von Any1217
Marie stand in ihrer Wohnungstür und sah mich an, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Als ich den oberen Treppenabsatz erreicht hatte, blieb ich einige Meter von ihr entfernt stehen und wartete darauf, dass sie mich herein bat.
Doch das geschah nicht, sie sah mich unverändert an und ich wusste nicht recht, was ich jetzt tun sollte. Zunächst wanderte mein Blick nach unten auf meine Hände, die nervös am Saum meines Shirts herum fummelten. Dann sah ich wieder auf, Marie hatte die Arme verschränkt und lehnte am Türrahmen. Mein Blick war fest in Maries wunderschöne Augen gerichtet, als ich sagte: „Es tut mir leid. Ich wusste einfach nicht, was ich als nächstes tun sollte. Ich hätte mich früher melden sollen, aber ich konnte einfach nicht – am liebsten hätte ich mich komplett verkrochen. Darf ich rein kommen?". Marie nickte nur und trat einen kleinen Schritt zur Seite.
Unter ihrem kühlen Blick betrat ich die mir so vertraut gewordene Wohnung und sog Maries Duft in mich ein. Mitten im Raum blieb ich stehen und wartete auf Maries Reaktion auf meine Entschuldigung. Da diese nicht sehr aufschlussreich war, erwartete ich zunächst auch kein Verständnis. Dafür war ich ihr noch einige Antworten schuldig.
Marie nahm auf dem Sofa platz, bot mir jedoch keinen Sitzplatz an. Unschlüssig, was ich nun tun sollte, nahm ich einfach mit einigem Abstand zu ihr darauf platz. „Ich verstehe ja, dass es alles nicht so leicht ist", setzte Marie nun endlich an und ich merkte, wie meine Anspannung etwas nachließ. Dennoch saß ich verkrampft da und konnte Marie nur mit Mühe in die Augen sehen.
„Ich bin enttäuscht von dir Lena. Egal, was Thomas auch gesagt oder getan hat, nachdem er uns beide erwischt hat. Du hättest dich melden können. Zumindest hättest du mir irgendwie mitteilen können, dass du Zeit für dich brauchst". Vorwurfsvoll sah sie mich an. „Es tut mir wirklich leid – ja, ich hätte dir früher Bescheid geben können. Aber ich wusste selbst noch nicht, wie alles weiter gehen soll. Um ehrlich zu sein, weiß ich das jetzt auch noch nicht. Ich hatte Angst, vor deiner Reaktion oder vor Fragen, wenn ich um Zeit für mich gebeten hätte. Ich hätte zu diesem Zeitpunkt einfach keine Antworten geben können. Zwar bezweifle ich, dass ich das jetzt kann, aber ich bin mir über einige Dinge klar geworden. Sei bitte nicht mehr wütend auf mich", sagte ich und mir stiegen die Tränen in die Augen.
Maries Blick änderte sich und sie sah mich – zwar immer noch enttäuscht – mitfühlend an. „Ich bin nicht mehr wütend auf dich. Ich bin enttäuscht. Meine Wut über deinen plötzlichen Kontaktabbruch ist längst verflogen. Du hast mir gefehlt. Auch wenn du es mir erklärst, kann ich es dennoch nicht ganz nachvollziehen. Aber das ist jetzt egal. Was hat dich denn überhaupt so durcheinander gebracht? Was haben du und Thomas besprochen?"
Da waren sie, die Fragen, denen ich versucht hatte, auszuweichen. Aber nun blieb mir nichts anderes übrig. Ich musste das klären und ihr von Thomas Vorhaben erzählen. Langsam und mit Pausen erzählte ich ihr, was vorgefallen war, nachdem sie aus dem Haus gestürmt war. Ich erzählte von dem Job, den Thomas nun doch angenommen hatte und davon, wie wichtig mir Mia war. Auch wenn das natürlich klar war, versuchte ich sie dadurch schon etwas darauf vorzubereiten, was ich vor hatte.
„Es ist nun mal so, dass ich Mia nicht ihren Vater vorenthalten möchte. Und das müsste ich, wenn ich hier bleiben würde", gab ich leise von mir. Dann herrschte Stille. Ich sah Marie an und bemerkte, wie ihr eine Träne die Wange hinunter lief. „Das heißt ja nicht, dass wir uns nicht mehr sehen können. Aber ich muss einfach dort hin ziehen. Auch wenn ich es eigentlich nicht will, für Mia würde ich alles tun. Es tut mir leid", sagte ich mit belegter Stimme.
