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Leuchtende Menschen (5)

von EimoH


Luzi bereute es schrecklich, wieder mit hergekommen zu sein. Die Stimmung, die vorhin schon unangenehm gewesen war, hatte sich eher noch verschlechtert. Sie saß am Rand der Gruppe von Menschen, von denen sie noch weniger Leute kannte und fühlte sich unsichtbar, dabei allerdings so schmerzlich sichtbar. Lola diskutierte mit Franz und einer Person, deren Namen Luzi nicht kannte, über irgendwelche Themen, die Luzi gar nicht mehr interessierten. An welchem Punkt war es passiert, dass Luzi nicht mehr eigenständig und unabhängig war? Auf dem Weg zur Bar hatten sie gelacht, einander geneckt und Komplimente gemacht und es hatte sich vertraut angefühlt. Und nun saß sie hier unter Leuten, die sie nicht kannte, und überlegte, ob sie gehen sollte und wie sie sich verabschieden konnte, ohne unhöflich zu wirken. Sie trank Bier, sagte sich, dass sie gehen würde, sobald die Flasche leer war, und wünschte sich ihre Freund*innen her. Die Flasche war noch fast voll und Luzi trank einen weiteren großen Schluck. Es war länger nicht mehr vorgekommen, dass sich sie auf diese unangenehme Weise in einer Gesellschaft allein gefühlt hatte. Plötzlich hörte sie ihren Namen und sah auf. Lola, Franz und die andere namenlose Person sahen sie an. „Luzi, du bist so still. Erzähl doch mal was! Eine Luzi-Lebensweisheit!“ Lola war betrunken und Luzi begann, diese Situation zu hassen. Das war der Satz gewesen, den stille Menschen am allerwenigsten mochten, und er war auch noch aus diesem süßen Mund gekommen, den sie noch vor einer Stunde so innig geküsst hatte. Schlimmer konnte es nicht mehr werden. Sie räusperte sich und merkte, dass sie selbst auch betrunken war. Wenigstens bemerkte sie es noch. „Ich habe letztens festgestellt, dass manche Menschen leuchten. Kennt ihr das? Manche Menschen leuchten bei dem, was sie tun. Vielleicht ist es ihre Stärke, vielleicht ihr Wille. Ich glaube, dass diese leuchtenden Menschen die Welt verändern können.“ Verdammt! Woher kam das denn jetzt? Wie konnte sie in einer sich so feindlich anfühlenden Umgebung so ungehemmt ehrlich sein? Sie war betrunkener, als sie gedacht hatte. Eigentlich hatte sie Anekdoten, die sie sich wohlweislich für solche bescheuerten Situationen bereitgelegt hatte, um sie zu erzählen, wenn sie aufgefordert wurde, auch mal etwas zu erzählen, obwohl das immer seltener vorkam. „Sie leuchten?“ Die Person ohne Namen prustete los und Lola fuhr sie an. „Nukas!“ Nukas war also ihr Name. Luzi mochte Nukas nicht. „Es gibt Menschen, die in ihrer Wut über Ungerechtigkeit alles zu geben bereit sind. Andere Menschen können weiterleben, diese Menschen nicht, ohne etwas dagegen zu tun.“ Luzi redete sich in Rage, peinlich berührt, um ihren Gedanken so zu formulieren, dass er verstanden werden konnte und Lola schaute sie auf diese seltsame Weise an. Sie hätte schweigen sollen und biss sich auf die Lippe. „Meinst du uns?“, fragte Franz und wirkte dabei leider auch verständnislos. „Sie meint leuchtende Zecken!“ Nukas lachte nun laut, stand aber zum Glück auf und verschwand Richtung Toiletten. „Ach egal.“, sagte Luzi tonlos und drehte sich weg von Lola und Franz und blickte direkt in Lydias ernstes Gesicht. Na toll. Das war in die Hose gegangen und es hatte auch noch Zeuginnen gegeben. „Hey Luzi, du kannst auch leuchten.“ Franz schien zu versuchen, das Gespräch zu retten und Luzi wandte sich zu ihr. Lola war verschwunden. „Am besten erzählst du es nicht weiter, aber es gibt den Plan, bald eine Protest-Aktion zu Polizei-Werbung zu machen.“ „Geht’s noch, Franz?!“ Plötzlich war Lydias Stimme direkt neben ihr und redete eindringlich auf Franz ein. „Versoffen in einer Bar herumposaunen, was wir vorhaben?“ Mit einem Seitenblick zu Luzi fügte sie ernst hinzu: „Nimm’s nicht persönlich.“ „Ja ja, schon gut. Reg dich ab.“ Franz errötete leicht und sagte dann an Luzi gerichtet: „Wenn du mir deine Mailadresse gibst, kann ich dir eine Einladungsmail zum Planungstreffen schicken, wenn du willst natürlich. Dann kann ich dir auch mehr sagen, worum es geht. Aber schhhhh!“ Sie legte den Zeigefinger auf die Lippen, um Luzi Schweigen zu signalisieren. Diese nickte und sagte dann betont lässig: „Ja, ich geb dir meine Mailadresse.“ Dann sah sie zu Lydia, die sie musterte. Sie fanden Zettel und Stift und Luzi schrieb die Mailadresse auf, die sie für verschlüsselte Mails eingerichtet hatte. Ihre Schrift war noch krakeliger als sonst. Danach wandte sich Franz einer anderen Gruppe von Leuten zu und schien Luzi lieber aus dem Weg gehen zu wollen. Dieser Abend entwickelte sich katastrophal. Zum Glück war ihr Bier bald leer. Sie sah sich ruhig um und suchte nach Lola, die immer noch nirgends zu sehen war. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf das Gespräch in der Gruppe neben ihr, in der Lydia gerade über die vergangene Demo sprach, und Nukas gesellte sich leicht schwankend dazu. Plötzlich fiel das Gespräch auf Lola und Lydia sah kurz zu Luzi, die ihren Blick im Augenwinkel bemerkte und ihn erwiderte. „Ach stimmt, wir haben hier ja die neueste Flamme von Lola.“, rief Nukas plötzlich und wandte sich Luzi zu. Luzi sah sie überrascht an. „Sag mal, was ich mich eben auf’m Klo gefragt habe: Ist es dunkler im Dunkeln oder in derselben Dunkelheit im Schatten eines leuchtenden Lichts zu stehen? Du musst es ja wissen.“ Es dauerte nur einen kurzen Moment, bis Luzi begriff, dass Nukas‘ Worte das Fass zum Überlaufen gebracht hatten. Sie hörte, wie Lydia Nukas anfuhr, warum sie sich so scheiße verhielt, aber sah sich nicht mehr um. Das war nun endgültig der Moment, um nach Hause zu gehen. Sie griff nach ihrer Tasche und verließ die Bar. Wenn sie ehrlich zu sich war, war der Moment zum Gehen bereits am See gewesen und sie ärgerte sich über sich selbst.



copyright © by EimoH. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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