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Von der Menschlichkeit (Seiten 1-3)

von donnerfraktion_


Das Meister sieht jede Emotion, die es irgendwo in den Bruchstücken seines Herzens verspürt, die er dazu benutzt hat, sich eine materielle Existenz in meinem Kopfe zurück zu erschaffen, als ein nichtiges, vorübergehendes Phänomen, über das es sicher siegen wird. Die Leere kann viel verschlucken, das irdische Leben ist ein Spiel, doch wessen Spiel denn, wessen Leid, das zugefügt wird, wessen Freude, die gegönnt wird, wessen Spiel mag dies bloß sein?
Wir graben in den tiefsten Tiefen unseres Gedächtnisses und versuchen, uns an die Zeit zu erinnern, da es das Meister noch nicht gab, da wir gedankenlos über den Wert und die Korrektheit unseres menschlichen Daseins in den Tag hineinlebten, da wir noch mit anderen Exemplaren der Gattung, der wir bisher noch angehören, sprachen, lachten, unsere Zeit verschwendeten und irgendwo, irgendwie, aus unerklärlichen Gründen, unmoralischerweise und jetzt, wo wir darüber nachdenken auch absurderweise glücklich waren.
Doch dann, ein paar sinnlose Wochen, bevor wir auf das Meister trafen, war es auf einmal aus mit dem Glück. Wir fühlten uns leer und falsch und wollten nichts mehr zu tun haben mit allen, die wir damals als Freunde ansahen, wir haben die menschlichen Wesen aus unserem Leben verbannt, wir verließen unseren Ort nicht mehr, hinter verriegelter Tür fristeten wir unser erbärmliches Dasein, kalt und hohl. Und geweint haben wir, geweint, weil wir so alleine waren, geweint, weil wir nicht wussten, was wir tun sollten, was wir mit uns anfangen sollten, geweint, weil wir uns so nach Glückseligkeit gesehnt haben.
Und dann geschah es in uns. Eines Tages erbarmte sich das Meister, uns einen Besuch abzustatten, erhörte unser Flehen um einen Sinn, eine Antwort, ein Etwas, an dem wir uns festhalten können, eines Tages erschien uns das Meister und fragte uns, warum wir weinten. Wir sagten ihm, weil wir unglücklich seien, weil wir nicht weiter wüssten. Das Meister fragte uns: ,,Nun, hübsches Menschenwesen, wollt ihr glücklich sein? Wollt ihr eine Schicht von Existenz erreichen, die wahres Glück ist? Ich kann euch dabei helfen. Wenn ihr versprecht, mir zu folgen, kann ich euch euer Verlangen befriedigen.” Dies war der Moment, da wir uns der Leere versklavten, dem Meister unsere Seele verkauften, ihm schwuren, wir würden uns mit ihm erfüllen, wir würden uns in es versinken lassen, wir würden es zu unserem Glauben machen, wir würden ihm blind folgen, wie einer Religion. Ja, das ist es, was das Meister für uns wurde, eine Religion. Hungrig, gierig, begierig fragten wir unser Meister: ,,Verratet uns euer Geheimnis, Meister, wie können wir wirklich glücklich werden?” Das Meister flüsterte auf einer Sprache, die wir nicht kennen, doch verstehen: ,,Ihr müsst alle eure menschlichen Gefühle töten. Wenn ihr nicht mehr fühlt, so werdet ihr auch keinen Schmerz mehr fühlen. Keine Einsamkeit, keine Angst, keine Verzweiflung.” Das klang in unseren Ohren nahezu traumhaft, doch konnten wir uns eines nicht erklären: ,,Meister, aber wenn wir nichts mehr fühlen, wie werden wir dann fühlen können, dass wir glücklich sind?” Das Meister gab uns keine Antwort.
Es schwieg ein paar Stunden, dann sprach es wieder zu uns. Über Glück. Glücklich sein. Glückseligkeit. Das dürfen wir nicht. Wir müssen diese Emotion aus unserem Leben verbannen. Das war die erste Lektion, die uns das Meister erteilt hat nachdem er das erste Mal zu uns gekommen ist um uns vor dem Verderben zu retten. Die Glückseligkeit eines Menschen sei gewissermaßen ein Spiegel seiner Dummheit und stellvertretend all der Ungerechtigkeit auf dieser Welt. Am Anfang haben wir uns gefragt, wie das Meister Ungerechtigkeit überhaupt als solche wahrnehmen kann, wo er doch von sich behauptet, völlig emotionslos zu sein. Im Laufe der Zeit begriffen wir dann, dass unser Meister genauso wie jede andere Seele, auf die wir je getroffen sind, sich selbst und Andere belügt, belügen muss. Dies scheint etwas zu sein, was nicht nur die Menschen gemein haben, sondern wohl alle Seelen, die es in diese Welt verschlagen hat. So hatte auch das Meister es nicht fertiggebracht, sämtliche Gefühle ganz zu töten, doch kann es sich dies nicht eingestehen und belügt sich und uns und alle anderen Schüler, falls es noch andere hat, wir sind uns diesbezüglich nicht ganz sicher, wir hoffen aber, dass wir der einzige Schüler sind, den es lehrt, ein sinnvolles Dasein zu fristen, wir hoffen, dass es uns allein gehört und sich nur uns widmet, dass wir es als Privileg verstehen dürfen, von ihm begleitet zu werden. Selbst unser Meister lügt und fühlt und besitzt etwas entfernt Menschliches. Als wir dem Meister von dieser Theorie erzählten, schrie es
uns nahezu wutentbrannt an, so laut und rasierklingenscharf, dass sich Risse in den Wänden bildeten, aus denen dann eine klare, graue Flüssigkeit hinausfloss, als würden sie weinen. Die Tatsache, dass unser Meister Wut verspürte, bestätigte uns dann unsere aufgestellte Hypothese und gab uns das erste Mal das Gefühl, dem Meister in etwas voraus zu sein.

