von unknownBlogger
Vermutlich war ich aufgeregter als diejenige, um die es eigentlich gehen sollte. Nervös und mit klopfendem Herzen fuhr ich auf den Parkplatz der Hundeschule, zwanzig Minuten zu früh. Meine Hündin lag vollkommen entspannt auf der Rückbank, schlug kurz die Augen auf, als das Auto zum Stehen kam, und döste dann leise schnarchend weiter.
Ich legte meine Hände in den Schoß und sah zum Übungsplatz hinüber. Offensichtlich war auch die Trainerin schon da, ein kleiner Parkour aus Pylonen, flachen Kisten und Querstangen war bereits aufgebaut. Meine Güte, dachte ich, das geht ja schon mal gut los.
An dem recht mitgenommenen Bungalow, der sich an den Platz anschloss, öffnete sich erbärmlich quietschend eine mit Holz verkleidete Tür. Eine Frau in Cargo-Hosen mit breitem Gürtel, Arbeitsschuhen und schwarzem T-Shirt trug zwei leere Plastikboxen zum Platz und begann damit, die Hütchen einzusammeln.
Gott sei Dank! Keine Zirkusnummern gleich zu Beginn!
Sollte ich schon aussteigen und mich vorstellen? Sollte ich warten? Falls ja, bis wann? – Meine Unsicherheit und der innere Labrador, der jedem immer alles rechtmachen will, waren mal wieder ein wunderbares Team.
Vom Rücksitz aus wurde mir die Entscheidung abgenommen – meine Hündin gähnte unüberhörbar und machte grummelnd darauf aufmerksam, dass sie nun startklar war. Also ließ ich sie aussteigen und ging äußerlich wild entschlossen und völlig souverän zum großen Metallzaun – innerlich fühlte es sich an wie der erste Schultag.
Am Tor angekommen wurden wir von einem kniehohen schwarz-weißen Wirbelwind lautstark begrüßt. Schwanzwedelnd stand er auf der anderen Seite des Zauns und meldete uns bei seiner Besitzerin an.
„Bounty, es reicht!“, rief die Frau vom Platz aus, freundlich, aber bestimmt. „Komm!“ Bounty drehte sich blitzschnell um und war in Windeseile bei ihr, wurde angeleint und dann abgelegt. Dann kam sie auf uns zu. „So, jetzt könnt ihr reinkommen!“, sie öffnete das Tor und bat uns herein. „Hi, du musst Stina sein! Ich bin Mona. – Ach so, Du ist in Ordnung, oder?“, gab sie mir die Hand und lächelte mich distanziert freundlich an. Warmherzigkeit sah anders aus. Meiner Aufregung war das nicht gerade zuträglich. „Genau, hi, Stina. Und das ist Maggy.“ – „Na dann komm mal mit ihr auf den Übungsplatz und wenn das Törchen zu ist, kannst du sie gerne mal ableinen, damit sie sich umschauen kann. Wir können dann auch entspannter reden.“ Wir betraten den durch ein Schiebetor geschlossenen Hundeplatz, ich leinte Maggy ab und sie blieb erst mal in meiner Nähe und setzte sich.
„Gut, dann erzähl doch mal!“, forderte mich Mona auf und lehnte sich mit verschränkten Armen an die halbhohe Begrenzungsmauer. Die Sonne in ihrem Rücken sorgte dafür, dass ich zwar ihre Umrisse sah und ihr Gesicht erahnen konnte, ihr Gesichtsausdruck war allerdings nicht erkennbar. Lediglich die Stimme gab Hinweise darauf, ob etwas freundlich oder eher sachlich gemeint war. Für mich eine furchtbare Situation, da ich mich stark über die Mimik meines Gegenübers rückversicherte, wie meine Aussagen aufgefasst wurden.
Für den Anfang gab ich mich humorvoll-selbstbewusst. „Möchtest du hören, was mir an ihr gefällt oder was mir Sorgen macht?“, lächelte ich sie gespielt verzweifelt an.
„Was läuft denn gut?“ Das war sachlich.
„Sie kennt ihren Namen und reagiert auch darauf, sie ist stubenrein, sie läuft relativ unproblematisch an der Leine und sie ist zu allen Menschen freundlich.“, zählte ich auf.
„Und was soll sie können?“ Sachlich.
