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Unsterblichkeit- die Dichte des Herzens

von mcmurphys


Unsterblichkeit. Sagt es mir – ist sie erstrebenswert, ein Segen?
Oder der sprichwörtliche Fluch?
Ich will es Euch sagen- sie ist sowohl als auch. Sie ist Sehnsucht, Freude, Euphorie, Langeweile, Monotonie, Folter… herzbrechend. Und doch ist sie es wert, gelebt zu werden.
„Ja,ja, das kann man leicht sagen“, denkt Ihr. „Wer kann das schon wirklich beurteilen“ Wieviel Unsterblichkeit sind 1139 gelebte Jahre in diesem Universum?
Ich habe Kriege gefochten, Kinder gezeugt, Geliebte sterben sehen. Mein Körper, sandgestrahlt durch die Jahrhunderte physischer Einflüsse , beherbergt einen Geist, geschliffen in tausendfachen Facetten, die das Wissen von Generationen wiederspiegeln. Meine Seeel- ja, sie existiert noch immer – eingepackt in einen Schutzschild aus Distanziertheit und Gefühlsfreiheit.
Nur so kannst Du das Leben leben . Mein Leben. Ohne zu zerschellen. Nur so ist Unsterblichkeit ertragbar.
Aber ich will nicht jammern, wer kann schon von sich behaupten, auserwählt zu sein. Eine der ZEHN? Wir wissen nur, dass wir existieren, gezeugt von den unbekannten Samenspendern des Universums. Immer wieder einmal kreuzen sich unserer Wege, spüren wir die Nähe der Anderen. Es ist wie ein Sog, eine magnetische Anziehung, eine ganz eigene Gravitation der Unfassbarkeit. Ähnlich der Umlaufbahn zweier Wandelsterne, die sich aufeinander zu bewegen sich aber niemals wirklich treffen. Heute spüre ich das ziehen an meinen Synapsen ganz deutlich.
Noch immer bin ich hier stationiert, die Kuppel des Habitats, die vollkommen überflüssige Notwendigkeit des Raumanzugs bei Einsätzen auf der Oberfläche, den ich tragen muss um nicht herauszustechen aus dem uniformen Ameisenhaufen der Kolonie 1.
Der Rote Planet, unwirtlich für alle Sauerstoffatmer, und doch okkupiert von der Menschheit, den Parasiten des Universums.

