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Leuchtende Menschen (14)

von EimoH


Luzi wünschte, sie könnte ihre Worte ungesagt machen, aber eigentlich waren es weniger ihre Worte gewesen, die Lydia verletzt hatten, sondern vielmehr die Gedanken, die sie veranlasst hatten, so etwas zu sagen. Das schockierte Luzi umso mehr, denn es war kein Versprecher, kein Missverständnis gewesen. Sie hatte es doch so gemeint, oder? Sie ging schnellen Schrittes zurück in die Bar zu ihren Freund*innen. "Was ist los? Ist was passiert?" "Wir haben Lydia eben hereinkommen sehen und sie sah nicht so glücklich aus." Luzi setzte sich benommen, ihr Hochgefühl des Abends hatte sich ins Gegenteil verkehrt und sie fühlte sich elend. "Inaya, was für einen Eindruck hattest du anfangs von Lydia?" Alle sahen sie verwirrt an und Inaya blinzelte verblüfft. "Wovon redest du?" "Inaya, bitte." Inaya riss sich zusammen. "Ich fand sie nett. Sie hat eine freundliche Art, ein sehr nettes Lächeln, wirkt super souverän aber dabei achtsam und integrativ, keine Ahnung, was willst du hören?" Luzis Befürchtung hatte sich bestätigt und sie legte eine Hand an die Stirn und fluchte: "Kacke!" "Ich steh jetzt nicht auf sie oder so!", begann Inaya sich zu rechtfertigen, sichtlich überfordert mit der Situation. "Darum geht es nicht.", seufzte Luzi und spürte, dass Tränen in ihr aufstiegen und dafür sorgten, dass ihre Stimme leicht zitterte. "Ich habe es verkackt." "Wie solltest du es so schnell verkackt haben können?", fragte Karla ruhig und Luk fügte hinzu: "Ganz ruhig und von vorn, was ist passiert?" "Ich habe ihr gesagt, dass sie abweisend ist.“, begann Luzi mit zittriger Stimme. Sie sah zu Lydia hinüber, die mit dem Rücken ihr zugewandt saß. „Und das Problem ist, ich dachte das wirklich. Ich dachte, sie hätte mir anfangs abschätzige Blicke zugeworfen und wäre, ich weiß nicht, gemein zu mir gewesen, solange sie mich nicht kannte und solange ich mich nicht vor ihr bewiesen hatte. Aber es war offensichtlich nicht so und ich bin anscheinend total ignorant und gemein, so von ihr zu denken." Karla hielt Luzi eine Limo entgegen und sie trank einen Schluck. „Das hast du ihr plötzlich einfach so gesagt?“ „Ja, ich dachte nicht, dass ich so falsch liege und wollte ehrlich sein.“ „Und dann ist sie gegangen?“ „Sie hat sehr aufrichtig gesagt, dass sie bestürzt ist, dass ich so von ihr denke. Und dass sie sich selbst darin nicht wiedererkennen kann. Und es ist auch seltsam, wenn dir jemand sagt, ich finde dich toll, aber ich halte dich für ein Arschloch.“ „Aber Luzi, du bist wirklich nicht ignorant und gemein.“, sagte Luk ernst und Luzi konterte aufgebracht: „Ich habe sie für geringschätzig und fies gehalten, während sie versucht hat, freundlich und süß zu mir zu sein.“ Im Hintergrund trällerte jemand einen Schlager-Hit und die Situation fühlte sich absurd an. „Hältst du sie wirklich für ein Arschloch?“, fragte Luk und sah sie ernst an. Luzi schluckte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Nein, das ist es ja. Ich finde sie toll.“ Karla betrachtete Luzi nachdenklich und sagte dann: „Es ist schon komisch, dass du jemanden toll findest, von der du den Eindruck hast, sie wäre gemein zu dir.“ Auch Luzi fand das komisch und fühlte in sich hinein. „Ich...“ Sie brach ab und überlegte nochmal. „Es ist nicht so, dass ich es ihr übel genommen habe.“ „Du nimmst es jemandem nicht übel, wenn sie anfangs abweisend zu dir ist und dich erst achtet, wenn du dich bewiesen hast?“, hakte Inaya alarmiert nach. „Irgendwie ist es ja auch nachvollziehbar. Ich bin nicht so stark wie…, keine Ahnung, Leute, die protestieren. Ich bin nicht so politisch, zum Beispiel wie du, Inaya. Ich wäre es gern, aber ich bin irgendwie nur lesbisch.“ „Lesbisch-Sein ist ein Politikum, Luzi! Outings und all die alltäglichen Auseinandersetzungen um Anerkennung sind politische Kämpfe im Kleinen. Das erfordert echt viel Stärke.“, hielt Inaya gleich dagegen. Luzi nickte resigniert und Luk sagte schließlich: „Auf mich wirkt es gerade, als wärst vor allem unsicher mit dir selbst gewesen." "Und manchmal denkst du leider selbst ziemlich kritisch von dir.", setzte Inaya mit besorgter Miene hinzu. "Vielleicht hat deine Unsicherheit dich dazu gebracht, etwas zu sehen, das du eher erwartet hast, als das, was wirklich da war." Luk lächelte nun behutsam und sie schwiegen einen Moment. "Du meinst, meine Einschätzung von Lydia war falsch, aber nicht aufgrund der Meinung, die ich über sie hatte, sondern wegen der, die ich von mir selbst hab‘?" Inaya nickte leicht und Luk zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, vielleicht.