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Vanillezeit

von Abbeyroad


Handballschuhe quietschen: Tempogegenstoß! Hektische Rufe, höchste Anspannung. Wir spielen gegen die Auswahl von Hünxe. Keine Ahnung, wo das Kaff liegt. Interessiert mich nicht.

"Du deckst die Sieben ab”, hat der Trainer gesagt. “Halte dagegen, sei hart, aber lass dich nicht provozieren, die ist mit allen Wassern gewaschen!”

Ihre Arme sind überall. Sie fühlt sich gut an und das ärgert mich. Ich nehme ihren frischen Schweiß wahr, abgeschmeckt mit einem winzigen Hauch Vanille. Will ihn nicht um mich haben. Und erst recht nicht mögen. Wir halten einander umklammert wie Catcherinnen, sehen uns nicht an. Keine gibt nach. Beide lauern wir auf das Zuspiel am Kreis. Stürzen übereinander. Ein Pfiff.

“Das reicht jetzt”, sagt der Schiri und zeigt die Karte. Zweimal. “Ihr geht duschen.”

“Aber...”, will ich protestieren.

“Kein ‘Aber’. Ich hatte euch gewarnt. Mehrfach.”

Wütend kehre ich ihm den Rücken und rausche in Richtung Kabine. Ein paar Zuschauer johlen und pfeifen. Ich werfe den Kopf in den Nacken. Sollen sie doch.

Die Sieben folgt mir dicht auf den Fersen, aber das ist mir egal. Verdammte Bitch!

Die Umkleide ist verlassen, ihre Stille schmerzt. Auf den Bänken einsame Sporttaschen. Plötzlich fühle ich mich mutterseelenallein. Jetzt bloß nicht flennen! Manche Zeiten sind einfach rundum mies - Zeiten wie Hundekacke. Ich reiße mir das nasse Trikot vom Leib, als sei es an allem schuld.

“Du hast sie angefasst, Dreizehn!”, sagt die Sieben.

“Und du hast dich in der Tür geirrt!”, fauche ich, ohne mich umzudrehen. “Verpiss dich!”

“Du hast sie angefasst”, wiederholt sie eigensinnig. “Meine Titten. Zweimal!”

Jetzt sehe ich ihr direkt ins Gesicht. Sie grinst unverschämt. Grüne Augen verspotten mich. Wider Willen gefällt mir, wie sie so dasteht und mich anfunkelt. Etwas in mir zieht sich zusammen und verdichtet sich ausgerechnet dort zu einem sehnsüchtigen Prickeln, wo ich es jetzt am allerwenigsten gebrauchen kann.

“Du meine etwa nicht?”, entgegne ich patzig. “Und jetzt zieh Leine! Du hast mir das Spiel versaut. Ich bin noch nie vom Feld geflogen.”

Ihr Grinsen wird breiter. “Dann wurde es ja allerhöchste Zeit für dich! Es gibt für alles ein erstes Mal. Für wirklich alles.”

Ohne jeden Grund werde ich rot. “Du spinnst ja. Ich hab schon mal gesagt, du sollst dich verpissen!”

“Hast du ne Kippe für mich?” Ihr Gleichmut ist wirklich unglaublich. Welche Dreistigkeit! Es scheint ihr vollkommen egal zu sein, was ich so von mir gebe und dass ich in verschwitzter Unterwäsche vor ihr stehe. Ich sollte ihr eine schmieren. Wenn da nur nicht diese grünen Augen wären.

“Kannst du nicht lesen? In der Umkleide ist Rauchen streng verboten!”

“Was du nicht sagst! In der Umkleide ist so manches streng verboten! Das zum Beispiel”, entgegnet sie und legt mir beide Hände auf die Brust. “Das hatte ich noch bei dir gut!”, setzt sie hinzu.

Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Das Prickeln wird unerträglich.

“Nimm sofort die Pfoten weg!”, sage ich gepresst, aber ich mache keinerlei Anstalten, mich zu wehren. Bewegungsunfähig stehe ich da. Grüne Augen halten mich fest. Sekunden? Minuten? Wieder weht mich ihr Schweiß an. Und dieser winzige Hauch Vanille.

“Ich könnte dich noch ganz woanders berühren”, murmelt sie, ohne den Blick von mir zu lassen.

“Und ich könnte dir eine klatschen!”

“Versuch’s doch!”

Kampflüstern starren wir einander an. Sie denkt gar nicht daran, mich loszulassen. Ihre Finger zwängen sich unter meinen BH. Sie streichen über die Nippel und machen sie hart. Sie verlegen eine Starkstromleitung zwischen Brüsten und Unterleib. Bunte Vögel gurren auf dem Draht, warten ungeduldig darauf, endlich aufzufliegen.

“Ich könnte dich sogar küssen, Dreizehn!”, sagt sie leise.

O mein Gott, wie schön sie ist. Verdammte Bitch!

