von Loewenzahn159
„Hallo Lena. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich war auf dem Weg und auch schon fast da, aber mein Gefühl hat mir einfach gesagt, dass es nicht passt und ich wieder Heim gehen sollte. Mein Kind ist mir das Wichtigste, versteh das nicht falsch, aber ich will mein persönliches Glück nicht auf Kosten meines Kindes durchsetzen. Ich selbst verursache genug Drama. Ich kann das einfach nicht.“
Ich lese die Zeilen fassungslos wieder und wieder. Ich bemerke, wie sich meine Augen langsam mit Tränen füllen, überquellen und ich mit überströmtem Gesicht da sitze. Ich weiß nicht, wie lange ich dort so sitze und mir wieder und wieder die Zeilen durchlese. Ich verfluche mich und meine Angst tausende Male auch wenn ich weiß, dass es an meiner Situation nichts ändern wird. „Wie konnte ich es nur wieder so weit kommen lassen?“, frage ich mich. Erst hallt die Frage nur lautlos in meinem Kopf, doch mein Zorn treibt die Worte nach draußen, erst leise und verzweifelt, dann lauter und schließlich schreie ich die Worte in meine leere Wohnung. Ich sinke auf dem Boden zusammen. „Genau, Drama…. Das bin ich wirklich!“, denke ich bei mir und möchte einfach nur, dass mich der Boden verschluckt. „Wie kann diese Frau das nur in mir auslösen? Wir kennen uns kaum und doch bin ich ihr so nah…“ In einem Anfall grenzenlosen Selbstmitleids schnappe ich meine Tasche und stürme nach draußen, ich brauche frische Luft. Die Kälte des Morgens umfängt mich, der Wind bläst mir ins Gesicht und ich fange an zu frösteln. „Da hilft nur Schokolade“, denke ich mir und mache mich auf den Weg zu meiner Lieblingsbäckerei. Ich ignoriere die Menschen und Geräusche um mich herum und laufe blind vor Wut durch die Straßen. Vorbei an Geschäften, die ich nicht kenne oder in letzter Zeit einfach nicht bemerkt habe. „Was ist nur mit mir los? Das bin ich doch nicht…“. Meine Schritte werden langsamer, mein Blick klarer. Ich schaue mich um und finde mich vor einem Ständer mit Ansichtskarten wieder. „Ohhhh“, entfährt es mir. Ich liebe diese bunten Karten mit mehr oder weniger sinnigen Sprüchen. Wahllos greife ich eine der Karten heraus. Wie vom Donner gerührt lese ich den Text. Ich kaufe die Karte und mache mich auf den Weg nach Hause. Vergessen ist die Schokolade… Ein größerer Umweg, ich habe einen Plan gefasst und möchte sofort mit der Umsetzung loslegen. Ich fahre den Computer hoch und mache mich sofort ans Werk. 2 Stunden später begutachte ich zufrieden das Ergebnis und drucke die Flyer aus. Und dann mache ich mich auf den Weg. Ein unerklärliches Hochgefühl macht sich in mir breit. Eine Wärme, die ich schon lange nicht mehr spürte. Während ich anfange, die ersten Plakate aufzuhängen, wird mir klar, woran das liegt. Ich habe mich zu sehr gehen lassen und mich der Willkür anderer ausgesetzt. Bei dieser Aktion habe ich endlich wieder das Gefühl, selbst die Zügel in die Hand zu nehmen und das tut gut. Deshalb mache ich mich auch allein auf den Weg durch die Stadt. An allen möglichen und unmöglichen Stellen hänge ich die Bilder auf. Vor allem rund um „unseren“ Park. Dann mache ich mich auf den Heimweg. Glücklich und beschwingt, obwohl ich jetzt nichts mehr machen kann, außer warten. Ich überlege, ob ich schon jemals so eine Aktion gestartet habe… nein. Ich hoffe, dass es sich lohnt. Einen letzten Flyer hab ich mir aufgehoben. Ich betrachte ihn und versinke in meinen Gedanken. Ich habe ein Foto von unserem Platz am Weiher gemacht und daneben den Spruch der Karte geschrieben
„Am Ende ist alles gut.
Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende!
Tatjana, gib mir noch eine Chance! Zu unserer Zeit an unserem Brunnen!“
Ich werde nervös bei dem Gedanken an sie. Ob sie meinem Aufruf folgt? Wenn andere meinem Aufruf folgen… Daran hatte ich bisher gar nicht gedacht… Ich ermahne mich, nicht in Panik zu verfallen und versuche meine Ruhe im Schlaf zu finden. Daran ist natürlich nicht zu denken und so sehe ich am nächsten Tag ziemlich mitgenommen aus. Trotzdem mache ich mich rechtzeitig fertig und komme schließlich ganz nervös am Brunnen an. Nur vereinzelt sind ein paar Spaziergänger unterwegs und ich blicke mich suchend um. Ich sehe Tatjana nicht. Ich versuche die Enttäuschung zu unterdrücken und ruhig zu bleiben. Ich bin ja zu früh da. „Keine Panik!“, rede ich mir Mut zu. Dann spüre ich eine Hand auf meiner Schulter und ohne dass ich mich umdrehen muss weiß ich zu wem sie gehört. „Du verrückte Nudel“, flüstert mir Tatjana ins Ohr, während ich mich zu ihr umdrehe. „So was hat noch nie jemand für mich getan.“ Der Satz bleibt in der Luft hängen. Ich ziehe sie an mich und blicke in ihre strahlenden Augen, kann mein Glück nicht fassen, dass sie tatsächlich gekommen ist und lächle sie glücklich an. Sie möchte sich aus der Umarmung lösen, doch ich lasse sie nicht los, ziehe sie im Gegenteil noch fester an mich. Sanft streiche ich ihr mit meinen Fingern über die Wange und lasse meine Hand in ihrem Nacken ruhen, ziehe sie an mich und küsse ihre weichen Lippen. Wie bei unserem ersten Kuss, bekomme ich weiche Knie und Schmetterlinge im Bauch.
Als wir uns voneinander lösen, möchte ich alle meine Gedanken mit ihr teilen und fasse all meinen Mut zusammen um ihr mein Herz auszuschütten:
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Loewenzahn159. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.