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Der Klang einer Stimme

von Vermaledeyt


Mein Wecker klingelt. Am liebsten hätte ich das vermaledeite Ding gegen die Wand geworfen, aber ich lasse es dann doch lieber und schalte ihn aus. Widerwillig stehe ich auf, vier Stunden Zugfahrt liegen vor mir und jetzt schon habe ich keine Lust mehr. Ich mache mich fertig und esse schnell etwas bevor ich dann los muss. Schnell verabschiede ich mich von meinen Eltern, aber sie reagieren kaum. Mein Stiefvater schläft und meine Mutter sieht fern. Sie dreht sich nichtmal um. Ich nehme meinen Koffer, schultere meinen Rucksack, nehme im Gehen meinen Blindenlangstock vom Haken und verlasse das Haus. Vier Stunden Zugfahrt. Obwohl ich schon seit sechs Jahren alle 14 Tage vier Stunden Freitags und vier Stunden Sonntags Zug fahre, habe ich mich noch nicht wirklich daran gewöhnt. Ich komme am Bahnhof an und merke, dass ich noch etwas Zeit habe. Also lasse ich mich auf eine Bank fallen und warte. Warte, bis der Zug kommt, der mich ins Internat fährt. Dann höre ich Schritte. Ich drehe den Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kommt. Eine komische Angewohnheit, denn ich sehe ja doch nicht, was da kommt. Habe ich noch nie getan. Du kommst die Stufen zum Bahnsteig hinauf und setzt dich neben mich. Wer du bist? Keine Ahnung, denn ich kenne deinen Namen nicht und habe dich auch nach dieser Begegnung bis jetzt noch nicht getroffen. Du redest, aber du sprichst nicht mit mir, du telefonierst. Ich mag den Klang deiner Stimme und stelle dich mir vor. Obwohl ich dich nicht sehen kann, versuche ich, mir so etwas wie ein Bild von dir zu machen. Ich höre deiner Stimme zu, wie sie Sachen sagt, von denen ich keine Ahnung habe und Menschen antwortet, die ich nicht kenne. Ich denke darüber nach, dich anzusprechen. Ich mag deine Stimme und du bist sicher nett, denke ich mir. Doch im gleichen Moment weiß ich, dass ich dich nicht ansprechen werde. Ich bin nicht gerade gut im reden. Du legst auf. Eine Weile lang ist es still. Dann fährt ein Zug ein, der nicht meiner ist und du stehst auf. Du steigst in den Zug, die Türen schließen sich und du bist weg. Deinen Namen, denke ich mir als der Zug abfährt, deinen Namen hätte ich gern gewusst. Aber alles, was von dir bleibt, ist der Klang einer Stimme. Und so schade es auch ist: Irgendwann werde ich ihn vergessen haben, und dann bleibt nichts mehr.



copyright © by Vermaledeyt. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Hab das lesen nicht bereut
Etwas schwer zu lesen, so ganz ohne Absätze, aber WOW, was für eine Geschichte! Sie gefällt mir sehr gut!
Knuddelratte - 05.08.2021 22:34
wow
ICSSWITBY - 11.08.2018 18:57

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