Das Terraforming zeigt erste Ergebnisse und meine Aufgabe hier ist fast erfüllt. Umso überraschter bin ich über dieses Vorahnung eines nahenden Kontaktes.
Doch ich verliere mich in Gedanken, eine schlechte Angewohnheit, die sich bei mir über die Jahre eingeschlichen hat.
Der künstlich geschaffene Tag geht seinem Ende zu und auch ich muss meinem Körper den Tribut des Lebens zollen. Nahrung. Ich mache mich auf, meine Schritte führen mich ganz instinktiv durch das Labyrinth der schwach beleuchteten, kalten Verbindungstunnel zur offiziellen Futterkrippe von Kolonie 1, wo mich Kaylo schon ungeduldig erwartet. Den Blick demonstrativ auf das Zeithologramm im Zentrum des Casinos gerichtet.
„Verdammt, Nick, wie alt musst Du eigentlich werden um endlich EINMAL pünktlich zu sein!? Oder ist es Dir einfach scheiß egal? Fucking hell, wenn Du nicht das einzig vernunftbegabte Wesen auf diesem beschissenen Haufen Schutt wärst, könntest du mich mal , aber sowas von!“ , schnauzt sie mich schon von Weitem an.
Ach ja, Kaylo.
Erwähnte ich bereits, dass ich sie liebe?
Für Ihre beißend scharfe Zunge, ihre unverbrüchliche Loyalität und ihren überragenden Intellekt, den sie nur Eingeweihten offenbart. Für den Rest ist sie einfach nur FKay , fucking kaylo, benannt nach ihrer nicht überhörbaren Präferenz dieses Begriffes.
Für mich jedoch ist sie das einzige Licht, dass meine Tage tiefschwarzer Einsamkeit erhellt.
„Komm schon, K. , sei nett zu Deiner Lieblings- Terraformerin“, mein Tonfall ist zuckersüss einschmeichelnd. „Sagtest Du nicht vor kurzem, wie hoffnungslos überbewertet die Zeit wird, von diesen kleingeistigen Spießern, die Terra 1 auf dem Mars entsorgt hat?“
Kaylo verdreht die Augen und nörgelt:“ Blablaa , blablaa! "
Ihre meerblauen Augen im Zusammenspiel mit dem schreiend erdbeerroten, raspelkurzen Haar bilden einen durchaus reizvollen Kontrast zu ihrem harten , spitzen Gesicht. Die mangelnde Grösse kompensiert sie mit farbenfrohen , martialischen Tattoos, die ihren drahtigen Körper bedecken.
Sie war eine Schönheit der ganz besonderen Art.
„Niiiiick? Halloooooo“ drang Ihre Stimme nervtötend laut an mein Ohr.
„Hör auf mich anzuhimmeln und lass uns was von dieser Pampe holen , die sie hier als Essen bezeichnen," knurrt sie, „mal schauen was es heut gibt, hmm? Lass mich raten: fake Braten mit fake Kartoffelbrei und grünem Zelluloseschleim. Bah, kotz!“ Aber selbst der willkommene Anblick von echtem Sojakäse mit „fast“ echten Spagghetti kann den murrischen Ausdruck nicht von ihrem Gesicht zaubern.
„Sie haben mich abgeordert nach Terra 2 , diese verfluchten Flachwichser!“, stößt sie hervor während sie sich setzt. Ein unerwartetes Gefühl sendet sein Echo durch meinen Körper.“In der nächsten Dekade geht’s schon los!“ flucht sie mit kaum unterduckter Wut.
„In einer Dekade? Das ist…“mir stockt die Stimme. "Das ist – hmm“ räuspere ich mich. Herrgott Nick, wo bleibt deine Stimme, deine Contenance?
„ Eine verdammte Scheisse ist das, fuck, ich könnte schreien!“, ergänzt Kaylo mein Gestottere.
Gut. Ich habe mich geirrt.
Wenn du nur lange genung lebst , ist jede Situation schon einmal gelebt, jedes Gefühl gespürt, jeder Schmerz durchlitten. Es war die 1139-jährige Erfahrung, die mich mit annähernd telepathischem Gespür beschenkt hat. Oder verflucht.
„Das ist nicht möglich, Kay, Du hast noch mindesten 18 Dekaken bevor du versetzt wirst!“ Ich spüre wie das Blut meines Körpers sich in meiner Brust sammelt.
Kaylo sieht mich an:“Doch Nicki, und ich kann nichts tun. Sie haben mich am Arsch. In 2 tagen kommt meine Ablöse und dann heisst es – hasta la vista baby!“ Ihr Blick straft ihren lässigen Worte lügen. „Du wirst mir so fehlen , Nick“
Ich weiss nichts zu erwidern, nicht wie ich zurechtkommen soll mit diesem so lange nicht gefühlten Schmerz. Wer hätte gedacht, dass…nein Nick, sei ehrlich.
Du weisst es. Dachtest du ernsthaft, du könntest das unausweichliche Verdrängen?

Unsterblichkeit!!
Ihr Mütter, wie sehr hasse ich sie in diesem Moment. Was Würde ich genben für die Chance, jetzt mit Ihr fortgehen zu können, mit ihr zu Leben und ja… mit ihr zu sterben.
„Komm her“ krächsze ich und ziehe sie an mich. Ihre Wärme, Ihr Geruch strömt auf mich ein, durchfliesst mich und verbindet uns für den Bruchteil eines Augenblicks zu einer Einheit. Ich sauge diesen Moment in mich ein, berge ihn in den tiefsten innersten Schichten meiner geschundenen Seele.

Und lasse sie gehen.

Die Unsterblickeit hat mich wieder fest in Ihrem Würgegriff, die Konditionierung der Vergangenheit bricht sich wieder Bahn und ich höre meine freundlichen, warmen Worte:
“Kaylo, Liebes, ich werde Dich und Dein Mundwerk ebenfalls vermissen“, mein Lächeln betrübt, aber aufmunternd. Jeder Gesichtzug kontrolliert ,viel geübt und erprobt. Oh ja, mein Schutzschild ist zuverlässig.
Die harte Schicht , die mein Herz umgibt, hat sich verdichtet, drückt gegen meine Brust, nimmt mir den Atem.
Wie groß ist die Dichte eines gebrochenen Herzens?
Unsterblickeit, sagt Ihr es mir, ist sie Segen, oder doch - Fluch?



copyright © by mcmurphys. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Segen/Fluch

Also der Letzte Satz ist wohl von Mr. Monk!
Stimmt?
Yveee007 - 24.10.2020 22:40

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