“Versuch’s doch!”, antworte ich heiser.

Sie zieht mich an sich, als wäre ich eine Schaufensterpuppe. Ihre Zunge sucht die meine. Auf den neu verlegten Hochspannungsdrähten stieben kleine, grelle Funken. Bunte Vögel zwitschern. Halb besinnungslos taste ich nach dem fremden, schweißbedeckten Körper. Brustspitzen strecken sich mir gierig entgegen, zum Bersten prall. Als ich sie flach drücke, stöhnt die Sieben auf und krallt sich in mein Haar. Mit der anderen Hand fährt sie in meinen Slip.

“Nimm deine Griffel weg!”, keuche ich. “Sofort!”

“Halt deine blöde Fresse, Feuermelder!” Zärtlich beißt sie in meinen Hals. Mein Kopf fällt nach hinten. Ihre Hand knistert an meiner Scham, umkreist sie wie ein streunender junger Hund. Etwas Nasses läuft meine Schenkel entlang. Ich will die Finger einsaugen und nie wieder freigeben. Bunte Vögel schlagen wild mit den Flügeln, flattern auf.


Ich bin atemlos. Ich will, dass die Sieben weitermacht. Stundenlang, tagelang, ein Leben lang. Ich dränge mich ihr entgegen. Und dann ist meine Hand bei ihr. So nah war ich einer anderen noch nie.

Die Sieben stöhnt leise auf. Hält die Augen fest geschlossen.

“Es gibt für alles ein erstes Mal”, muss ich denken. Mich überkommt unbändige Lust, etwas Törichtes zu sagen. Etwas überaus Törichtes. Zum allerersten Mal. Aber auf dieser Welt wird leider schon viel zu viel dummes Zeug geredet. Beispielsweise das hier: Ich liebe dich.

Und dann küssen wir uns von Neuem. Mir ist heiß und schwindlig. Sie soll mich nie wieder loslassen. Ich habe mich in ihr verloren, ich will bei ihr sein. Für immer.

Draußen nähern sich Stimmen, werden lauter.

“Scheiße!” Erhitzt sehen wir uns an.

“Nimm mich mit! Ich fahre bei euch im Bus!“, flüstere ich wider jede Vernunft.

Sie zögert.

Meine Augen betteln.

“Sorry, Rotkäppchen! Man soll aufhören, wenn’s am schönsten ist”, sagt die Sieben und dreht sich um. Schon hat sie der Pulk aufgeregter Mädels auf dem Gang verschluckt.

Ich kann nicht anders. Mir kommen die Tränen.

Die anderen wollen mich trösten. Sie denken, ich heule wegen des Platzverweises und des verlorenen Spiels. Wenn die wüssten.

Später öffne ich die Suchmaschine. Finde ein Foto. Drücke die Seite schnell weg. Jetzt bloß nicht wieder flennen! Hünxe? Interessiert mich nicht, wo das Kaff liegt.

Die Nacht ist die Hölle. Endlos wälze ich mich hin und her, bis mich ein kurzer Halbschlaf erlöst. Als ich aufwache, ist das Kissen nass. Darf ich mich vorstellen? Mein Vorname ist Apathie, mein Nachname Gleichgültigkeit. Aktuelle Lieblingsfarbe: Tiefschwarz. Bevorzugte Beschäftigung: Stundenlang zusammengekauert ins Leere starren, sieben Wackersteine im Bauch. Hobbys: keine. Interessen: keine. Vorlieben: keine. Mahlzeiten: keine. Aussehen: egal. Wünsche: Eine Maschine sein. Oder besser: Bestattet werden, am besten gleich jetzt und hier. Ich werde ohnehin nie wieder lachen, tanzen, singen. Ich werde nie wieder lieben. Ich werde nie wieder leben. Darf ich mich vorstellen: Ich bin ein Zombie!

So schleppt sich die Zeit dahin. Sekunden, Tage, Jahrhunderte - wo ist der Unterschied?

Unvermittelt eine Message aus dem Nichts: “Hey, hab dich gegoogelt! Fehlst mir! Wolltest du nicht unbedingt nach Hünxe? Schreib mir, Feuermelder! <3”

Kleiner drei...?

Für eine kurze, selige Ewigkeit setzt mein Puls aus. Bin ich überhaupt noch da? War ich ohnmächtig? Ich zittere, taste nach Halt. Lese die Worte wieder und wieder. Weiß sie längst auswendig und kann dennoch nicht genug davon bekommen. Aus sieben Wackersteinen entweicht alle Schwere.

Was ist Glück? Das Glück ist eine wohlige Wolke, die sich in langsamen Spiralen direkt ins Herz dreht. Das Glück ist ein Kaff mit fünf Buchstaben. Das Glück hat grüne Augen.

Manche Zeiten sind einfach rundum wundervoll - Zeiten wie Vanille.




copyright © by Abbeyroad. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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