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Stories » Detail

Elle (Preface / 1. Kapitel)

von GibtNix


VORAB:
ich greife damit ganz sicher NICHT diesen ganzen twilight und vampir-hype auf, der seit 2 jahren wieder aufkommt...dies manuskript hab ich ca. 2004 begonnen, zu einer zeit, in der es mir nicht gut ging...und irgendwie hat mich meine damalige, oft depressive stimmung zum schreiben gebracht (das ist NICHT biografisch!), es war einfach die "passende" stimmung.
ich schreib bis heute dran, ein ende gibt es (noch) nicht. mal abwarten, was kommt.... wünsch euch trotzdem viel spaß beim lesen
(und ich bitte um rücksicht aufgrund eventueller fehler im gelegentlich auftauchenden französisch, das war nie mein lieblingsfach ;)
"lesetip": hab beim schreiben damals ständig die homepage von victoria frances (http://www.victoriafrances.es ) neu geladen, immer wieder, und beim schreiben immer wieder diese melodie gehört. quasi "soundtrack" ;)

also, hier schon mal der anfang.

Prèface

„Ich schreibe. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber ich schreibe. Warum ich das tue, weiß ich noch nicht. Ich habe es noch nie getan. Mir ist nicht einmal bewusst, weshalb mir dieser Vorgang so einfach von der Hand geht, wo ich es doch noch nie gelernt habe. Ich brauchte es nie, und selbst jetzt, wo ich es tue, ist es mehr eine Befriedigung meines Willens als ein simples brauchen. Dieser Vorgang an sich, das Führen eines Tintenschreibers über das weiße, leere Papier, zu sehen, wie sich diese geschwungenen, feine Linien aus einem Wirwar zu einem ganzen formatieren, Sinn ergeben, einem die ganze abstrakte Welt eines Gedanken entlüften können… aber halt, ich habe mich nicht deshalb diesem Tun gewidmet. Ich wollte meine Gedanken eines anderen Sinnes wegen zu Papier bringen. Vielleicht wird mir durch den Abstand, den ich im abschließenden Lesen meiner Notizen zu diesem Denken erlange, gegenüber dem Denken selbst, vielleicht der Sinn klar, weshalb der heutige Abend, oder viel mehr die heutige Nacht, für mich ein solches Szenario eröffnet hat. Vielleicht. Ich hoffe es, denn nichts begehre ich mehr, als zu wissen, warum ich auf diesen Weg geführt wurde. Und noch viel wichtiger als dass, ist wohl das von Wem! Denn auch wenn ich zu der Sache nichts weiß, so weiß ich doch eines gewiss: Das, was ich erlebt habe, oder vielmehr, was ich erleben durfte, dass war gewollt. Ich bin dessen sicher. So sicher, wie die Tatsache, dass mein Herz nicht mehr schlägt. Ich bin alt, doch stehe ich in der Blüte meines Lebens. Ich vergehe nicht, ich wachse. Ich erblühe unter jedem Mond neu, er ist mein Lebenselixier, er bedeutet für mich das, was die Sonne für die ersten Blumen im Frühling bedeutet, wenn sie ihre zarten, jungen Häupter unter der harten Schneedecke empor lugen lassen. Er ist mein Leben. Und ich teile dieses Leben schon Jahrhunderte mit ihm. Das ist das Manifest, was mir die Sicherheit gibt, zu wissen, dass das Geschehene gewollt war. Es ist das solide Fundament, unumstößlich, eine Tatsache, die seines Gleichens vergebens sucht. Es war gewollt. Jemand wollte, dass mir das geschieht. Jemand hat es geschehen lassen. In meinem so alten, erfahrenen Leben gibt es eine Tatsache, die ich gelernt habe, die mir bewusster ist als jede Andere Form von Intelligenz, die dieser Planet je gesehen hat: Es gibt keine Zufälle. Ich weiß es. Alles ist fest gelegt. Nicht durch einen Gott oder Jaweh, weder Allah noch Zeus, keine höhere Macht existiert, die dies lenkt. Es gibt keine Götter. Doch Dämonen