„Mia hat ihren Vater doch eh kaum zu Gesicht bekommen – das habe ich doch das ganze letzte Jahr mit bekommen! Wieso sollte es denn jetzt anders werden? Würde sie es denn überhaupt merken, wenn er in einer anderen Stadt wohnen würde?", fragte Marie wütend. Ich war etwas erschrocken über ihre Reaktion, da ich doch mit viel mehr Verständnis gerechnet hatte. Gerade da ich dachte, auch ihr würde Mia sehr am Herzen liegen.
„Was soll das denn jetzt? Natürlich macht es einen Unterschied – immerhin sind das 6 Stunden Fahrt! Sie würde ihn definitiv weniger sehen und hätte dann noch die weite Strecke zu bewältigen. Selbst wenn Thomas häufiger zu uns kommen würde, würde sie ihn auch mal besuchen wollen!"
„Fuck. Lena, ich gehe bestimmt nicht wieder eine Fernbeziehung ein. Sowas habe ich schon hinter mir und für meine Zukunftsplanung ist das einfach nichts! Du kannst doch jetzt nicht einfach abhauen!", schrie sie schon fast und Tränen der Wut flossen in Strömen. Sie schluchzte und ihr Gesicht war ganz rot. Ich wurde langsam wütend auf sie, da sie keinerlei Anstalten machte, es nur ansatzweiße zu verstehen.
„Ich dachte ich würde dich kennen Marie! Ich verstehe, dass du nicht davon begeistert bist, aber ein wenig Verständnis für meine Situation, hätte ich schon erwartet", sagte ich gepresst. Marie funkelte mich wütend an. „Verständnis? Verdammt – ich habe dir schon so lange, so viel Verständnis entgegen gebracht. Hast du überhaupt bemerkt, wie belastend die Situation mit Thomas für mich war? Diese Heimlichtuerei und das verstecken. Die Tatsache, dass ich dich „teilen" musste. Ich habe nie auch nur ein Wort darüber verloren, wie schlecht es auch mir dabei ging. Du hast immer nur an dich gedacht und dir überlegt, wie du die Situation für dich besser machen konntest!". Wutentbrannt stand sie auf und ging zur Tür um diese zu öffnen.
„Bitte, dann geh jetzt Lena. Da du eh vor hast zu gehen, kannst du das auch jetzt tun. Und zwar endgültig!", spuckte sie mir entgegen. Auch ich war mittlerweile ziemlich sauer und stand auf um zur Tür zu gehen. Ich knallte die Tür wieder zu und schrie sie an: „Hör zu, ich wollte das mit dir alles besprechen, Lösungen finden und in Ruhe reden! Aber du musst ja völlig austicken und mich anschreien. So kann das doch verdammt noch mal nicht einfach enden?!".
„Hau endlich ab Lena. Ich will dich nicht mehr sehen!" spie sie und ihr liefen unaufhörlich die Tränen über die Wangen. Plötzlich legte sich meine Wut und ich hatte das starke Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen. Sie war wütend auf mich, weil ich sie verlassen wollte. Natürlich war sie da wütend. Ob nun alle Vorwürfe, die sie mir machte, gerechtfertigt waren oder nicht, spielte keine Rolle für mich. In diesem Moment, als ich sie wütend und mit Tränen überströmt vor mir stehen sah, wurde mir klar, dass dies eine – verständliche – Reaktion ihrer Liebe zu mir war.
Ich ging noch einen Schritt auf sie zu, um die noch vorhandene Lücke zwischen uns zu schließen. Dann nahm ich sie in den Arm und hielt sie fest. Zunächst wehrte sie sich gegen die Umarmung und gab unverständliche Worte von sich, die durch ihr Schluchzen kaum als solche zu verstehen waren. Ich küsste sie am Nacken und strich ihr mit einer Hand übers Haar.
Plötzlich ließ ihre Gegenwehr nach, ihre Lippen suchten meinen Mund und fanden ihn. Marie fing an mich leidenschaftlich zu küssen, ihre Hand lag auf meiner Seite. Zügig wanderte diese nach unten zu meiner Hüfte und schob mein Oberteil leicht nach oben. Mit ihrer flachen Hand auf meinem Bauch, strich sie nach unten. Ein Schauer nach dem nächsten, jagte über meinen Rücken. Schnell erreichte ihre Hand meine Hose, öffnete den Knopf und fuhr hinein. Hart drang sie in mich ein und ich musste laut aufstöhnen. Mit ihrer freien Hand, schob sie meine Hose nach unten, auch meine Unterhose rutschte weiter hinab. Immer schneller und fester wurden ihre Bewegungen. Meine Knie gaben nach und sie hielt mich um die Taille, als ich langsam in mich sackte. Als sie noch einmal beschleunigte, kam ich mit einem lauten Aufschrei.
