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Frischer Wind (2)

von CosimaRakas


„Sophie, würdest du mir bitte noch etwas nachschenken?“, fragte Vera mit einem säuselnden Ton.
„Bist du dir sicher?“ Um ihre Frage nach zu unterstreichen, schwenkte sie die fast leere Weinflasche vor Veras Gesicht. Statt zu antworten, nickte diese nur vehement.
„Kann es sein, dass du heute etwas Dampf ablassen möchtest?“, fragte ihre Nachbarin sie vorsichtig. Veras Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich das brauche“, sagte sie durch zusammengebissenen Zähne.
„Die letzten Tage waren schlicht eine Tortur. Diese Frau, mit der ich zusammen arbeiten muss bringt mich um den Verstand. Sie ist wie einer diese Lehrerinnen, denen man immer gewünscht hat die Treppe herunterzustürzen.“ Veras Nachbarin hob erstaunt die Augenbrauen.
„So viel Bösartigkeit hätte ich dir niemals zugetraut“, erwiderte sie überrascht. Vera schüttelte den Kopf so heftig, dass sie etwas von dem Wein verschüttete.
„Diese Frau ist bösartig. Nie ein Lächeln oder ein Verzeihen. Jede Idee von mir nimmt sie komplett auseinander. Sie kritisiert jeden Teil meiner Arbeit. In ihrer Gegenwart gefriert einem das Blut. Ich bin einfach die ganze Zeit so angespannt.“
Vera nahm zur Bestätigung einen weiteren Schluck aus ihrem Weinglas. Sophie legte aufmunternd ihre Hand auf ihren Rücken.
„Wie lange musst du denn noch mit ihr arbeiten?“, fragte sie.
„Das Projekt wird erst Ende des Jahres abgeschlossen und im nächsten Jahr gibt es noch ein, zwei Termine. Du siehst, ich werde sie so schnell nicht los“, seufzte Vera resignierend.
„Dann versuche doch mit ihr besser zurechtzukommen“, schlug Sophie vor.
„Das versuche ich immer wieder. Ich bin höflich, lächel und bin entgegenkommend. Aber nichts davon funktioniert.“
Sophie lehnte sie zurück und legte die Stirn in Falten.
„Bei eurer nächsten Teamsitzung setzt du dich direkt neben sie. Den meisten Menschen fällt es schwerer missgünstig zu sein, wenn man in direkter Nähe sitzt. Wie eng arbeitet ihr denn zusammen?“
„Sie ist meine Ansprechpartnerin in dem Unternehmen. Jede Frage meinerseits geht als Erstes an sie. Ich kann ihr also nicht aus dem Weg gehen.“
„Wenn es nicht besser wird bleibt dir nicht anderes übrig, als mit ihr zu sprechen. So wie du jetzt drauf bist, kann es so nicht weiter gehen.“
„Vielen Dank für den Rat. Berechnest du mir die Stunde, Frau Psychologin?“, fragte Vera lachend.
Sophie deutete auf die Weinflasche und dann auf Veras Gesicht.
„Nur wenn du ihm nichts folgst. Du kannst deinen Frust nicht jedes Wochenende in Alkohol ertränken.“
Vera schauderte bei dem Gedanken, eine solche Unterhaltung mit ihr zu führen. Aber sie würde diese Anspannung auch keine Monate mehr aushalten. Für diesen Tag müsste jedoch noch der Alkoholl herhalten.
„Wie sieht sie eigentlich aus, dein Drache?“, fragte Sophie neugierig. Vera kramte ihr Handy heraus.
„Auf der Firmenseite ist ein Bild von ihr.“ Als sie die Webseite gefunden hatte, hielt sie ihrer Freundin den Bildschirm hin. Sophie nahm das Handy lachend entgegen.
„Sie sieht etwas aus wie Fräulein Rottenmeier.“ Vera schmunzelte.
„Aber sie sieht attraktiver aus. Sie hat ein hübsches Gesicht und eine wirklich tollen Körper. Ich beneide sie.“ Sophie strich sich über den Bauch und machte eine Grimasse.
„Seit der Schwangerschaft sehe ich aus wie ein aufgegangener Hefeteig“, jammerte sie.
„Hör schon auf! Du siehst fantastisch aus und du solltest dich nicht mit ihr vergleichen. Wenn man wie sie kein Privatleben hat, kann man viel Zeit im Fitnessstudio verbringen. Mit ihr möchte sicher niemand sein Wochenende verbringen“, sagte Vera grimmig.
„Du bist heute wirklich bösartig“, sagte Sophie lachend und schlang die Arme um sie.
„Dein Privatleben könnte übrigens auch etwas frischen Wind bekommen. Du solltest deine Samstagabende nicht zu Hause verbringen, sondern tanzen gehen.“
„Und wer genießt dann mit dir deine Zeit. Du kommst ja doch nur raus, wenn dein Mann und die Kleine früh einschlafen“, neckte Vera ihre Freundin.