herrschen. Sie verkleiden sich als Götter, um den Menschen ihre Handlungen, ihre Wünsche, ihr Intellekt aufzuzwingen. Es gibt Gute unter ihnen, wie auch die Bösen. Sie sind Dämonen, doch ist das dem Menschlichen Denken zu hoch. Sie wissen es nicht. Sie können es nicht wissen. Doch ich weiß es, denn ich bin selber einer von Ihnen. Jedoch habe ich nie versucht, mich als Göttin darzustellen. Ja, als Göttin. Ich bin weiblich. Eine von uns hat es getan. Doch ist es Jahrtausende her. Sie lebt, oder vielmehr, ihre Seele ist nicht tot. Wir können noch mit ihr reden, wir haben noch mit ihr Kontakt. Ihr Erfolg als Göttin ist unvergleichlich. Und wird es immer bleiben. Sie ist einmalig, unsere Urmutter. Meine Urmutter, denn ich weiß, dass ich in direkter Linie von ihr Abstamme. Doch auch das widerspricht meinem Anliegen, warum ich zu einem Tintenschreiber griff. Ich will noch mal darauf zurückkommen, dass jene, die sich Götter nennen, viel Einfluss auf die Menschen haben. Sie lassen sie tanzen wie Marionetten an blutigen Bändern, geführt durch frivole, lüsterne Hände, die es als Ablenkung ihres immerwährenden, unsterblichen Daseins sehen, sie gegeneinander kämpfen zu lassen, sich auszurotten, gar ihre eigenen Familien zu töten, nur um des Willen ihres >Gottes< wegen. Es bringt die Abwechslung in ihren Welten, Schattenreichen, Unterwelten, die sie alle Jahrhunderte wieder verlangen, um des unsterblichen Lebens nicht überdrüssig zu werden. Sie sind es, die das Geschehen der Welt bestimmen. Und irgendjemand von ihnen hat diese Frau zu mir geschickt. Irgendjemand hat sie, und mich desgleichen mit, zu den Hauptfiguren eines neuen Abenteuers gemacht. Die Spielregeln sind einfach: Sie setzen die Protagonisten auf ein Spielfeld, geben ihnen die nötigen Impulse, um sie aufeinander los zu lassen, und dann schauen sie einfach nur zu, wie es sich entwickelt. Es gibt keine Regeln, keine Verbote. Es gibt nur das, was die Menschen Leben, oder gar Schicksal, nennen. Das ist das Spiel der Dämonen. Eurer Götter. Wie auch immer, ich schweife zu sehr ab. Warum? Ich will meine Gedanken ordnen, doch die Erinnerungen schmerzen. Ich quäle mich selbst, und doch ist der Pein größer, würde ich den Stift aus der Hand legen und meiner Selbst erneut nachgehen. Ich muss dies tun. Es brennt. Aber die Flammen würden mich verzehren, würde ich es nicht beginnen. Dämpfe diese Qual, befreie mich. Lass mich schreiben, was mein Gemüt erregt!


Un

Dunkelheit um mein Haupt. Zugedeckt vom tief schwarzen Firmament, eingehüllt in einer nunmehr über 600 Jahre andauernden Dunkelheit. Sie durchschneidet meine Glieder, bewegt meinen Schatten. Ich atme sie. Ich fühle sie. Nach allzu langer Zeit bin ich ein Teil von ihr. In sie verstecke ich mich. Mit ihr Verteidige ich mich. Wegen ihr existiere ich. Nach so langer Zeit habe ich schon längst angefangen, sie zu explizieren, mich ihrer Geheimnisse zu befähigen. Ich habe ihre Eigenschaften auf mich übertragen. Der engste Vertraute prägt einen Jeden, und sie prägte mich. Sie lehrte mich das unsichtbar sein, das lautlose verschwinden, das plötzliche auftauchen. Wie eine unentbehrliche Komponente meiner Selbst habe ich mich ihr angepasst. Und sie hat mich in sich aufgenommen. Sie ist immer präsent, sie hat mir gezeigt, wie ich mit ihr umzugehen habe. Ich liebe sie. Doch dies ist nicht eine Liebe, wie sie zwischen zwei Individuen herrscht. Dies ist die Liebe, wie sie ein Säugling für die ihm dargebotene Brust empfindet. Eine Liebe, gleichsam einen Instinkt, der das Überleben sichert.