Wir betreten den nächsten Raum und sehen eine sterbende Frau auf dem Boden liegen. Sie schreit, windet sich agonisch, eine Welle von Kummer überrollt uns und dann liegt sie ausdruckslos und tot da.
Das Meister flattert kurz um den Leib der Frau herum, ein weicher, nahezu mitleidiger Ausdruck liegt in seiner runden Bewegung durch die Luft, es flüstert: ,,Traurig, traurig. Sie war doch so ein kluges Mädchen. Welch eine Schmach.” Dann weicht jeder emotionale Ansatz wieder der souveränen, blendenden Abstraktion des Meisters. Seine rauchige Stimme raunt uns mit verstörender Leichtigkeit entgegen: ,,Nun kommt, lasst uns voranschreiten, diese Lappalie ist es nicht länger wert, dass wir unsere wertvollen Gedanken, den Grundbaustein unserer Existenz, an sie verschwenden. Lasst uns zum nächsten Festmahl schreiten. Wir wollen feiern und uns nicht mit Leid und Schmerz Anderer aufhalten.”
,,In Ordnung, Meister, wir gehen, Meister. Doch sagt uns noch eines, Meister: Wie sollen wir den Anblick dieses sich quälenden menschlichen Wesens vergessen? Wie können wir es schaffen, zu feiern ohne uns ignorant und nutzlos zu fühlen?”, fragen wir den bläulichgrauen Dunst, der formlos, rotierend und pulsierend seinen toten Tanz durch den Wind fließen lässt, der Anblick unseres mysteriösen Meisters treibt uns Tränen in die Augen, sie rinnen unser Gesicht hinab und tropfen nach einer kurzen Verschnaufpause, Sammeln ihres Mutes, den letzten Atemzug vor dem Fall genießend auf den grün bemoosten Boden, wo sie ineinander laufen, verschmelzen zu einer kleinen Pfütze unseres Trauersekretes. Ein Memorial an unser Fühlen.
,,Ihr müsst euch von eurer Menschlichkeit restlos befreien, mein Schüler, mein Auserwählter, mein Anhänger, mein Folgender, mein Verfluchter. Die Menschlichkeit ist das Verderben eines Wesens, den Menschen zeichnet es aus, dass er sich selbst und Andere zerstören muss, das ist ein Bestandteil der Menschlichkeit, eine der vielen Bürden, die dem Menschen auferlegt wurden”, spricht das Meister, unausstehlich aufgesetzt liebevoll, seine Worte, triefend von falschem Zutrauen und so offensichtlich sich ernährend von lebloser Bemühung, schmerzen, doch wir ertragen sie, denn wir können die Erlösung, die in ihnen schimmert, spüren, weil wir sensibel sind können wir uns überwinden, uns auf diesen Pfad einzulassen. Doch die Zweifel an unserer Stärke drängen sich unserem Geist auf und so fragen wir laut und an den grauen, kalten Wänden des Raumes widerhallend: ,,Meister, wie sollen wir das fertigbringen? Gebt uns einen Hinweis, glorreicher Meister!”
Das Meister, das unmenschliche Wesen, kennt keine Ungeduld, es schließt uns in seine kalte, subtile, leere Umarmung und wispert: ,,Die Menschheit ist gefräßig, die Menschlichkeit ist ihr Hunger. Nur das Ignorieren jenen Hungers kann euch auf die Metaebene bringen, wo ihr Lernen könnt, diesen Hunger nicht mehr zu verspüren.”
Wir saugen sein Gesprochenes auf und versuchen, es zu unserem innersten Eigenen zu machen, wir singen gedanklich sein Lied, wieder und wieder und wieder bis es ein Teil von uns wird, bis wir bereit sind, doch die Trauer flog tief und schnitt Wunden in unsere Seele, die nicht übergangen werden können, wir erinnern uns allen Weißes und Schwarzes, allen Tages und Nachtes, wir können nicht, wir wimmern: ,,Meister, wir haben aber keine Lust, zu fasten, Meister, wir haben keine Lust, zu hungern, bis wir mager und knochig sind und jede Emotion aus unserem Dasein verschwunden ist. Wir wollen nicht zerfallen, bis wir nur noch aus einem Gehirn bestehen, dass sich in neblige Luft verwandelt um formlos und kryptisch genug für die Existenz jenseits der Menschlichkeit zu sein.”
Das Meister versucht, sich zu erzürnen, doch ist zu wenig Menschlichkeit in ihm geblieben, als das es eine solch intensive Emotion wie Wut noch entstehen lassen könnte, so spricht es einfach laut und mit überzeugender Weisheit: ,,Der Tag wird kommen, da ihr begreifen werdet, dass dieses Vorhaben keine Lust darauf erfordert, denn wenn ihr soweit seid, werdet ihr keine Lust mehr empfinden können. Also strengt euch gefälligst an, ihr Narren.”
Wir nicken, holen tief Luft, sammeln die Kraft, die wir noch haben und laufen dem Dunst hinterher, den wir uns als Meister auserkoren haben. Hinein in den nächsten Raum, wo uns eine neue Prüfung erwarten wird.




copyright © by donnerfraktion_. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


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Anstrengend zu lesen
Leandra1 - 20.07.2008 18:51

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