Am nächsten Montag machte sich Vera innerlich wieder für die Eiszeit bereit. Sie nahm sich vor ihren Feind mit Nähe und Freundlichkeit zu entwaffnen. Tatsächlich fühlte sie sich, als würde sie in den Krieg ziehen. Heute würde sie sich nicht unterkriegen lassen. Sollte diese Freiburg ruhig versuchen sie wieder auflaufen zu lassen. Heute würde sie es nicht schaffen.
Als sie im Besprechungsraum ankam erblickte sie sofort ihren brünetten Albtraum. Sie war die erste im Raum. Von den anderen Kollegen noch keine Spur. Vera nahm all ihren Mut zusammen. Frau Freiburg drehte sich kurz zu ihr um, als sie den Raum betrat. Nickte ihr zu und begrüßte sie knapp. Dann wandte sie sich wieder ihren Papieren zu. Vera stellte sich neben sie und beugte sich leicht zu ihr herunter. Sanft legte sie eine Hand auf ihren Rücken.
„Würde es sie stören, wenn ich mich zu ihnen setze?“
Vera hatte es nach dem ersten Termin gemieden in ihrer Nähe zu sitzen. Frau Freiburg blinzelte irritiert. Offenbar unfähig zu sprechen nickte sie nur wortlos und bedeutete ihr mit einer Handbewegung sich zu setzen. Als sie Platz nahm, kam ein blumiger Duft in ihre Nase. Süß, schwer und atemberaubend. Vera schloss die Augen und atmete langsam ein. Auch wenn sie diesen Drachen nicht ausstehen konnte, den guten Geschmack musste sie ihr lassen.
Langsam kamen auch die anderen Mitarbeiter zur Besprechung und nahmen nach einander Platz. Als Vera mit ihrem Vortrag begann, machte sie sich auf Unterbrechungen gefasst. Doch der Drache zu ihrer linken schwieg. Als sich ihre Blicke trafen, senkte Frau Freiburg ihren Blick schnell gen Tisch. Irritiert fuhr Vera fort. Sophies Taktik schien tatsächlich aufzugehen. Vera kostete ihren Triumph aus. In ihr keimte die Hoffnung, dass ihr Arbeitsalltag vielleicht etwas angenehmer werden würde.
Als der Termin sich zum Ende neigte, wandte sich einer der jüngeren Herren an sie.
„Frau Bergmann, was halten sie davon, wenn sie uns heute zur Mittagspause begleiten würden? Ein Einblick in unsere Unternehmenskultur ist bestimmt förderlich für die Zusammenarbeit.“ Vera hätte am liebsten gewürgt, bei dem anbiedernden Tonfall. Es war kaum zu überhören, dass es sich nicht um ein geschäftliches Anliegen handelte. Doch Vera wollte ihm nicht vor allen gegen den Kopf stoßen, also stimmte sie lächelnd zu. Frau Freiburg schien sie aus den Augenwinkeln zu beobachten und schüttelte leicht den Kopf. Veras Verehrer legte eine Hand auf ihren Rücken und schob sie mit leichten Druck Richtung Türe.
„Ich führe sie in unsere Cafeteria.“ Vera stutzte kurz als sie bemerkte, dass Frau Freiburg offenbar nicht dieselbe Richtung einschlug. Ein Impuls ließ Vera plötzlich stehen bleiben.
„Frau Freiburg, schließen sie sich uns nicht an?“ Schon als sie die Frage ausgesprochen hatte, bereute sie es. Fräulein Rottenmeier hob überraschte die Augenbrauen. Vera rechnete fest mit einem Nein, doch zu ihrer Überraschung antwortete sie mit einem Nicken. Auf ihrem Gesicht bildete sich ein Grinsen, dass jedoch keine Freude ausdrückte. Vermutlich genoss sie es einfach, ihrem Kollegen eins auszuwischen. Nach dem Gesichtsausdruck des jungen Mannes schien sie damit auch Erfolg zu haben.
„Sehr gerne“, antwortete sie trocken.
In der Cafeteria ertönte das Geräusch von klirrenden Geschirr und Stimmengewirr. Es erinnerte Vera an ihre Studienzeit. Gerne erinnerte sie sich an diese Zeit zurück.
Nachdem sie mit Tablettes und dampfenden Essen bestückt waren, suchten sie sich einen Platz am Fenster des Saales. Sie hatte sich den Namen ihres Begleiters nicht gemerkt versuchte sich daran zu erinnern. Dieser schien ihre Gedanken zu lesen.
„Sie können mich übrigens Matthias nennen. Ich finde so ein Arbeitsklima ist viel angenehmer, wenn man sich nicht mit lästigen Nachnamen herumplagt.“ Vera konnte an seinem Blick ablesen, dass er darauf wartete, dass sie ihm das Du anbot. Doch Vera ignorierte dies absichtlich.
„Dann können sie mich auch Vera nennen.“
