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Steine (Lebenseindrücke6)

von Jenny_M


Hier also ein Text aus "Lebenseindrücke" der mir besonders gefällt... viel Gedankenwirrwarr <3
Viel Spaß also ;)
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Alles in ihr werte sich, als sie das markante zischen der Bierdeckel um sie herum wahrnahm.
Es brodelte in ihr, unaufhaltsam wie Messerstiche in ihrer Brust. Niemals, niemals würde sie nachgeben. Nicht ein letztes Mal. Nicht schon wieder.
„Geht’s dir gut?“
„Ja“ antwortete sie, auch wenn sie nicht wusste woher die Frage kam. Es ging ihr überhaut nicht gut, sie war hier falsch. Sie hatte Nichts in dieser Gesellschaft zu suchen. Aber wo hätte sie sonst hingehen sollen?
Alles war irgendwie mit irgendwas verknüpft wie ein endloser Gesellschaftsrausch in dem sie von einer Gruppe zur nächsten schlenderte. Bei den einen gab es Alkohol bei den anderen Gras und nun saß sie zwischen beidem im vernebeltem Zimmer zwischen scheinbar großen Gestalten. Sie kam sich klein vor. Übersehen. Früher war sie sehr gesprächig gewesen. Diese Laune war verdrängt worden von diesem Messerstechen in ihrem Bauch. Sicher hätte sie sich wo anders auch nicht besser gefühlt.
Sie saß stocksteif auf der Couch, den Blick auf die Tanzfläche gerichtet. Tanzen wollte sie irgendwie schon. So richtig tanzen. So lange tanzen bis ihr die Füße weh taten. Tanzen, im Rhythmus ihrer inneren Aufruhe, bis zur völligen Erschöpfung und dann einfach leer und ausgelaugt irgendwo hinfallen und leben.
Es war irgendwie kalt im Raum, wie sie so da sitze und frierte. Sie war ja froh, dass sie es bewusst wahrnehmen konnte, im Gegensatz zu den anderen. Es zog nur die Tatsache mit sich, dass es niemanden interessierte ob es kalt oder warm war, ob das Fenster offen oder geschlossen war. Im Sommer interessiert es keinen. Da ist es immer warm. Besonders wenn man im Rausch durch die Nacht tanzt.
Ätzend. Sie wollte nicht hier sein. In ihrem Zimmer wäre sie gern gewesen. Bei ihrem Computer oder ihrem Buch, das sie immer noch nicht zu Ende gelesen hatte. Einfach allein.
Ohne harmlose Partydrogen. Du musst da nichts trinken oder mitrauchen, sagten sie.
Schwachsinn. Vollkommener Blödsinn sie war doch schon immer so anfällig gewesen und dass sie nach dieser ewigen Abstinenz zu dem heruntergekommenen Gefühl der geistigen Alkoholsucht nicht nein sagen konnte und es auch nicht wollte war doch irgendwie … klar?
Nein, sie wollte es einfach nicht. Sie wollte nicht widerstehen. Und es war zum Heulen wie sehr sie sich zwingen musste.
Nach all diesen Jahren hatte sie nur eins gelernt.
Dass man nie wieder wirklich aufhören kann süchtig zu sein wenn man es erst einmal war.
Das Ergebnis gefiel ihr nicht. Es war nur wieder eine dieser Thesen mit der sie sich die Zeit vertrieb und die ihr eigentlich genau das vorhielten was sie nicht hören wollte. Die Realität, mit all den grausamen Fakten und Lügen in ihrem Leben. Zwischen diesen Sachen hatte sie sich vergraben.
Und sie wollte unter dieser Last leiden. Sie wollte nicht aufhören an etwas Besseres zu glauben, daran, dass sie etwas Besseres bekam während sie nur weiter in ihrem verkorksten Leben die leidende spielte. Selbstmitleid war etwas Schlimmes.
Trotz ihrer Verbitterung und diesem Zwang bewusstseinserweiternde Partydrogen zu sich zu nehmen erhob sie sich von ihrem Platz am Fenster. Sie hatte keine Lust mehr wirre Gedanken in ihrem Kopf zu haben und den anderen beim Tanzen zu zugucken. Mit einem einfachen „tschau“ verabschiedete sie sich von der Gesellschaft. Sie schaute auch nicht zurück um zu sehen ob ihr vielleicht jemand zum Abschied winkte.
Sie wollte einfach in ihr Zimmer. In ihr Reich, in dem sie kein Bier zu sehen brauchte. Dort, wo sie träumen konnte von all dem Guten Dingen in der Welt. Mit jedem Schritt den sie durch die kühle Nachtluft lief wurde ihr mehr und mehr klar, dass die Welt außerhalb zu hart für sie war. Und wieder beschlich sie dieser Gedanke, dass es niemals besser werden würde und dass sie lernen musste damit klar zu kommen.
Wirkliche Freiheit hatte sie selten erlebt. In diesen Momenten in denen sie gar nicht nachdachte.
Diesen Drogenzustand ohne Drogen.
Sie brauchte Urlaub.
Weit weg von all den Alltagssachen und den Partydrogen. Um einfach wieder zu vergessen wie es ist sich zwingen zu müssen.
Natürlich war das nur wieder eine Ausrede. Überhaupt keine Lösung und doch, wusste sie nicht weiter. Es gab nichts Besseres…

Während sie lief beobachtete sie einzig und allein die Steine unter ihren Schuhen die mit den Augenblicken verschwanden und durch neue ersetz wurden. Keiner dieser Steine glich dem anderen aufs Genaueste. Eigentlich hatten sie nicht mal viel gemeinsam, diese Steine. Grau waren sie und viereckig. Und sie lagen alle ordentlich nebeneinander und jeden Tag trampelten Menschen mit ihren Markenschuhen drauf rum. Kein besonders schönes Leben für so einen Stein.
Mal ganz davon abgesehen, dass Steine keine Organismen sind und es ihnen nicht einmal egal sein kann dass man täglich auf ihnen rumtrampelt.
Wie gern würde sie einfach ein Stein sein. Ein Stein unter vielen anderen. Ordentlich nebeneinander, sie hätte nur eine Funktion in dieser Welt. Eine ganz simple und doch bedeutende. Was würden die Menschen denn ohne Steine machen?
Was würde die Welt ohne sie machen?
Das war kein Suizid Gedanke. Sowas mochte sie nicht. Eigentlich wollte sie doch leben. Eigentlich wollte sie doch was erreichen!
Im Gegensatz zu diesen Steinen hatte sie die Gelegenheit mehrere Funktionen zu haben. Sie musste doch zu etwas nützlich sein. Sie war doch nicht nur auf der Welt um in ihr kaputt zu gehen. Noch war nicht alles verloren, sie hatte sich und ihr Leben und eine Chance.
Sie hatte den Feldweg erreicht. Langsam aber bestimmt setzte sie einen Fuß auf den plattgetretenen Sand und schaute zurück auf die Hauptstraße und die Steine lächelten ihr entgegen.




copyright © by Jenny_M. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


:)
schön.
Kahve - 05.08.2009 00:52

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