von catrin
1.
Das Feuer ist, wenn es entfacht, fast unaufhaltsam. Das Feuer ist, wenn es entfacht, wie ein ungestümes Tier, das, wenn es sich einmal ausgebreitet hat, kaum zu bändigen ist. Das Feuer, wie als hätte es eine eigene Seele, frisst das, was es bekommt. Ein Wort, das noch nie jemand so ernst genommen hatte…es war noch nie ein gutes Zeichen, wenn es aus dem Körper herauskommt. Wenn es herauskommt und alle anderen in großen Schrecken versetzt, während du wie betäubt dasitzt und dich fragst, was sie wohl alle plötzlich gegen dich haben könnten…
Die Nacht war schwarz. Schwarz, wie das tiefste Loch auf Erden. Das Loch, wo man das Ende endlos schätzt, aus Angst man könnte beim Fallen doch irgendwann den Boden erreichen. Die Nacht war klar, doch die Sterne waren nicht zu sehen. Die Straßen waren leer, die Bäume kahl, der Winter brach ohne Vorwarnung mit Gestürm herein und versuchte das zu unterwerfen, was zu unterwerfen war, wie die Blätter, die sich von den Bäumen abgewendet hatten und nun trostlos am Boden begannen zu verwelken. Genau wie die Wesen, die sich allesamt in ihren Häusern verzogen hatten und sich, verwirrt und unwissend sie doch waren, sich nicht zu helfen wussten. Sie versteckten sich in ihren Kellern, krochen unter die Tische, packten das Notwendigste in die Taschen, um schlagartig die Flucht ergreifen zu können, wenn sie in die notgedrungene Situation kämen. Denn jeder wusste, es ging Seltsames vor. Niemand mehr traute sich auf die Straßen, denn der Himmel stand in Flammen. Flammen, lichterloh, als gäbe es ein Fest zu feiern, während das seltsame Geschehen, die hohen Flammen wiederum bedrohlich und angsteinflößend wirkten.
Flammen, die die Städte erleuchteten und die Sterne auf ewig verschluckten. Und da war ein Loch, das sich am Himmel geformt hatte, das aussah, als wäre es mit einem Zirkel an den Himmel gemalt worden. Ein Loch, das nichts Gutes zu bedeuten hatte. Es gingen unerklärliche Dinge vor, die die Wesen in Angst und Schrecken versetzten.
Einige Wesen liefen auf den Straßen umher, einige mussten aus ihren Häusern fliehen, weil ein Funken des Feuers auf ihr Haus übergesprungen war und es entfacht hatte. Geschrei übertönte das Klackern der Schuhe auf den gepflasterten Straßen, während das Gebrüll der Männer, die zu ihren Äxten und möglicherweise gegebenen Gewehren griffen wie in einem Wettbewerb dagegen angingen. Das ganze Land war in heller Aufruhr, als sei bereits ein neuer Krieg ausgebrochen.
„Evelyn, sieh mal!“, rief Mary, die sich ihre blonden Haare aus dem Gesicht strich und ihre Hände wie ein Fernglas um ihre Augen legte, glaubend, so würde sie besser sehen können, was sich dort draußen auf der Straße in der Dunkelheit abspielte. Mary war die kleinere und jüngere von den beiden Schwestern, noch unerfahren, wie Evelyn es immer so schön sagte, und wohnte mit Evelyn und ihren Eltern in einem kleinen weißen Häuschen auf der Hallywell Street 21. ‚Ein geeigneter Ort, um das Leben zu genießen!’, pflegte ihr Vater stets zu sagen, wenn er sowohl an die schöne Landschaft mit den vielen duftenden Frühlings- und Sommerblumen, an die bekannten Seen von Gracetown, als auch an die Stadtatmosphäre dachte.
Evelyn legte ihre Gabel weg und sah von ihrem Essen auf. „Was ist denn?“, gab sie trocken zurück und schielte zu ihrer Schwester herüber, die sich zu ihr umdrehte und ihr eilig zuwinkte. „Komm mal her! Schnell!“
Evelyn raffte sich, übertrieben genervt von ihrer kleinen Schwester, die es vorzog aus jeder Lappalie ein gefährliches Ereignis zu machen als bei der Wahrheit zu bleiben, von ihrem Stuhl auf, warf sich das lange dunkelblonde Haar über die Schulter und ging zum Küchenfenster hinüber zu ihrer kleineren Schwester, die bereits ihren hellgrünen Pyjama trug und aufgeregt auf Evelyn wartete.
