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Forum » News, Politik & Wissenschaft » ThreadWas würdest du tun,
25.07.2013 18:00
HiddenNickname
0 wenn du Polizistin wärst? Ein Polizist aus der Türkei spricht.... Er ist von Anfang an dabei, bitte die Zeit nehmen und durchlesen. Danke. #duranadam #gezi #taksim #istanbul #occupygezi Was geschah aus Ihrer Sicht am Freitag des 31. Mai 2013 am Gezi-Park? Eigentlich befand sich der Park nicht unter unserer Verantwortlichkeit, da es sich auf dem Grundstück der Stadtverwaltung befindet. Ein Teil unseres Aufgabengebiets besteht jedoch darin, bei Versammlungen die Sicherheit der Demonstranten zu gewährleisten. Die Leute riefen uns an dem Tag Sachen zu wie „Seid ihr nun Baustellen-Wärter?“. Es gab auch solche, die mit Steinen warfen, doch das Ganze war noch im tolerierbaren Bereich. Dann ging die Nachricht rum, dass die Polizei „Zelte in Brand“ gesteckt habe. Während es eigentlich möglich gewesen wäre, die Demonstranten mit Zureden zum Verlassen des Parks zu überreden, kam es leider zu dieser unglücklichen Situation. Die Vorgehensweise war falsch und der Befehl wurde einfach ausgeführt. Es wurde versucht, die Pflicht des Ordnungsamtes auf die Polizei zu wälzen. Wann sind Sie interveniert? Wir waren eine Gruppe von 20 Polizeibeamten und warteten auf Anweisungen, es herrschte eine totale Ungewissheit. Unsere Vorgesetzten sagten „macht was nötig ist“. Das ist eine sehr weitläufige Formulierung. Sie haben uns unserem Schicksal überlassen. „Was nötig ist“, einverstanden, aber was genau sollen wir machen? Da der Befehl nicht klar und unmissverständlich formuliert wurde, liess dies viel Raum für Interpretation und Eigeninitiative zu. Haben Sie daraufhin entschieden, Tränengas einzusetzen? Keiner hat ausdrücklich gesagt, dass am Einsatzort mit Tränengas vorgegangen oder darauf verzichtet werden soll. Wir wissen, wie und unter welchen Bedingungen Tränengas einzusetzen ist. Wenn diese Bedingungen gegeben sind, kann sich ein zu später Gebrauch davon nachteilig auswirken. Der Einsatz von Tränengas war das Ergebnis des Befehls „macht was nötig ist“. Wir dachten, dass dies nötig war. Wie lauten die Bedingungen für einen Einsatz mit Tränengas? Wenn wir angegriffen werden oder eine Gruppe vertrieben werden soll, ist Tränengas ein sehr effektives Mittel. Damit schafft man sich eine Distanz zur Gruppe. Durch diese Entfernung können Ausschreitungen verhindert werden. Auch da kam es zu harten Ausschreitungen. War Ihnen bewusst, dass es sich bei den Gezi-Park Besetzern um friedliche Demonstranten handelte? Wären wir vor dem Einsatz aufgeklärt worden, wäre es vielleicht nicht zu all dem gekommen. Als Polizist wirst du mit ganz unterschiedlichen Gruppen konfrontiert. Noch bevor ich die Gruppe vor mir hatte, wurde mir gesagt, das Nötige zu unternehmen. Da uns nicht mitgeteilt wurde, wieso diese Leute dort versammelt waren, wurden selbstherrliche und falsche Entscheidungen getroffen. Und das rührt von der Leitung der Einsatzkräfte sowie fehlende Mitteilung an eben diese Polizisten her. Wir wurden zu Fehlern regelrecht verleitet. Daraufhin hat sich die Situation verschlimmert. Uns wurde das Erlebte erst im Nachhinein bewusst, aber dann hatte es auch keine Bedeutung