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Leuchtende Menschen (3)

von EimoH


Luzi betrat die Bar und war überrascht, Lola in einer Gruppe von Leuten am Tresen sitzen zu sehen. Einerseits war sie froh, sie gleich entdeckt zu haben, aber die Vorstellung, auf viele unbekannte Leute zu treffen, ließ sie andererseits kurz innehalten. Lola entdeckte sie und winkte. Als sie näherkam, erkannte sie einige der Gesichter in der Runde als Leute, die im Club SC arbeiteten. Hier trifft sich also der ‚inner circle‘ der Szene, dachte sie kurz sarkastisch und fühlte sich unbehaglich. Lola legte ihr eine Hand auf die Schulter, fragte sie, was sie trinken wolle und bestellte ihr dann das gewünschte Bier. Unsicher sah sich Luzi in der Gruppe um. Lola machte keine Anstalten, sie vorzustellen, sondern wandte sich ihr zu, als das Bier gereicht wurde. „Schön, dass du Zeit hast. Wie war dein Tag bisher?“ Luzi erzählte ein bisschen von ihrem bisherigen Wochenende, Lola kommentierte freudig und sie lächelten einander immerzu an. Es war einfach, sich mit Lola zu unterhalten und schön war es noch dazu. Aber diese seltsame Gruppenkonstellation schüchterte Luzi ein und machte das Kennenlernen ein wenig unbehaglich. Luzi merkte von Zeit zu Zeit, wie die Blicke der anderen auf ihr lagen und fühlte sich komisch dabei, den Moment verpasst zu haben, sich vorzustellen. Normalerweise war sie nicht schüchtern und konnte sich gut in unbekannten Gruppen zurechtfinden, auch wenn sie ruhig war. Es gibt einen Unterschied zwischen Schüchternheit und Introvertiertheit. Luzi musste in geselligen Runden nicht die Lauteste und Witzigste sein, aber nicht, weil sie sich nicht traute, sondern weil es nicht ihrem Wesen entsprach. Hier allerdings war sie schüchtern, weil die Anderen und diese Situation sie einschüchterten. Lola nahm einen Schluck Bier und lächelte ihr entgegen. „Ich mochte deinen Redebeitrag letztens auf der Demo. Hast du ihn geschrieben?“ Lolas Augen leuchteten auf und sie antwortete ein wenig lauter. „Ja, aber nicht allein. Lilli, Lydia, Franz und ich haben ihn zusammen geschrieben.“ Dabei deutete sie auf die verschiedenen Personen in der Runde, die augenblicklich ihre Aufmerksamkeit auf sie richteten. Das kam einer Vorstellung sehr nah, deswegen sagte Luzi mit einem Blick in die Runde. „Hi, ich bin Luzi.“ Einige nickten ihr zu, niemand stellte sich ihr vor und Luzi dachte bei sich, dass die Leute wohl zu cool waren, um freundlich zu sein. Trotzdem fühlte sich die Situation schon angenehmer an und sie beschloss, die Anderen soweit zu ignorieren, wie sie es mit ihr taten. „Luzi hat unser Redebeitrag von der Demo gefallen.“, setzte Lola hinzu, anscheinend an einer Gruppenunterhaltung interessiert. „Sicher? War es nicht zu pathetisch?“, fragte Lilli gleich kritisch. Lola widersprach ihr sofort und die beiden diskutierten ein wenig darüber. Dabei bemerkte Luzi den Blick, den die Frau ihr gegenüber auf sie gerichtet hatte. Er war ernst und etwas Unangenehmes lag darin. Luzi erwiderte ihn offen und konnte ihn nicht einordnen. Sie sahen sich an, bis es seltsam wurde, dann schaute die Frau weg, die Lola eben als Lydia vorgestellt hatte. Luzi beobachtete sie noch kurz. Lydia war groß, wahrscheinlich ein kleinwenig größer als sie selbst und sah grimmig aus mit Ihrem Sidecut. Sie richtete wieder ihren Blick auf Luzi und fragte laut: „Was hat dir genau gefallen?“ Alle Blicke richteten sich auf Luzi und sie fühlte sich plötzlich getestet. Sie brauchte zum Glück nicht überlegen, konnte Lydias Blick nun aber nicht mehr standhalten. „Ich mochte, dass ihr aufgezeigt habt, dass die Polizei eine Gefahr darstellt, dass es aber vor allem bestimmte Bevölkerungsgruppen sind, für die die Polizei besonders gefährlich ist.“ Jemand anderes aus der Gruppe griff ihre Worte gleich auf und eine Diskussion begann. „Typisch Kapitalismus, es braucht Gewalt, um das Klassenverhältnis aufrecht zu erhalten.“ „Wie meinst du das? Warum jetzt schon wieder Marx?“ „Man braucht nicht Marx dazu, um zu erkennen, dass die Polizei das Kapital beschützt. Wer sind diejenigen, die den Polizisten als ihren Freund und Helfer wahrnehmen? Die Leute, die Geld haben, schön arbeiten gehen, sich egoistisch und konkurrierend behandeln. Es wird immer argumentiert, ohne Polizei gäbe es keine Sicherheit, aber diese Sicherheit ist eine ganz bestimmte Gesellschaftsordnung und Eigentum, das geschützt wird. Sobald Leute kein Eigentum haben oder nicht in diese Gesellschaftsordnung mit ihren Sittlichkeitsregeln passen, sind sie nicht Bürger*innen, die beschützt werden müssen, sondern die Kriminellen, vor denen geschützt werden muss. Das kann man zum Beispiel gut bei Drogen erkennen, denn da geht es nicht um Gefahr durch zum Beispiel Vergiftung sondern um ein Klassenverhältnis. In jeder Bank werden mehr Drogen genommen als auf der Drogendealerwiese, aber die Polizei ist nur auf der Wiese vor Ort. Und dort, wo die Polizei ist, da ist natürlich die Kriminalität. Ich glaube nicht, dass das den Polizist*innen bewusst ist, aber durch ihr Handeln bestimmen sie, was und vor allem wer kriminell ist und diesen Strukturen entkommen selbst die Polizist*innen mit besten Absichten nicht.