„Was soll denn da…!“,doch Evelyn verschlug es schlagartig die Worte, als sie sah, was da draußen vor sich ging. Zuerst zogen die großen hellen Flammen am Himmel ihre Aufmerksamkeit auf sich, die um ein riesiges schwarzes Loch am Himmel spielten, welches immer größer zu werden schien. Dann fiel ihr Blick auf das Nebenhaus, das bereits in Flammen aufgegangen war. Evelyn’s verschreckter Blick wanderte wieder hinüber in dem Himmel, wobei sie die aufgeregten Dorfleute kaum wahrnahm. Aus dem schwarzen Loch heraus konnte Evelyn nach wenigen Sekunden Wesen erkennen, die, desto näher sie dem Boden kamen, immer mehr Gestalt annahmen. Sie ritten auf Pferden und trugen dunkle Rüstungen und schienen den steinigen Boden des Dorfes anzustreben. Sie hatten lange schwarze Flügel und stählerne Helme auf den Häuptern, sodass Evelyn deren Köpfe nicht sehen konnte. Als die Hufen der schwarzen Pferde mit einem Klacken auf den Straßen aufkamen, blieben sie zunächst stehen. Die ältere Schwester kniff gespannt die Augen zusammen, während sie eines der Wesen, das zufällig im Licht einer Laterne stand, genau zu begutachten versuchte, es aber in den wenigen Sekunden nicht schaffte. Denn plötzlich hoben die Vorderhufen der Pferde in die Höhe und die Wesen wirbelten mit einem lauten Grunzen, welches den beiden Schwestern durch das Glas eine Gänsehaut verpasste, herum, als Männer des Dorfes mit ebenso lautem Gebrüll mit ihren Waffen auf die Wesen losgingen.
„Wer ist das, Evelyn?“, fragte Mary leise, „Sag schon!“
Evelyn sah ihre Schwester von der Seite an und bemerkte die Schweißtropfen auf deren Schläfe.
Obwohl Mary vier Jahre jünger als Evelyn war, hatte diese mit 14 Jahren genauso viel Angst wie die jüngere Schwester. Was ging da bloß vor sich? Evelyn’s Blick wanderte wieder hinüber zu dem Fenster. Sie bewegte ihren Kopf ein Stück vor, sodass ihre Nase beinahe die kalte Fensterscheibe berührte und sah nachdenklich, beängstigt und verwirrt hinaus.
Es klopfte plötzlich an der Tür, sodass Evelyn schockiert nach Luft schnappte und zurück stolperte. Mary wirbelte ebenfalls herum und starrte die alte Holztür mit großen Augen an, die als Seiteneingang diente. Die beiden Schwestern regten sich für wenige Minuten nicht vom Fleck. Sie horchten und lauschten, waren still, während sie die brummenden und schnaubenden Geräusche der seltsamen Wesen hörten, die Fackeln und Schwerter in ihren Händen bei sich trugen. Laute Schreie fielen, die die beiden Schwestern nicht zu orten wussten. Waren die Wesen fort gegangen?
Es klopfte ein weiteres Mal.
Evelyn zuckte zusammen, worauf ihr Blick aufgescheucht durch die kleine Küche huschte, deren Wände weiß und die Ablagen, sowie der Herd dunkelbraun waren. Ihr Blick fiel zunächst auf den braunen Esstisch, der rechts an der Wand stand und auf dem noch immer Evelyn´s Abendessen auf einem Teller lag. Würde der Tisch ihnen ein gutes Versteck bieten?
„Wo sind mum und dad?“, maulte Mary plötzlich und kniff die Augen zusammen, während sie noch immer am Fenster standen und sich nicht bewegten. „Und was ist das für ein Loch?“
„Es bedeutet nichts Gutes!“, sagte Evelyn auf einmal und packte Mary bei der Hand, zwei hilflose Mädchen, die nicht recht wussten, was sie nun tun sollten, „Gar nichts Gutes!“
Sie packte ihre Schwester fester bei der Hand, drehte sich um und rannte los zur Vordertür.
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catrin. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.