In jener Nacht wandelte ich mit ihr durch die dreckigen, stinkenden Straßen einer Großstadt. In jener Nacht trug ich sie als Gewand, welches mich vor den Blicken zu neugieriger Mensche behütete. Ich mag sie, die Menschen. Aber ich hasse nichts mehr als einen stechenden, bohrenden Menschlichen Blick, in dessen Ausstrahlung sein Selbst behauptet, er habe keine Angst vor mir. Schöne, junge Frau, ich habe keine Angst vor dir. Das solltest du aber... Gelegentlich treffen mich Blicke, ausgehend von Seelen, die den Körper zu befehlen scheinen: “Lauf!“ Sie wissen, dass ich ihnen den Tod bringen könnte, aber sie haben kein Mittel der Kommunikation, es ihrem Fleisch verständlich zu machen. Warum habt ihr es in den Letzten 600 Jahren immer mehr verlernt, auf eure Seelen zu hören? Pourquoi vous ne comprenez pas elle davantage?[Warum versteht ihr sie nicht mehr?] Legt ab, diese Dummstolze Gewissheit, dass euer bewusstes Denken ausreicht, um euch durch diese Welt zu schlagen! Lasst zu, dass eure Seelen euer Gehör erreichen. Es würde euch ein ganzes Stück nach vorne bringen. Und sehnt ihr dies nicht immerzu herbei? Den Fortschritt? Menschen, aus deren Blick die in das Fleisch gepresste Seele verzweifelt versucht, die Gefahr, die von meiner ausgeht, erkenntlich zu machen, zeichnen sich lediglich durch eine gewisse Befangenheit in ihrem Habitus aus. Sie wissen nicht, warum sie gerade vor mir, einer jungen, zartgliedrigen Frau, so eine ängstliche Abneigung verspüren. Das sind diejenigen, die mir -trotzt dieses gehassten Blickes- leid tun. Nicht alle erholen sich von dieser Todesangst, die ihre Seele in diesen kleinen Momenten verzweifelt versucht hat, bewusst werden zu lassen. Zu viele verzweifeln an dieses Gefühl, da sie es nicht kennen, nicht einordnen können. Ich kann es nicht ertragen, wenn ich wieder mal eine Seele durch einen bloßen Augenblick meinerseits in den lähmenden Wahnsinn versetzt habe. Wohl deshalb ließ ich mich in jener Nacht durch meine geliebte Dunkelheit navigieren...
Als ich sie sah, wusste ich nicht, wie lange ich bereits gelaufen war. Ich hatte mich am frühen Abend aufgemacht, eines dieser Nobelviertel der Stadt aufzusuchen. Davon hatte sie genug, denn, mon dieu, diese Stadt war reich. Und das zeigte sie unverhalten. Es erregte ab und an ein wenig aufsehen in, wie nennt ihr sie gleich? In der Regenbogenpresse? Oder Boulevardblatt? Es liegt sicher an den geographischen Gegebenheiten. Eure Grenzen habe ich nie verstanden. Auf jeden Fall seit dem Beginn meines Toten Lebens nicht mehr. Ihr seid über diesen Planeten gewuselt, wie ein Aufgeschreckter Staat von Ameisen. Ich meinte, dass mein… Appetit, ab und an in den genannten Medien Aufsehen erregt. Aber ihr habt es nie geschafft, mich zu überführen. Solange ich dass nicht zulasse, wird es auch nicht geschehen. C`est la promise!
