Kommentar von Götz Hamann in der Zeit 27.6.13
Der Moment der Bürger
Wenn die Regierungen sich gegen die Grundrechte verschwören, ist es Zeit, zu handeln
Snowden hinterlässt uns nun einen Auftrag und eine große Frage: Wie bewahren wir unsere Freiheitsrechte und balancieren sie mit den berechtigten Sicherheitsinteressen aus? Wie bändigen wir diese Dienste und auch die Regierungen, die sie losschicken? Wie zwingen wir die eigene Regierung, diesem Treiben entschlossen entgegenzutreten? Wie bringen wir eine Bundeskanzlerin, die das Internet noch immer als "Neuland" bezeichnet, dazu, diesen Konflikt ernst zu nehmen und auszutragen?
Wir haben gelernt, dass es keine bessere Art und Weise gibt, ein friedliches Miteinander zu organisieren, als den bürgerlichen Rechtsstaat mit seinen Verfahren. Doch nun haben ausgerechnet westliche Regierungen diese Grundlage aufgekündigt. Sie zu bändigen, ist nur einer in der Lage: der Bürger. Wir alle. Gemeinsam. Niemand kann, niemand darf jetzt noch warten und zusehen, bis der nächste Edward Snowden seine Freiheit riskiert, um die unsere zu schützen.
Es ist deshalb an der Zeit, eine digitale Volksversammlung einzuberufen, eine Versammlung der Bürger, die den Gesellschaftsvertrag in dieser entscheidenden Frage neu verhandelt. Wer aber soll so eine Versammlung einberufen? Zu denken wäre an eine europäische Aktion.
Der erste Schritt könnte eine Onlinepetition an das EU-Parlament sein, damit es gezwungen ist, eine solche Versammlung einzuberufen. Und wenn sie getagt hat, was dann? Dann muss ein einiges Europa mit den Amerikanern diskutieren, denn sie sind die Großmacht des Internets.
Ähnlich war es in den vergangenen Jahrzehnten, wenn es galt, das Völkerrecht fortzuentwickeln. Man denke nur an den Umweltschutz. Der Bericht des Club of Rome vor 40 Jahren und die globale Klimakonferenz von Rio im Jahr 1992: Ihre Grundgedanken leiten die Umweltpolitiker noch heute.
Aber
den Anfang müssen die Bürger selbst machen. Denn die Welt braucht einen Westen, der Freiheitsrechte und Bürgerrechte in den Vordergrund stellt und die Sicherheitsbehörden wirklich kontrolliert. Sie in die Schranken weist. Edward Snowden hat das allen, die sehen wollen, vor Augen geführt.
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