Veras Blick wanderte zu Frau Freiburg, doch sie schien nicht einmal daran zu denken, sich in den intimen Austausch von Vornamen zu begeben. Sie stocherte stattdessen in ihrem Nudelauflauf herum.
„Wie sind sie eigentlich zu ihrer Arbeit gekommen?“, fragte Matthias interessiert.
„Ich konnte mich früher nicht entscheiden, ob ich Sozialpädagogik, oder BWL studieren sollte. Hatte mich dann aber doch für letztes entschieden. Die Arbeit als Projektmanagerin war dann schließlich die perfekte Mischung für mich. Nicht ganz so trocken, kreativ und doch analytisch.“ Wie oft hatte sie diese Antwort schon gegeben? Mittlerweile war dies ihr Standardsatz.
„Ich meinte eigentlich, wie sie zu diesem Konzeptthema gekommen sind. Es ist ja ein eher untypischer Weg.“ Vera runzelte die Stirn.
„Ich weiß ehrlich gesagt nicht was sie meinen“, entgegnete sie.
„Na dieses Konzept. Minderheiten fördern...“, weiter kam er jedoch nicht.
„Es geht dabei nicht um Minderheiten zu fördern, sondern um das Potenzial der Gesellschaft optimal zu nutzen“, unterbrach Vera ihn.
„Nehmen wir ihr Unternehmen. Ihr Frauenanteil ist unterirdisch, obwohl auf dem Arbeitsmarkt hoch qualifizierte Frauen verfügbar sind. Was glauben sie, woran das liegt?“, fragte Vera etwas zu scharf.
„Wenn in ihrer Stellenausschreibung unterschwellig nur nach Männern gesucht wird, dürfen sie sich nicht wundern, wenn Frauen sich nicht angesprochen fühlen. Oder das LSBTI Netzwerk. Wenn das Unternehmen ein offenes Klima schafft, in dem sich alle Mitarbeiter akzeptiert fühlen bringen diese auch bessere Leistungen. Es ist erwiesen, dass Mitarbeiter, die sich nicht outen, schlechtere Leistungen bringen und unzufriedener sind“, erklärte sie ruhig.
„Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es in unserem Unternehmen so viele gibt, dass ein Netzwerk sie lohnen würde“, entgegnete Matthias skeptisch.
„Wegen Kollegen wie ihnen wird es auch so bleiben“, schaltete sich plötzlich Frau Freiburg in das Gespräch ein. Sowohl Matthias, als auch Vera schauten sie überrascht an.
„Auch wenn ich selbst nicht von so einem Netzwerk halte, könnte es für sie doch durchaus von Vorteil sein. So können sie sich nicht mehr einreden es gäbe in einem seriösen Unternehmen keine Homosexuelle.“ Matthias und Vera blieb beiden der Mund offen stehen.
Matthias schien sich jedoch schnell wieder zu fassen.
„Ich rede mir nichts ein. Es ist eine Tatsache und ich bitte sie mich nicht so darzustellen“, antwortete Matthias scharf.
„Darf ich sie an einen ihrer Mandanten letztes Jahr erinnern? Fanden sie und Herr Bug es nicht furchtbar amüsant zu hören, dass er als „Schwuchtel“ zum CSD geht?“
Ihr Tonfall war dabei völlig emotionslos gewesen. Vera blickte nun Matthias an und legte den Kopf schräg.
„Mir fällt gerade eine weitere gute Idee ein. Wir sollten allen Mitarbeiter die Möglichkeit bieten an einer Fortbildung teilzunehmen, um Vorurteile abzuarbeiten“, entgegnete Vera übertrieben freundlich. Sie bemühte sich neutral zu klingen. Matthias schien diese Andeutung offenbar zu verstehen. Er entschuldigte sich und verschwand mit seinem Tablett. Vera konnte sich nun ein Lachen nicht mehr verkneifen. Gott, war sie erleichtert diesen Schleimbolzen los zu sein.
„Ich würde an ihrer Stelle nicht zu früh lachen. Das wird er nicht auf sich sitzen lassen.“
Vera ignorierte die Warnung und streckte ihrem Erzfeind die Hand entgegen.
„Dürfte ich nun ihren Vornamen erfahren, ich bin Vera“, stellte sie sich abermals vor. Frau Freiburg blickte auf ihre Hand, als würde sie eine Schlange vor sie haben, die jeden Moment zubiss. Dann blickte sie Vera direkt in die Augen. Nach einer Ewigkeit griff sie zögerlich nach ihrer Hand.
„Alexandra, angenehm.“



copyright © by CosimaRakas. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Kapitel 3 ist immer noch in der Freischaltung
CosimaRakas - 25.07.2019 15:11
...
FunkyBahia - 09.07.2019 21:45
Nächste Kapitel kommt bald
CosimaRakas - 20.06.2019 15:48
Ich
Felinemaus - 24.05.2019 13:25
Bitte schnell mehr
HopeFul10 - 15.05.2019 23:58

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