“ Luzi trank noch einen Schluck von Karlas Limo. "Na toll.", stieß sie müde hervor. "Ich finde auch, du könntest manchmal eine bessere Meinung von dir haben. Sei ruhig selbstbewusst, denn du bist verdammt cool!", sagte Inaya liebevoll und Karla setzte hinzu: "Und das ganz objektiv." Luzi versuchte zu lächeln, aber es gelang nur ein müder Versuch. "Hey, das ist nichts, das ihr nicht klären könnt.", betonte Karla. "Ihr müsst darüber reden. Ich glaube, wenn du es ihr erklärst, wird sie es verstehen." Die anderen stimmten zu und Luzi überlegte kurz und sagte dann: "Ihr habt recht. Ich sollte jetzt besser mit ihr reden und es erklären." Inaya sah sie nun betreten an. "Das wird wohl nichts. Ich glaube, sie ist eben gegangen." Luzi sah sich bestürzt um. "Vielleicht kann ich sie noch einholen!", rief sie. Sie schnappte ihre Gürteltasche und stürzte zur Tür, während die Anderen ihr „Viel Glück!“ zuriefen. Vor der Tür sah sie sich suchend um, entdeckte aber nirgends Lydia. Sie entschied sich für die Richtung der Straßenbahnhaltestelle, lief los und zog ihr Handy hervor. Sie suchte Lydia in ihren Kontakten und schon als sie Lydias Namen las, begann ihr Herz zu klopfen. Sie wählte ihre Nummer. Erleichtert hörte sie das Freizeichen und hoffe, Lydia würde abnehmen. Das tat sie nicht. Sie versuchte es erneut. Sie erreichte die Haltestelle, aber auch hier konnte sie Lydia nicht entdecken. Dann ging Lydia plötzlich ans Telefon. "Hey, was ist los?" "Hey Lydia, ich wollte dir folgen, aber ich war nicht schnell genug. Wo bist du?" "Ich bin schon in der Straßenbahn und auch gleich zuhause." Luzi ließ die Schultern sinken und sagte nun leise: "Ich hatte gehofft, dass wir nochmal reden können." Am anderen Ende der Leitung herrschte kurz Stille, dann hörte sie Lydia leise antworten: "Was möchtest du denn sagen?" Luzi stand ein wenig überfordert an der Haltestelle und fuhr sich nervös durch's Haar. "Ich wollte mich entschuldigen." Am anderen Ende herrschte wieder Stille und Lydia schien abzuwarten. "Es tut mir leid, was ich gesagt habe. Und vor allem, dass ich dich so falsch eingeschätzt habe. Eigentlich war mir das schon aufgefallen, aber anscheinend fiel es mir schwer, zu glauben, dass du mich wirklich mögen könntest.“ Sie dachte daran, was Luk gesagt hatte und fügte hinzu: „Ich schätze, manchmal bin ich nicht sehr selbstbewusst und in Sorge abgewiesen zu werden, scheine ich dann nicht zuzulassen, dass jemand mich mag. Und zu allem Überfluss bin ich dann auch noch verletzend. Aber ich finde dich toll, Lydia, wirklich richtig toll, das kannst du mir glauben.“ Sie wartete ab, was Lydia antworten würde. „Ok.“, sagte sie und: „Danke Luzi.“ Lydia hörte sie tief ausatmen und dann sprach Lydia mit verletzlicher Stimme. „Es tut mir leid, dass ich so theatralisch gegangen bin.“ „Nein, vollkommen verständlich. Mir tut es leid, echt.“, beeilte sich Luzi zu sagen. „Es ist nur so, dass Leute denken, ich wäre super taff in Situationen, in denen ich ganz genauso unsicher bin wie alle. Manchmal ist das hilfreich, keine Frage. Aber manchmal fühl ich mich nicht gesehen, weißt du, was ich meine?“ Luzi nickte und erinnerte sich dann, dass Lydia sie nicht sehen konnte und sagte: „Ich glaube, ich kann es mir vorstellen.“ Lydia seufzte. „Wenn alle eine für so stark halten, ist es manchmal schwer, Schwäche zu zeigen oder um Hilfe zu bitten. Und gerade von dir hatte ich mir wahrscheinlich gewünscht, dass du mich siehst, wie ich mich sehe. Kein unbedingt leichter Wunsch, ich weiß.“ Luzi tat leid, dass sie Lydia in gewisser Weise enttäuscht hatte, sah aber nun auch, dass sie sich beide in dieses Missverständnis manövriert hatten mit ihren Selbstunsicherheiten. Sie schwiegen einen Moment und schließlich musste Luzi einfach fragen, was sie bedrückte. „Hast du immer noch Lust auf ein Date mit mir?“ Sie hörte Lydia wieder leise lachen und war unheimlich froh darüber. „Ja, sehr gern sogar.“ Nun musste sie auch erleichtert lächeln. „Ich schau nachher mal in meinen Kalender, wann ich Zeit habe, und schicke dir eine Nachricht, ok?“, sagte Lydia schließlich. Luzi stimmte zu und als sie sich verabschiedet hatten, entschied sie nach Hause zu fahren und schrieb den Anderen eine Nachricht. Die Lust auf Karaoke war ihr vergangen und ein bisschen Ruhe würde ihr gut tun. Über das, was heute Abend passiert war, musste sie noch nachdenken. Vielleicht würde sie sich ein Schaumbad einlassen und sich einen schönen Tee machen.



copyright © by EimoH. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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