Es war spät, als ich sie sah. Oder früh, wenn man es aus eurer Perspektive betrachtet. Die Uhrzeit weiß ich nicht. Für mich gibt es nur zwei Uhrzeiten: Früher Abend und später Morgen. Mit mehr habe ich mich noch nie abgeben müssen. Ich will es auch gar nicht. In jener Nacht, bis jetzt, kann ich nicht mal sagen, in welchem Land ich mich befinde. Sollte ich jemanden meiner Gattung begegnen, wird das gesprochene Wort nicht verlangt sein. Wir kommunizieren wortlos. Weshalb sollte ich meinen Geist mit dem unnötigen Wissen über jenen Namen dieses Landes belasten? Es wird, als Landmasse, auch noch in ferner Zukunft existieren, wenn eure Generationen schon nicht mehr sind. Es wird wieder anders heißen. Für mich bleibt es lediglich ein Land. Ein sehr schönes, das muss ich jedoch bekennen. Sie kam auch nicht aus diesem Land. Ich weiß nicht, warum sie hier ist, soweit ab ihrer Heimat. Polen, dort lagen ihre Wurzeln. Das war das Einzige, was ich aus ihren Gedanken beziehen konnte. Diese Tatsache allein hätte mich eigentlich schon stutzig machen müssen. Schließlich bin ich noch nie vorher einem Menschen begegnet, dem es möglich war, seine Gedanken und Gefühle vor mir zu verbergen. Diese Tatsache allein. Doch wie schon gesagt, für mich war es bereits sehr spät. Ich war müde und der Hunger durchdrang meine Glieder auf eine beißenden Art und Weise, mit einer unheimlichen Präzision, ungefähr so, als wenn Schlangenblut durch deine Adern rauscht… Für einen Menschen wie dich ist es nicht nachvollziehbar. Der Hunger, den ich Nacht für Nacht empfinde, ist vergleichbar mit dem, den du nach dem eingetretenen Hungertod verspüren würdest. Siehst du? Ich kann es einem Menschen nicht begreiflich machen. Er bemächtigt sich deiner Glieder, lenkt sie durch die mir immer treu zur Seite stehenden Dunkelheit, führt mich durch mein Leben, durch diese unikale Ewigkeit. Und, gewiss, ich lasse mich gerne von ihm leiten. So auch in jener Nacht. Plötzlich lief ich hinter ihr. Gut mehrere Meter hinter ihr. Oder Inches, Meilen, was auch immer man in diesem Land sagt. In meiner Dunkelheit gehüllt, folgte ich ihr auf leisen Sohlen. Selbst diese wenigen Straßenlaternen konnten mir meine Tarnung nicht entreißen. Menschen gingen an mir vorüber, ohne mich auch nur zu bemerken. Ich musste aufpassen, um nicht mit einigen von ihnen zusammen zu stoßen. Denn eines musst du wissen: Ich bin materiell. Ich habe einen materiellen Körper, manifestiert durch ewig junges Fleisch, nach außen das schimmernde Spiegelbild meiner immer fortwährenden, reifenden Seele. Doch nur ein Spiegelbild. Das Fleisch bedeutet eigentlich nichts für mich. Ich muss es lediglich am Leben erhalten, um mir meine Existenz in einem an der Erde gebundenes Dasein zu sichern. Dieser Körper aber ist tot. Kein schlagendes Herz. Kein sich hebendes und senkendes Zwerchfell. Lediglich mein… nein, das geklaute Blut, bahnt sich auf selbst mir unergründlicher Form, einen Weg durch dieses vor über 600 Jahren gestorbene Fleisch. Es hält den Körper warm, es hält meine Weiblichkeit in Form. Ich bin eine perfekte Darstellung eines weiblichen Geschöpfes, gar ein bloßes Ebenbild, geschliffen durch die Ecken und Kannten der vergangenen Jahrhunderte. Meine Haut ist zart wie das Blatt einer Rose, meine Schenkel verheißen die Aufnahme in den Gefühlten Garten Eden selbst. Der Bauch ist hauchzart, aber straff zu Gleich. Er verführt zum streicheln, zum berühren. Er ist der perfekte Part zu Vervollständigung meines Oberkörpers, zusammengeführt zu einem virtuosen Ganzen durch die runden, harmonisch nebeneinander liegenden Brüsten. Ihr milchiges Antlitz erweckt die Libido dermaßen, dass man sich ihrer augenblicklich hingeben muss, um den Verstand nicht zu verspielen… Selbst unter den Meinigen bin ich besonders begehrenswert. Und das weiß ich genau. Selbst damals, als ich noch in Paris… ich war eine Ausgeburt der Mutter Grazie an sich. Je suis une beautè! All dies ist durch die Kraft der Jahrhunderte verfestigt worden, all dies wird schon erkenntlich durch das flüchtige beäugen meines Gesichtes: Meine Wangen sind markant ausgeprägt, sie fügen sich in einer unerschütterbaren Ebenmäßigkeit zu meiner ausdrucksvollen Kinnpartie. Mein Profil ist durch eine klare Linie gezeichnet. Ich habe eine undefinierbare Augenfarbe. Sie gibt die Nuancen der Jahrhunderte wieder. Sie ist eine Komposition aus den Naturgewalten, den Kriegen, den Gefühlen, all dem, was ich bereits erleben und miterleben durfte. Die rosig zarte Haut bildet das entscheidende Potenzial, welches mir einen Ausdruck von wahrer Würde, Schönheit und den Stolz einer wahren Herrscherseele verleiht.
