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Verlangen (14)

von Any1217


Es war eine harte Nacht. Vom Zerspringen der Tasse auf dem Küchenboden wach geworden, kam Thomas in die Küche und half mir die Sauerei weg zu machen. In mir drehte sich alles, meine Bewegungsabläufe fühlten sich mechanisch an und ich starrte mit leerem Blick vor mich hin.

Als ich neben Thomas im Bett lag, konnte ich an nichts anderes denken als an Marie – und was sie jetzt wohl da drüben mit der blonden Frau tat. Bei dem Gedanken wurde mir ganz schlecht. Immer wieder fiel ich in einen kurzen Halbschlaf, träumte die wildesten Sachen und lag wieder wach. Gegen 8 Uhr stand ich endgültig auf. Thomas und Mia hatten bereits gefrühstückt. Hunger verspürte ich nicht, zwang mich aber dazu, wenigstens ein halbes Brötchen zu essen.

Nachdem ich ausgiebig geduscht hatte, überlegte ich ernsthaft, zu Marie rüber zu gehen. Aber was, wenn ich auf die andere Frau treffen würde? Was, wenn Marie gar nicht aufmachen würde? Ich ließ es bleiben und versuchte, nicht mehr daran zu denken. Was mir natürlich nicht gelang, aber ich lenkte mich mit Mia und Thomas, der heute frei hatte, ab. Momentan war auch der Kindergarten geschlossen, weswegen Mia sich über Zuwendung freute.

Als sich der Tag dem Ende neigte, graute mir bereits vor der bevorstehenden Nacht und meinem Gedankenkarussell. Ich ging früh zu Bett und obwohl ich erschöpft und müde war, konnte ich nicht schlafen. Zu sehr beschäftigte mich diese fremde Frau und die Schuldfrage. War es meine eigene Schuld, hatte ich mich selbst in dieses Loch manövriert?

Als Thomas ins Bett kam, wälzte ich mich unruhig hin und her. „Alles in Ordnung Schatz? Du bist heute den ganzen Tag schon so komisch und nicht richtig bei der Sache", fragte er flüsternd. Wohl um mich nicht zu wecken, falls ich doch schlafen sollte. „Ich kann nicht schlafen", gab ich zurück, ohne weiter auf den Grund einzugehen. „Ich glaube was du jetzt brauchst, ist eine Massage. Ich weiß zwar nicht, was mit dir los ist, aber es scheint dich etwas zu beschäftigen. Vielleicht hilft es dir ein bisschen und du bekommst den Kopf wieder frei", sagte Thomas.

Thomas und ich kannten uns schon seit unserer Schulzeit. Obwohl er etwas älter war, hatten wir die gleiche Clique. Er kannte mich so gut wie sonst keiner. Klar bemerkt er, dass mit mir etwas nicht stimmte. Trotz seiner manchmal recht anstrengenden Art, war er in solchen Situationen sehr feinfühlig. Er versuchte mich nicht mit Fragen zu belagern, da er wusste, dass ich von mir aus auf ihn zu kommen würde, wenn es soweit ist. Aber würde ich diesmal überhaupt jemals so weit sein? Sanft strich er über meinen Nacken und erhöhte den Druck langsam, um die Verspannungen zu lösen.

Ich hatte ein schlechtes Gewissen ihm gegenüber. Es war ein großer Vertrauensbruch, dass ich – sogar mehrmals – Marie geküsst hatte. Auch weil ich mich in Marie verliebt hatte, was sich deutlich an meiner lähmenden Eifersucht zeigte, nagten Schuldgefühle an mir. Letztendlich konnte ich aber nichts für – oder besser gesagt gegen – meine Gefühle tun. Meine Gedanken schweiften immer mehr in diese Richtung ab, wodurch ich kurzzeitig sogar tatsächlich von der fremden Frau bei Marie abgelenkt wurde.

Die Massage tat gut und ich entspannte mich etwas. Als Thomas fertig war, bedankte ich mich mit einem Kuss auf seine Wange, drehte mich zur Seite und schlief ein. In der Nacht träumte ich wirres Zeug. Von Marie und Ramona, die lachend auf einer Bühne standen und immer wieder zu mir zeigten. Von Marie, wie sie sich halb nackt auf einem Bett räkelte und von der fremden Frau mit den kurzen blonden Haaren massiert wurde. Von Thomas, wie er mit Mia auf einem Schlitten einen steilen Berg hinunter fuhr und ich nicht mehr hinterher kam, bis beide wie vom Erdboden verschluckt schienen und ich frierend und verzweifelt umher irrte. Ich wachte auf. Es war noch dunkel und ich fror tatsächlich – meine Bettdecke lag zu meinen Füßen.

Nachdem ich die restliche Nacht kaum ein Auge zu gemacht hatte, fühlte ich mich am Tag darauf entsprechend gerädert. Der Vormittag zog sich schleppend dahin und meine Gedanken kreisten wieder um Marie. Es beschäftigte mich viel mehr als ich dachte. Als wir zu dritt zu Mittag gegessen hatten, legte ich mich aufs Bett und versuchte noch ein wenig zu schlafen. Es gelang mir nicht, ich fand einfach keine Ruhe.

