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Anni TEIL III

von stayinthelife


Eine Stunde später saß Anni nach einem ausgiebigen Spaziergang mit ihrer Lehrerin in einem Café. Anni hoffte, dass weder ein Mitschüler noch ein anderer Lehrer auf sie aufmerksam würden. Die Situation zwischen Anni und der Lehrerin war sehr angespannt, nur wusste Anni nicht so recht, woher diese Anspannung rührte. Anni schlug ihre Beine übereinander, streckte ihren Rücken durch, beides mit der Absicht, erwachsen zu wirken. Als der Kellner die Bestellung aufnehmen wollte, sagte ihm Anni, er möge ihr bitte einen Kaffee mit Milch bringen und dazu ein Stück Obstkuchen, am liebsten mit Pflaume, falls sie ihn hätten. Ihre Lehrerin bestellte lediglich ein Glas Wasser. Anni hätte am liebsten ihre Bestellung rückgängig gemacht. Anni empfand die Atmosphäre ungewöhnlich. Sie, die jüngere, mit Kaffee und Kuchen und der Absicht, ein aufmerksamer Zuhörer zu sein und die Lehrerin, die ältere, scheinbar ohne Appetit auf Kuchen noch Kaffee, in der Situation, das Herz auf der Zunge tragen zu müssen. Aber warum tragen zu müssen? Weil Anni sehr bestimmt war, auf ihre ganz eigene naive, aber doch sehr stoische Art und Weise. Anni nahm sich vor, den Verlauf des Gespräches nach bestem Vermögen zu steuern und nicht zuzulassen, dass ihr ausgewichen wird. Denn Anni entgeht wenig, wenn ihre Sinne erst einmal geschärft sind. Nachdem der Kellner das Gewünschte an den Tisch brachte, blickte Anni ihrer Lehrerin tief in die Augen. Anni wollte es sich nicht durch ihre in ihr aufsteigende Unsicherheit nehmen lassen, Intimität zu erzeugen. Annis Lippen formten die Worte, die sie nie für möglich gehalten hätte zu sagen. Die Worte fassten alle Beobachtungen der letzten Tage zusammen und zielten zudem darauf ab, der Lehrerin zu sagen, was für ein schönes und intelligentes Wesen sie sei. Die Worte hüllten Sender und Empfänger ein, in einen Umhang, dessen Stoff aus Tabu und dessen Saumen aus Freiheit bestand. Die Lehrerin fing unweigerlich mit dem Weinen an und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. Annis Hände begannen zu schwitzen. Am liebsten hätte sie alle Last von den Schultern der Lehrerin geschoben und sich selbst aufgebürdet. Anni empfand sich selbst als so viel stärker als ihr Gegenüber es wohl jemals zu sein schien. In dem Café schien niemand auf die beiden aufmerksam geworden zu sein. Anni atmete tief durch. Sie legte ihre Hand auf die Hand der Lehrerin und sagte ihr, dass sie mit ihr sprechen könne. Sie, Anni, wäre sehr vertrauenswürdig und würde niemandem von diesem Treffen erzählen. Die Lehrerin sagte, dass sie das vermutete, nur sei es ihr nicht einerlei, Anni mit Details aus ihrem Privatleben zu belasten. Anni stieß sich an dem Wort belasten. Es widerspricht ihrer Haltung, die Stärkere von beiden zu sein. Wiederholt gibt sie zu verstehen, dass sie ein guter Zuhörer ist und selbst am besten wisse, wie viel Wahrheit sie vertragen kann. Der Widerstand der Lehrerin schien gebrochen. Sie wandte sich Anni zu und begann zu erzählen. Sie erzählte von ihrem Mann, der Offizier bei der Bundeswehr ist und von ihrer gemeinsamen Tochter. Sie erzählte von einem glücklichen Familienleben, von einem gemeinsam gebauten Haus, von glücklichen Jahren. Sie erzählte von dem Moment, als ihr Mann ins Krisengebiet geschickt wurde. Sie erzählte von einer räumlichen und zeitlichen Trennung, die für beide eine Zerreißprobe waren und von dem Moment, als sie einen unbekannten Mann begegnete, in den sie sich verliebte. Anni merkte, wie ihr Herz anfing zu rasen. Ihre Lehrerin schien ihr eben zu offenbaren, dass sie sich in einen anderen Mann verliebt hat und jetzt scheinbar weder ein noch aus weiß. Anni ist beunruhigt, weil es scheinbar das schlimmste ist, was gerade in dem Leben der Lehrerin passiert. Anni ist aber auch beruhigt, weil sie schon vermutete, jemand sei gestorben. Denn, wie wir wissen, kann Anni nicht sehr gut mit Trauernachrichten umgehen. Als die Lehrerin all das, was sie akut bedrückte, aussprach, röteten sich ihre Wangen. Anni vernahm, dass diese Offenheit ihr wohl unangenehm sei. Nun lag es an Anni, die Scham so gering wie möglich zu halten. Sie gab ihrer Lehrerin mit einem sanften und freundschaftlichen Blick zu verstehen, dass keines der gesprochenen Worte mit Schuld noch Scham beladen sein müsse. Die Lehrerin schien für den Moment beruhigt, zahlte später für beide die Rechnung und ließ zu, dass Anni sie zum Abschied drückte.



copyright © by stayinthelife. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Anni ist 16
stayinthelife - 04.01.2014 13:07
Spannend
Noctra - 28.12.2013 22:59
...:)
Weiter! Mega spannend.
blu3Night - 26.12.2013 13:43
Hmm...
strassentaube - 25.12.2013 22:34
Geheimnisvoll!
atayari - 25.12.2013 15:54

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