Oh pardon, ich schweife allzu oft vom Thema ab. So ist es, wenn man noch nie zuvor geschrieben. Ich fühle mich wie ein Kind, was etwas Neues gelernt hat, und nun mit dem gierigen Eifer, wie ihn nur ein Kind entwickeln kann, nach mehr dieser Sache strebt. Es macht mir… Spaß? Nein, ich sollte es besser durch > es bereitet mir Freude< erklären. Denn ich spüre, dass das Brennen abgeflammt ist. Es vergeht so langsam, umso mehr Tinte ich das Papier aufnehmen lasse.
Betreten wir wieder die Straße jener Nacht. Sie folgen mir doch noch, oder nicht? Bien. Lassen sie mich fort fahren. Wie ich sagte, ich musste meinen materiellen Körper durch die Menschen manövrieren, ohne sie durch einen zufälligen Streif mit meinem Arm, durch eine Erfahrung eines Lufthauches, den mein Körper sehr wohl verursacht, zu irritieren. Und gleichzeitig verlangte mich nach dieser Frau. Selbst jetzt, wo ich an sie denke, befeuchte ich meine Lippen mit meiner weichen Zunge… Ich lies mich von den Menschen, die um diese Zeit noch auf der Straße umher eilten, treiben, nicht, ohne ihre Spur zu verlieren. Ohne ihren Geruch zu verlieren. Sie war nicht viel älter als ich damals in Paris, als mir mein jetziges Leben geschenkt wurde. Das rieche ich, denn so einen lieblichen Duft vermag nur eine junge Frau zu verströmen, die in der fast vollendeten Reifung ihres Geschlechtes steht. Eine Mischung aus süß, lieblich, aber auch scharf… im Ganzen erlangt dieser Geruch die Komplexität einer berauschenden und Anziehenden Symphonie, deren Noten man nie zu Papier tragen können wird… Es ist der Geruch eines jungen, starken Lebens selbst. Und ich folgte nicht nur dieser Frau, sondern auch ihren Geruch. Ich ließ mich, gefangen im Rausch dieser Odeurs und getrieben durch diesen übermächtigen Hunger, durch die Straße, der Frau hinterher, immer noch von meiner Dunkelheit umhüllt, lotsen. Die Gier nach ihr betäubte meine Sinne. Wie einem Drogenrausch verfallen, gab ich mich der Ermächtigung dieser Sinne hin. Ich bemerkte genau, dass dies geschah, doch tat ich nichts dergleichen, um diese Begebenheit zu verhindern. Denn sie war ein Teil von mir. Es war, on est, jedes mal eine Wollust der besonderen Art. Ich bin noch Herrscherin meiner Sinne, wenn es anfängt. Wie ein wohlig warmes kribbeln durchströmt es zu Beginn meine Extremitäten, zieht sich stetig zu dem Herzen hin, was einst in dieser Brust Schlug. Ein Nebel des Vergessens, in dem Schmerz und Unzufriedenheit verschwinden, breitet sich langsam aus. Ein gleichmäßiges zittern erfasst meinen Körper, schüttelt meine Gedanken wirr durch meinen Kopf. Ich gebe mich dessen voller Inbrunst hin, nur um dieses sich anstauende Verlangen durch eine gräuliche Tat, ein wenig Labsaal, noch warm durch das erkaltende Leben selbst, zum Impulsiven, ja explodierenden Höhepunkt zu bringen. In dem Moment überschwemmt es mich, reißt mich fort in einer Sphäre, in der Sein und Zeit nicht erfunden sind. Ich gebe mich dieser Extase voll hin. Ein Zustand gleich der Nichtexistenz. Schwerelosigkeit ist nichts dagegen. Nèant! Merke dir das.