Kurz entschlossen stand ich wieder auf, gab Thomas Bescheid, dass ich nochmal zu Marie rüber gehe und verließ nur mit einem dicken Pulli das Haus. Zunächst waren meine Schritte noch entschlossen, doch schon als ich die Straßenseite überquert hatte, schlenderte ich mehr als das ich ging. Ich hatte mir überhaupt nicht überlegt, was ich zu Marie sagen wollte. Schließlich konnte ich ihr ja kaum einen Vorwurf machen. Aber ich wollte eine Antwort haben, auf die Frage, wer die Fremde Frau war und was zwischen ihnen beiden lief.

Nun stand ich vor der Haustür und klingelte nach einer Weile zaghaft. „Ja?", ertönte es aus der Gegensprechanlage. „Ich bin es, Lena", gab ich zurück. Stille. Eine ganze Weile tat sich nicht, es fühlte sich an wie eine Ewigkeit. Dann endlich summte die Tür. Ich trat ein und ging nach oben. Marie stand in der offenen Wohnungstür. „Was gibt's?", sagte sie harsch. Etwas erschrocken über ihren Tonfall nuschelte ich leise „ähm.. kann ich kurz rein kommen? Oder hast du Besuch?", fragte ich. Dabei betonte ich das ‚Besuch' etwas mehr als ich wollte, woraufhin ich mir ein kurzen, bösen Blick von Marie einfing. Marie ging ins Wohnzimmer, ohne etwas zu sagen. Ich schloss die Tür hinter mir und folgte ihr.

Ohne es steuern zu können, sprudelte es aus mir heraus: „Wie konntest du dich noch am gleichen Abend auf diese fremde Frau einlassen? Obwohl du mir kurz zuvor zu verstehen gegeben hast, dass du für mich mehr als freundschaftliche Gefühle hast? Habt ihr die Nacht zusammen verbracht?". Meine Stimme klang verzerrt, vorwurfsvoll und verzweifelt. Es hatte sich angehört, als hätte es eine ganz andere Person gesagt.

„Das war keine Fremde", antwortete Marie trotzig. „Ich kenne sie von früher, sie hat schon häufiger auf Partys mit mir geflirtet und ist wirklich nett." Ich war entsetzt. Erst jetzt wurde mir richtig bewusst, dass es möglicherweise auf mehr hinauslaufen könnte. Was wäre dann? Würde ich Marie nicht mehr sehen? Oder berühren... küssen... können? Marie setzte fort: „Sie ist nett, aber eigentlich nicht so mein Typ. Denke ich. Ich hatte auch einiges getrunken an dem Abend. Dann noch der Streit mit dir. Ich war ziemlich sauer auf dich ...". Nun sah Marie etwas versöhnlicher aus, ihre Stimme wurde weicher:"Vielleicht hätte das nicht passieren dürfen.".

Auch wenn sie es nicht aussprach, tat es ihr offensichtlich leid. „Habt ihr die Nacht zusammen verbracht?", fragte ich erneut, da sie nicht auf die Frage eingegangen war. Meine Stimme bebte und meine Unterlippe zitterte. Ich musste mir die Tränen verkneifen. Marie sah verlegen zu Boden. Eine Antwort brauchte sie mir nicht geben, da es offensichtlich war. Jetzt kullerte mir eine Träne über die Wange.

„Was fühlst du für mich Lena?", fragte Marie mit weicher Stimme. Ich sah sie an. „Das tut nichts zur Sache. Es ist nicht möglich. Wir beide sind nicht möglich. Warum hast du das gemacht?", fragte ich erbittert und unter schluchzen. Obwohl Marie genau wusste, was ich meinte, ging sie nicht darauf ein. Stattdessen wandte sie sich mir ab. „Warum kannst du dir nicht deine Gefühle eingestehen? Zumindest mir gegenüber.", sagte Marie traurig.

Langsam stieg auch diese Wut wieder in mir auf. Da schläft sie mit einer anderen Frau – obwohl sie Gefühle für mich hat – und macht mir Vorwürfe wenn es um das Thema „Gefühle" geht? „Kannst du es nicht verstehen? Es ist so schwierig für mich! Wie soll das denn alles funktionieren?", fauchte ich Marie an. „Warum bist du denn dann hier und heulst mir die Ohren voll? Du machst mir Hoffnungen, küsst mich und blockst im nächsten Moment wieder ab. Was soll ich davon halten? Ich für meinen Teil empfinde etwas für dich. Dieses ewige hin und her geht mir ganz schön an die Nerven, Lena! Ich weiß nicht, was du willst. Aber ich weiß, dass ich mich in dich verliebt habe!" Marie war wütend und nun sehr laut. Es stand im krassen Gegensatz zu dem, was sie gerade gesagt hatte. Sie hatte es mir geradezu ins Gesicht geworfen.

Ich stand betreten da und wusste nicht, was ich sagen sollte. Mit ihren Vorwürfen hatte sie natürlich recht – aber sie schien sich nicht vorstellen zu können, wie schwierig und verzwickt die Lage für mich mit Mann und Kind war. Marie sah mich erwartend an. Ich sagte nichts. Es wäre der perfekte Zeitpunkt gewesen, um ihr zu sagen, dass auch ich mich in sie verliebt hatte. Doch der Zeitpunkt verstrich. „Geh jetzt Lena. Und halte dich aus meinem Leben raus.", sagte Marie mit gepresster Stimme und Tränen in den Augen. Ich drehte mich wortlos um und ging hinaus. Auch in meinen Augen glitzerten wieder Tränen, die Marie jedoch nicht sah.



copyright © by Any1217. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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