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Die Bank gegenüber

von Gogglimoggli


Wie jeden Dienstag in der früh, lief die alte Frau den schattigen Weg entlang, quer durch den Park zu ihrem Lieblingsplatz in einer schattigen Allee, mit vielen alten knorrigen Bäumen.
Die schwere Holzbank stand unter einem ausladenden Kastanienbaum der einen Umfang von mehr als drei ihrer Armlängen hatte.
Der wuchtige Baum trug Kastanien in Hülle und Fülle, die noch in grüner stacheliger Hülle eingeschlossen waren.
Niemand konnte genau sagen, wann sie abgeworfen werden würden, deshalb hatte sie heute vorsorglich einen Hut angezogen. Einen grauen Filzhut mit schmaler, vorne leicht angehobener Krempe.
Die alte Frau war im Begriff sich zu setzen und während sie noch mit dem Po über der Sitzfläche schwebte, strichen ihre beiden Hände geschickt und zügig vom oberen Rand nach unten zum Rocksaum um mögliche Falten glatt zustreichen.

So wurde es ihr vor langen Jahren als richtig beigebracht und nie zuvor hatte sie diese Regel angezweifelt.

Die Bretter der Holzbank gaben einen kaum hörbaren Laut von sich, als ihr Gesäß mit der Fläche eins wurde.
Ein leises knarrendes Geräusch von Materie, das International Willkommen hieß und zum Verweilen einlud.
Das mitgebrachte quadratische Taschentuch aus feinem Leinenstoff schüttelte sie akribisch mit einer starren schnellen Handbewegung die keinerlei Widerspruch duldete, um jeden zufällig mitgebrachten Krümel darin unnachgiebig zu entfernen. Dann legte sie es als Unterlage neben sich auf die Bank, fein säuberlich glattgestrichen wie sie es am liebsten hatte.

So wurde es ihr vor langen Jahren als richtig beigebracht und nie zuvor hatte sie diese Regel angezweifelt.

Langsam zog sie eine Papiertüte aus der rechten Manteltasche, in der ein zusammengeklapptes Butterbrot und ein Apfel steckten. Ihr Blick wanderte nach oben in die grün-stacheligen Kastanienkugeln " Ach wie schön wäre es, wenn diese Kastanien essbar wären " dachte sie und hörte im selben Moment einen lauten Knacks von gebrochenem Holz.
Sie schaute sich suchend um und blinzelte gegen die durchscheinenden Sonnenstrahlen, als ihr Blick wieder klarer wurde und an der Bank ihr gegenüber haften blieb.

Ihre Mundwinkel hoben sich spontan zu einem leichten Lächeln nach oben, ihre Augen schimmerten feucht, ihr Blick lag ruhig auf dem was sie gegenüber sah.
Da war sie wieder, dieses kleine Menschenkind gegenüber auf der schweren Holzbank.
Das Mädchen saß in der Mitte auf dem ersten Balken. Beide Hände fest auf das Holz gedrückt mit nach vorne gebeugtem Oberkörper, schwang sie beide Beine in gegensätzlicher Richtung und beobachtete dabei die kleinen aufspritzenden Steinchen, die von ihren Schuhspitzen nach vorne geschleudert wurden. Ein leises verschmitztes Kichern war zu hören.

Wie jeden Dienstag trug sie dieses hübsche grau karierte Kostüm. Die Karos waren hell und dunkelgrau und 1x1cm groß. Der Mantelkragen war am Rand verstärkt mit dickem Zwirn und bildete eine dicke Wulst, die sich am Hals anschmiegte. Zu dem Kostüm passend trug das kleine Mädchen einen hübschen grauen Filzhut. In Form einer Melone saß er perfekt auf dem kleinen Kopf. Ein Büschel braunes feines Haar lugte unter dem Hutrand hervor.




Ein Mann tauchte auf und hielt ihr die Hand zum Aufstehen hin. Die Kleine blickte hoch, verzog augenblicklich die Mundwinkel, beide Augen füllten sich mit Tränen.
Ihr Kopf senkte sich langsam nach unten, beide Beine verharrten ruckartig angespannt in der Bewegung.
Er stand immer noch mit ausgestreckter Hand vor ihr und nun sprach er in eindringlichem Ton zu dem Mädchen.
Die Hand federte mit auffordernder Geste von oben nach unten, die alte Frau hörte ein bestimmendes " Komm "
Das Mädchen hatte aufgehört zu weinen, sie rutschte zögerlich von der Kante der Bank, ihr Blick war gesenkt.
Die Steinchen knirschten als ihre Schuhsohlen den Boden trafen.

Ein scharfer Wind kam auf, die alte Frau zog ihren Hut mit der hochgestellten Krempe tiefer ins Gesicht und kniff die Augen zusammen.

So wurde es ihr vor langen Jahren als richtig beigebracht und nie zuvor hatte sie diese Regel angezweifelt.

Sie schreckte auf, spürte die Kälte in den Knochen. Wie lange war sie wohl so in Gedanken versunken gewesen?
Es dämmerte schon.
Die alte Frau erhob sich langsam, strich ihren verknitterten Rock zügig mit beiden Händen glatt und schaute mit leerem traurigen Blick auf die Holzbank gegenüber.
Nächste Woche würde sie wieder hier sitzen und warten. Sie hoffte darauf das kleine Mädchen wieder zu sehen. Sie mochte dieses leise Kichern so sehr, so wie es nur glückliche Kinder kichern konnten.
Ja, nächste Woche Dienstag, derselbe Ort, dieselbe Zeit.

So wurde es ihr vor langen Jahren als richtig beigebracht und nie zuvor hatte sie diese Regel angezweifelt.





copyright © by Gogglimoggli. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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