Und plötzlich waren sie und ich allein. Seul. Meine geliebte Dunkelheit hatte auch sie in sich aufgenommen. Eine schmale Seitengasse, eine von dieser Sorte, wo in der heutigen Zeit viele Raube und Morde stattfinden, hatte sie eingeschlagen. Mutiges Kind, verspürst du keine Angst? Riechst du nicht den Geist des Todes? Spürst du nicht diesen eiskalten Hauch in deinen Nacken? Schau, selbst ich sehe aus dieser Entfernung, in dieser Dunkelheit, wie sich deine kleinen Härchen in deinem Nacken und die an deinen Armen aufrichten… Après coup… Ich werde dich töten. Ich werde dir keinen Schmerzen zufügen, ich werde es schnell und sorgfältig erledigen. Gelegentlich spiele ich mit meinen Opfern. Doch halte ich mich heute mal an die Aufforderung vieler Mütter >Spiel nicht mit deinem Essen! <.
Die Dunkelheit schickte mir ihren schleichenden Bruder. Nebel umwebte dein feines Haar. Es glich dem meinen so sehr! Nur war das Meine um eine kaum wahrnehmbare Spur dunkler. Doch auch meines bildete einen perfekten Rahmen um mein makelloses Gesicht, spielte mit ihm mit einer graziösen Vorsicht. Ich lief hinter dir. Leise. Einer Raubkatze gleich verfolgte ich dich. Niemand hätte meine Schritte vernehmen können. Es waren keine anderen Menschen mehr in der Nähe. Es war der perfekte Moment, um zuzuschlagen. Genau… jetzt.
„Ich weiß, was du bist.“ Einem flüstern gleich erreichte diese Aussage mein Ohr. Ein kleiner Moment verstrich, eh ich realisierte, dass diese Worte von dir kamen. Du bist stehen geblieben. Deine Schritte sind eingefroren. Mit dem Rücken mir zugewandt, standest du da. Ich… erbleichte. Wenn es meiner ohnehin schon elfenbeinfarbener Haut möglich war, noch mehr zu erbleichen. Ein Gefühl durchströmte meinen Körper, ein Gefühl von… gestellt werden. WAS du bist, sagtest du. Was. Nicht wer, nein, du sagtest, was. Es schien mir, als ob meine geliebte Dunkelheit mich verraten habe. Sie hat mich dir frei gegeben, auf dass du mich bemerkst. Und, mon dieu, du hast mich bemerkt. Nicht nur mich, sondern meinen wahren Geist. Was du bist… Der Dunkelheit Bruder gab dein feines Haar frei. Ich hatte meiner Schritte ebenfalls Einhalt gewährt. Bohrenden Blickes fixierte ich deinen Rücken, als ob dort die Antworten auf die vielen Fragen zu finden seien, die meinem Denken plötzlich zusetzten… Einen klaren Gedanken zu fassen, war mir nicht mehr möglich. „Grübele nicht, woher ich es weiß. Aber glaube mir, ich weiß, was du bist.“ Fügtest du dem hinzu. Und du wusstest wirklich, was ich bin. In einem so leisen Ton, wie du es sagtest… du wusstest genau, dass ich dich hören würde. Kein Mensch hätte dein leises Wispern verstanden, selbst, wenn er neben dir gestanden hätte. Keiner. Aber du weißt, dass ich dich hören würde. Du weißt. Was ging hier vor sich? Ich war verwirrt. Ich verspürte, das Erste mal in meinem jetzigen Leben, so etwas wie Angst. Denn du bist keine von uns, du bist ein sterblicher, normaler Mensch. Ich habe immer peinlichst darauf geachtet, mein wahres Wesen vor den Menschen zu verbergen. Diejenigen, die es wussten, waren mit diesem Wissen gleich zum Tode verurteilt. Für die Menschheit sind ich und die Meinigen eine Legende, ein Mythos. Uns umranken die wunderbarsten und zugleich grausamsten Geschichten. Doch du weißt. Für dich existieren wir. Vielmehr, ich existiere für dich. Woher weißt du von mir? Wer hat dich über mich unterrichtet? Warum hat dieser jemand dich nicht vor mir gewarnt? Lauf, Kind, Lauf! Oder ich kriege dich. Sei versichert, das ist keine Drohung. Es ist eine Warnung.