“ Luzi war beeindruckt von diesem Redeschwall und dem Funkeln in den Augen, aber die Anderen schienen das schon gewöhnt zu sein. „Boah, wer hat Franz zu Wort kommen lassen? Einmal ins Labern gekommen, hört sie nie wieder auf!“ Alle lachten, selbst Franz und für Luzi sahen alle plötzlich viel weniger einschüchternd aus. Luzi nahm sich vor, sich diese Argumente für Karla und Inaya und ihre ständigen Streitigkeiten um Polizist*innen zu merken. Lola wandte sich nun ihr wieder zu und grinste. „Tja, so sind wir, kein Entrinnen der politischen Kritik.“ Luzi fand, dass Lola das ein wenig eingebildet sagte, lächelte aber darüber und trank ihr Bier aus. „Hast du Lust, ein wenig spazieren zu gehen?“, fragte Lola dann charmant und Luzi nickte lächelnd.
Draußen war es mild und die Straßen wirkten lebendig aber entspannt. Sie hatten sich Bier zum Mitnehmen gekauft und schlenderten nun nebeneinander her. Lola erzählte von den Vorbereitungen zur Demo und, dass es deutschlandweit in vielen Städten welche gegeben hatte und sie sich vernetzt hatten. Lola schien auf eine bestimmte Weise sehr stolz darauf zu sein und Luzi fand, dass sie das auch sein konnte, auch wenn es Lola sehr wichtig zu sein schien, ihr das zu zeigen. Luzi erzählte von ihrem Studium und ihrer ehrenamtlichen Arbeit in der kleinen feministischen Bibliothek ‚Fembib‘ im besetzten Haus in der Innenstadt. Die Sonne würde jeden Moment untergehen und sie spazierten am Fluss entlang. Viele Menschen genossen den warmen Abend und saßen in kleinen Grüppchen zusammen und erzählten und lachten. Die Stimmung war unbeschwert und Luzi sah Lola immer wieder von der Seite an. Ihre dunkle Haut schimmerte im Abendlicht und ihre Mundwinkel waren immerzu zu einem frechen Lächeln gezogen. Luzi fand Lola unheimlich schön und ertappte sich gerade bei dem Gedanken, wie es wohl sein würde, sie zu küssen, als Lola plötzlich stehen blieb, ihre Hand ergriff und sie leicht in ihre Richtung zog. Lola war ein kleines Stück kleiner als Luzi und lächelte sie herausfordernd an. „Ich wohne hier um die Ecke. Hast du Lust, mit zu mir zu kommen?“ Luzi bemerkte ihren inneren Widerwillen, mit Lola nach Hause zu gehen. Sie wusste, in welche Richtung sich das entwickeln würde und es war nicht so, dass ihr die Vorstellung nicht gefiel. Aber es passte für sie gerade nicht in diesen Abend. „Ich würde lieber noch ein wenig spazieren gehen.“, sagte sie mit einem Zwinkern und sie sah, dass Lola verstand. Ohne eine Miene zu verziehen nickte Lola und verkündete, dass ihr das auch gut gefallen würde und dass sie gegen einen so schönen Frühsommerabend eben keine Chance hatte. Sie gingen weiter und Luzi fragte sich, was für sie gerade nicht gepasst hatte. Ihr fiel der Blick von Lydia vorhin in der Bar wieder ein und plötzlich verstand sie, warum er unangenehm gewesen war. In Lydias Blick hatte sie gesehen, wofür sie in der Gruppe gehalten wurde, für Lolas Eroberung des Abends. Sie hatte nichts gegen One-Night-Stands und auch nicht, wenn sich Beziehungen auch schnell körperlich entwickelten, aber das hier fühlte sich nicht ebenbürtig an. Luzi sah zu Lola hinüber und überlegte, ob es daran lag, dass Lola sich ihr gegenüber nicht so richtig zeigte, obwohl sie sich viel präsentierte. Auf diese Art der Nähe hatte sie gerade keine Lust. Sie hatte den Eindruck, Lola wollte mit ihr schlafen, um toll gefunden zu werden und nicht weil sie Luzi toll fand. Sie konnte es nicht genau benennen, es war nur so eine Stimmung zwischen ihnen. Vielleicht war das alles viel Spekulation, aber Luzi wollte auf ihr Gefühl hören und war froh über ihre Entscheidung. „Ich habe Lust, etwas Verrücktes zu tun.“ Lola sah sie interessiert an. „Und was?“ Luzi überlegte. „Vielleicht baden gehen. Oder endlich mal diese bescheuerten E-Roller ausprobieren. Oder irgendwo auf einen Baum klettern.“ Sie sah wieder zu Lola, ein bisschen unsicher, ob sie sich gerade blamierte. Lola hob die Augenbrauen. „Die E-Scooter sind richtig scheiße für die Umwelt und nerven höllisch. Außerdem sind sie voll teuer und man will sie echt nicht auch noch finanziell unterstützen.“ Dann grinste sie plötzlich. „Lass uns alle drei Dinge tun!“ Luzi staunte nicht schlecht und lachte laut auf. Lola griff wieder nach ihrer Hand und lief los. „Zuerst fahren wir mit diesen Rollern!“



copyright © by EimoH. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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