ehe läuft...) Ein Freund "prüfte" mich auf Herz und Nieren und meinte dann: "Gratuliere, du bist bi." Von einem anderen Freund, von dem ich dachte, der müsste jetzt tierisch überrascht sein, durfte ich mir anhören: "Nolu, ehrlich gesagt, habe ich es mir bereits öfter gedacht..." BITTE WAAASSS ???? ??%%&&$???"!!!??? Gut, ich muss in Erinnerung rufen, dass die zwei, die das gesagt haben, homosexuell sind. Bei dieser Gelegenheit hat mir der eine erzählt, er sei mit mir - damals waren wir wirklich noch sehr jung - an den Strand XY gefahren, weil er sich selbst unsicher gewesen sei, was mit ihm los ist, und er sich gedacht hatte: Er fährt jetzt mit einem süßen Schnittchen, das er grundsätzlich sehr zum Anbeißen findet, an den Strand, es ist Nacht, es ist romantisch, wir waren vorher schön essen, wir fanden uns damals gegenseitig fraglos hochschnuckelig... und WENN DANN nichts passiert, ist er tatsächlich homosexuell oder nicht ganz bei Trost... (Ich habe Tränen gelacht, als er mir das so erzählt hat...) Wenn nicht immer dieser Lockdown dazwischenfunken würde, hätte ich gern noch mit weiteren, 2, 3 Menschen gesprochen, die mir wichtig sind, aber es eilt ja nicht. Die wichtigsten Gespräche sind geführt, und sie haben mir geholfen. Im beruflichen Umfeld lege ich keinen Wert darauf, Privatheiten aufzudecken. Es würde auch nichts ändern. Wer allerdings glaubt, dass er irgendwas wissen will oder wissen muss, kann gerne erfahren, was er erfahren will, da werde ich kein Aufhebens drum machen. ---"Du schreibst, du hast deine Traumfrau gefunden, aber eure Perspektiven stehen schlecht."--- Meine Herzdame ist sich sehr unschlüssig, wie es für sie weitergeht. Es schlagen, ach, mehrere Herzen in ihrer Brust... Sie wünscht sich einerseits Mann und Kinder, andererseits ist sie sich unschlüssig, ob sie den richtigen Mann dafür überhaupt finden wird. Mit ein Grund, warum sie in Bezug auf mich nicht ganz klar ist. Ich habe ihr zu verstehen gegeben, dass ich Entscheidungen zu treffen bereit bin, wenn sie Entscheidungen von mir will. Aber: Jedenfalls "sie" will im Moment gar keine Entscheidung von mir, ich glaube, es passt ihr derzeit wohl ganz gut, dass ich verheiratet bin. Sollte sich langfristig herausstellen, dass meine Traumfrau mit mir keine Beziehung möchte, wobei einer von vielen Gründen sein kann, dass sie doch noch den Mann findet, mit dem sie Kinder haben könnte, dann ist die Möglichkeit "Beziehung mit Frau" für mich eher gegessen. Ich habe schon überlegt, ob nicht eine andere Dame für mich schlauer wäre... Aber leider nicht. Entweder die, oder eine, die ganz genauso ist wie sie, oder keine. Und sonst? Wenn sonstige Entscheidungen zu fällen sind, müssen sie gefällt werden. Ich habe aus heutiger Sicht keine Ahnung, wohin die Reise für mich geht. Meine Kinder sind in einem internationalen Umfeld groß geworden und gehen schon lange ihre eigenen Wege. Mein Mann (er ist nicht Vater der Kinder) und ich hatten geheiratet, weil wir das für eine gute Idee gehalten hatten. Ich hatte für mich beschlossen, dass es nach ihm keinen Mann mehr geben wird, dieser Meinung bin ich guten Gewissens heute noch. Aber an Frauen hatte ich eben damals nicht im Traum gedacht... Ich hab das alles nie gewollt. Unsere Familie hatte die letzten Jahre ein mörderisch anstrengendes Leben (unter anderem waren gleich mehrere Familienangehörige über weitere Strecken zu pflegen) und ich wollte eigentlich die nächsten 40, 50 Jahre fernab aller Aufregungen ein ganz langweiliges, unaufgeregtes und unaufregendes Leben führen. Ich wollte die nächsten Jahrzehnte meine Urlaube für große und kleine Reisen nutzen, abends im Schaukelstuhl allfällige Enkelkinder bestricken und in Ruhe dick werden. Und dann kam sie... Wer bis hierher gelesen hat, danke für deine Zeit. Wer unterwegs weggestorben ist - dafür habe ich Verständnis. Nolu
editiert am 28.11.2021 16:48
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