„Du darfst nicht gehen", sagte sie immer noch unter Tränen, als sie ihre Finger aus mir zog. Dann lockerte sich ihr Griff um meine Taille und ich sackte zu Boden. Sie ließ sich an der Wand hinter sich nach unten sinken und schloss die Augen. Schwer atmend sah ich sie an. Wir sprachen nicht miteinander und saßen eine ganze Weile einfach so da. Bis ich auf Toilette musste und mich kurz entschuldigte.
Im Bad sah ich mich im Spiegel an. Meine vom Weinen geröteten Augen, das zerzauste Haar und die vor Erregung geröteten Wangen. Wo war ich da nur hinein geraten. Egal, welche Entscheidung ich traf, ich würde jemandem damit weh tun. Im Prinzip hatte ich meine Entscheidung ja bereits getroffen. Und damit Marie verletzt. Nicht nur jetzt mit meiner Entscheidung. Auch zuvor mit der gesamten Situation und es war mir noch nicht einmal aufgefallen. Zumindest nicht so, dass ich mir darüber ernsthafte Gedanken gemacht hätte. War ich so egoistisch gewesen, Maries Empfindungen und Gefühle zu ignorieren bzw. sie nicht wahr zu nehmen? Anscheinend schon.
Dennoch hätte ich mir – zumindest für diese Entscheidung – mehr Verständnis gewünscht. Vielleicht hatte sie das ja sogar, nur eben nicht im Moment. Ich machte mich frisch und ging wieder ins Wohnzimmer. Marie saß noch dort, wo sie gesessen hatte, als ich ins Bad gegangen war. Ich ging vor ihr in die Hocke, nahm ihren Kopf zwischen meine Hände und zwang sie somit, mich anzusehen. Mit glasigen, geröteten Augen starrte sie mich an. „Ich liebe dich, aber es geht nicht anders", sagte ich, schloss die Augen und küsste sie zärtlich. „Es tut mir unendlich leid, dass das alles so gelaufen ist, wie es eben ist. Vielleicht wäre es für uns beide besser gewesen, wir hätten uns nie kennen gelernt", sagte ich traurig.
„Nein. Das wäre es nicht Lena. Es tut mir leid, dass ich so reagiert habe. Ich bin froh, dich kennen und lieben gelernt zu haben. Ich wünschte nur, die Bedingungen wären anders gewesen", sagte Marie und wand ihren Blick ab. Ich küsste sie ein letztes mal auf die Wange und ging.
Als die Tür hinter mir ins Schloss fiel, kamen mir erneut Tränen. Ich ging nach Hause und weinte. Ich weinte um ihretwillen und um meinetwillen. Um Thomas und mein Verhalten ihm gegenüber. Um die Situation als solches und um das Leid, welches ich über uns alle gebracht hatte. Drei verletzte Herzen und niemanden, der glücklich war.
Auch wenn es an sich ein Fehler war, bereute ich es nicht. Es tat mir leid, aber ich war dennoch froh um die Erfahrung, die ich machen durfte. Selbst wenn es mir – sowie Thomas und Marie – das Herz brach. Auch wenn das egoistisch klang, glaube ich, dass es auch Marie so ging. Thomas war der leidtragende, das war mir klar. Aber auch ohne Marie, wäre die Beziehung vielleicht bald in die Brüche gegangen. Natürlich konnte man das nicht wissen, aber vielleicht wäre ich früher oder später auf eine andere Frau getroffen und es wäre mir ähnlich ergangen. Aber das waren nur Vermutungen.
Es vergingen mehrere Wochen, Thomas und ich bereiteten und auf den Umzug vor. Die Wohnung, die ich mir mittlerweile angesehen hatte, sagte mir zu und ich unterschrieb den Mietvertrag. Zudem hatte ich einen Job in Aussicht, der sich erst vor ein paar Tagen aufgetan hatte. Zwar sprachen Thomas und ich nicht viel miteinander, aber wir kamen miteinander aus. Mia war schon furchtbar aufgeregt wegen des Umzuges. Zwar war sie auch etwas traurig, ihre Freunde, als auch Marie verlassen zu müssen, aber dennoch freute sie sich auf die neue Stadt.
Am Tag des Umzuges, waren all unsere Freunde und Bekannten da, um uns zu verabschieden. Es flossen einige Tränen, bis wir dann im Auto saßen. Von Marie hatte ich nichts mehr gehört und sie auch seit einigen Tagen nicht mehr gesehen. Als Thomas den Motor startete, sah ich zu ihrer Wohnung hinauf. Dort sah ich sie am Fenster stehen. Sie sah zu mir und winkte zaghaft. Doch konnte ich weder ein Lächeln, noch Tränen erkennen. Dafür war sie zu weit weg. Tränen stiegen mir in die Augen und ich warf ihr eine Kusshand zu. Dann fuhren wir los. Los in ein neues Leben, was auch immer mir dieses bringen würde.
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Any1217. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.