„Es wäre super, wenn sie abrufbar wäre, sodass sie auch ohne Leine laufen kann. Allerdings hat sie wohl einen gewissen Jagdtrieb. Außerdem schätze ich mal, dass sie noch nicht wirklich eine Bindung zu mir aufgebaut hat.“
„Seh’ ich anders.“ Sachlich. Sie deutete mit einem Kopfnicken an, dass ich zu Maggy schauen sollte. Maggy war etwas näher gerückt und beobachtete mich. „Da sucht jemand Schutz bei dir.“ Sachliche Diagnose. „Okay…und ich dachte, dass sie vielleicht den Platz nicht kennt und deshalb einfach mal lieber an Ort und Stelle bleibt.“
„Glaub mir, den hat sie schon abgecheckt, als ihr hereingekommen seid. Der ist nicht das Problem. Wie ist sie mit anderen Hunden?“ Nach kurzem Überlegen antwortete ich unsicher: „Grundsätzlich gibt es da keine Probleme. Sie läuft zwar nicht schwanzwedelnd auf jeden anderen Hund zu, aber wir können ohne Probleme an anderen vorbei und sie kläfft auch nicht über die Straße hinweg andere an. Ich glaub, sie ist da wie ich. Sie braucht nicht zwanzig Kumpels. Ein oder zwei reichen vollkommen aus.“
Mona schmunzelte. „Bounty scheint nicht ihr Typ zu sein. Und sie ist unsicher. Sehr am Menschen orientiert und in diesem Fall eben an dir. – Das ist schon mal eine gute Basis.“ War das ein Lob? Hat sie grade etwas Nettes gesagt? „Na ich hoffe doch, dass ich nicht gleich alles falsch mache, was man falsch machen kann.“, schob ich unsicher lachend hinterher. „Es soll ihr bei mir und mit mir gut gehen. Was sie erlebt hat, weiß ich nicht, aber besonders schön war es sicher nicht.“ – „Keine Sorge. Sie wirkt nicht so, als fände sie dich furchtbar angsteinflößend. Sie sitzt in deiner Nähe, wenn auch mit Sicherheitsabstand, aber das liegt an der kurzen Zeit, die ihr euch kennt, vielleicht ist es aber auch einfach ihr Charakter, dass sie nicht ganz auf Körperkontakt geht. Jeder hat so seinen eigenen Wohlfühlbereich um sich herum.“ Ich hörte ihr zu und doch nicht. Wie sie mir das alles erklärte, ihre Meinung äußerte, hielt meine Aufmerksamkeit ganz und gar bei ihr. Sie hatte eine angenehm warme, nicht zu hohe Stimme, der ich gerne lauschte. Während sie sprach, setzte sie immer wieder Gesten ein, um das Gesagte zu unterstreichen. Dabei fielen mir ihre Hände auf, die stark, aber nicht grob wirkten. Es waren keine klassischen Bürohände, sondern solche, die auch die ein oder andere Verletzung erfahren hatten. Von Hundezähnen? Krallen?
Sie hielt den Blickkontakt die gesamte Zeit über, sah mich mit ihren wachen Augen an, die keinen Zweifel daran ließen, dass sie gerade in ihrem Element war.
Wohlfühlbereich. Ja, den kenne ich. „Der ist ja auch bei jedem Menschen ganz unterschiedlich eng oder weit.“, warf ich ein. „Genau!“, nickte sie zustimmend. „Ich gehe nur so nahe an jemanden heran, wie es für mich ok ist und wie es die Konventionen eben zulassen. Konventionen gelten bei Hunden nicht. Da zählt nur das Bauchgefühl. Bin ich hier sicher oder nicht? Bedeutet dieser Mensch für mich Gefahr oder kann ich ihm vertrauen. Du kennst das bestimmt, es gibt Menschen, die sehr distanzlos sind, die stehen quasi Nase an Nase vor dir und labern dich voll.“ Um es mir zu demonstrieren, kam sie unvermittelt einen Schritt auf mich zu, was mich einen großen Schritt nach hinten machen ließ – allerdings war nicht weit von mir die Mauer, die ich nun mit dem Rücken berührte. „Siehst du, genau das macht Maggy gerade. Sie zeigt dir durch die Entfernung, in der sie grade sitzt, wie eng ihr Wohlfühlbereich ist.“, sie blieb kurz genau vor mir stehen, bewegte sich mit lässigen zwei Schritten wieder zurück und fügte hinzu „Ich darf in deinen Wohlfühlbereich noch nicht rein.“. Ihren Blick konnte ich wegen der Lichtverhältnisse nicht erkennen, aber in ihrer Stimme meinte ich ein verschmitztes Lächeln zu hören. Und mir schien, als hätte sie das Wort „noch“ ein wenig betont. Mit Sicherheit war ich rot geworden. „Ja, ich – ich bin generell nicht so der körperliche Typ.“ Was redest du da eigentlich? „Also, ich meine so im Alltag. Ich möchte niemandem zu nahekommen.“ – „Und umgekehrt auch nicht, wie es scheint. Du bleibst anfangs lieber etwas auf Abstand.“ Wieder dieser Unterton. „Wir bekommen das schon hin. Ab und zu machen wir zwar Mensch-Mensch-Übungen, aber die wirst du überleben.“ Welche Übungen? „Willst du mich an die Leine nehmen, oder was?“ Achtung, Übersprungsalarm! Innerlich schlug ich mir die flache Hand vor die Stirn. Sie war schon auf dem Weg zur Mitte des Platzes, als sie ein breit gegrinstes „Vielleicht!“ über die Schulter warf.
Die folgende Stunde wurde mit grundlegenden Übungen gefüllt und es zeigte sich, dass ich tatsächlich schon viele Dinge richtig machte. Dass ich mich meiner Hündin vorsichtig näherte, mich klein machte, ruhig mit ihr sprach und geduldig blieb, wurde immer wieder positiv bewertet. Ich konnte ein paar hilfreiche Tipps zu Maggys Eigenheiten erhalten. Schließlich verabschiedeten wir uns und gingen nach einer Stunde gemeinsamer Arbeit und einem Erfolgserlebnis für Maggy, die nun fast durchgängig ansprechbar war, wieder zum Auto.
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