Du liefst nicht. Du stelltest dich mir. Es geschah langsam. Sehr langsam, wie du dich mir zu drehtest. Und deine Ausstrahlung… Sie war ein Glanz absoluter Entschlossenheit. Wofür? Entschlossen, dem Wesen in die Augen zu blicken, was dein Augenfeuer für immer zum ruhen bringen wird? Dein Blick suchte herausfordernd den meinigen. Wie machst du das? Wieso, verdammt, konnte ich in dem Moment nicht wissen, was deine Gedanken beschäftigt? Wer oder was hat dich gelehrt, sie zu verschließen? Sie für dich zu behalten, mir lediglich wissen zu lassen, dass du genau so selbstsicher bist, wie du dich mir gibst, dass du keine Angst hast? Sag es mir! Parlès avec moi! Ich bitte dich!
Wir standen uns gegenüber. Sekunden? Minuten? Ich weiß es nicht mehr. Wir schauten uns an. Va te faire foutre! Warum siehst du mir so ähnlich? Warum bist du gleich einem menschlichen Ebenbild meines Aussehens? Ich glaube, dies war der Moment, indem ich begann, dich zu hassen. Ich wollte dich nur noch töten. Dieses Verlangen brachte meine Sinne fast zum bersten! Mit einer einzigen Bewegung stand ich hinter dir, hatte meinen rechten Arm um deinen zarten Oberkörper gelegt, hatte ihn fest im Griff. Meine linke packte brutal unter deinem Kinn, drückte dein Kopf in den Nacken. Ah, ma cherè, wo ist dein Selbstbewusstsein? Na, wo ist es hin? Und einen Augenaufschlag später verfluchte ich diesen Gedanken. Es war genau der Moment, als ich meine Zähne in deinem gottverdammten Hals schlug, auf dass ich dir deinen Lebenssaft bis zum letzten stehle. Wie warmer Nektar ergoss er sich in meinem Mund, liebkoste mit seinem bitteren, aber süßlichen Geschmack meine Lippen, meine Wangen, meine nach mehr leckende Zunge. Dieser Schwall ergoss sich in so einer heftigen flut in meinem Körper, dass ich meinte, das Paradies gefunden zu haben. Es ist unbeschreiblich, dies Gefühl. Nacht für Nacht aufs Neue. Und du… „Hekate“ hast du gehaucht. Du hast gespürt, wie ich dir dein Blut langsam, aber sicher stehle. Wie es in dir immer leere wird. Und du riefest diesen Namen. Hekate. Ich stutzte, nur, um dich noch fester in dieser tödlichen Leidenschaft zu umarmen. Dein Brustkorb hob sich plötzlich eigenartig an. Es geschah durch dies tiefe einatmen, was ihr Menschen immer macht, bevor ihr laut schreien wollt. Ich bewunderte lediglich deine Kraft, die du in diesem aussichtslosen Kampf aufbrachtest, um deine Brust unter meiner eisernen Umarmung so sehr zu heben. „Hekate!“ schriest du plötzlich voller Innbrunst, aus voller Überzeugung. Dieser Schrei hatte einen gurgelnden Unterton, Blut lief aus deinen Mundwinkeln. Dieser Schrei war zu viel für mich. Wieso Hekate? Woher weißt du von ihr, warum bringst du sie gerade in diesem Moment ins Spiel, jetzt, wo genau sie die Einzige ist, die dir Erlösung bringen könnte? Menschenkind, Mädchen, du bist… warum bist du so? Ich verstand es nicht. Und dieses erneute aufbäumen all deiner Kräfte, entfesselt durch den bedienungslosen Glauben an einer höheren Macht, wie ihn nur ein Mensch vollbringen kann, war selbst für meinen über 600 Jahre alten Hunger zu viel. Ich ließ ab. Deine Beine hielten dich nicht mehr. Deine Glieder senkten sich gen Boden. Adieu, ma chère! Ich verließ dich. Ließ dich allein, in dieser dunklen Gasse, in der mir unbekannten Stadt, in diesem schönen Land. Allein.
Und ich weiß immer noch nicht, warum ich all dies eigentlich aufschreibe…




copyright © by GibtNix. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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