mehr. Wir haben den Park besetzt. Dann sollte ich im „Gümüssu“ Viertel eingesetzt werden, und genau zu diesem Zeitpunkt kam es zum Eklat, von da an hatten wir alle kein Zeitgespür mehr. Man sagte nur „die Gruppe kommt, macht euch bereit“. Wir waren nur am rumrennen mit unseren Helmen und Masken, wussten nicht mal mehr wo wir waren. Immerzu hoffte ich, dass alles möge ein Ende nehmen damit ich nach Hause gehen konnte. Ich war schon seit 48h im Dauereinsatz. Während den Pausen schlief ich auf einer Bank vor dem Hafen von Besiktas. Sind so lange Dienstzeiten üblich? Das ist Folter für einen Staatsbeamten. Es gibt Arbeitszeitregulierungen, doch gewisse Vorgesetzte sehen über diese Gesetze hinweg. Während wir von Gesetzes wegen nicht mehr als 40 Stunden pro Woche arbeiten sollten, haben manche meiner Kollegen ohne Unterbrechung 100 Stunden arbeiten müssen. Wie wirkt sich das auf Ihre Psyche aus? Genau das war einer der Gründe für die zusätzliche Härte meines Eingreifens. Ich war schon seit 48 Stunden im Einsatz, hatte überhaupt nicht geschlafen, war erschöpft, hatte nicht einmal Zeit für die Toilette, hatte nichts gegessen; all das vereint, hat mich wie betrunken gemacht. An vernünftige Entscheidungen treffen und Selbstbeherrschung ist nicht mehr zu denken. Wer dieser Mensch vor mir ist und dass dieser seine demokratischen Rechte verteidigt, das alles prallt an einem ab. Auch wenn er versucht Dir seine Motivation begreiflich zu machen, magst Du gar nicht hinhören, wirst aggressiv. Dass diese Aggressivität dann nicht auf den Gegenüber geht, ist unmöglich. Finden Sie, dass Ihre harte Vorgehensweise trotz dieser Hintergründe erforderlich war? Ich habe mir nicht gesagt „ich muss den Bürger so und so behandeln“. Ich hatte einen Befehl auszuführen. Es gibt einen Grundsatz, wonach die Härte des Einsatzes im Verhältnis zur Situation stehen muss. Als der Widerstand stärker wurde, griffen wir im gleichen Verhältnis stärker ein. Der Grund für die heftige Reaktion des Volkes rührte von den verbrannten Zelten her. Auch uns störte das sehr. Das System funktioniert nicht im Sinne von „Befehl erhalten, wenn schon denn schon“. Das Problem liegt nicht darin, dass einer sehr viel Tränengas eingesetzt hat, sondern dass gleichzeitig zahlreiche Polizisten mit Tränengas vorgegangen sind. Haben Sie die Möglichkeit, in so einer Situation den Befehl nicht auszuführen? Wenn wir die Folgen wie Versetzung und Untersuchungen in Betracht ziehen können, dann ja. Entweder man führt aus, oder man verlässt das Boot. Wenn man sagt „Ich gehe nicht mit Tränengas vor“, setzt man sich unvorstellbarem Druck aus. Man wird ausgegrenzt, versetzt. Das kann bis zu Selbstmord führen. „Ich mach das nicht“ zu sagen, können die meisten Kollegen nicht verantworten. Wir rebellieren innerlich. Unsere Gefühle auszusprechen würde sowieso nichts ändern. Ein Vorgesetzter sagte mir einmal „Wenn dir das nicht passt, geh auf die andere Seite und wirf mit Steinen“. Wie können Sie bei Einsatz von Tränengas die marginalen von den friedlichen Demonstranten unterscheiden? 95% der am Protestort Anwesenden waren friedlich. Dass nur 5% marginal waren, haben wir erst später realisiert. Es war auch diese Minderheit die angegriffen hatte, aber unsere Bemühungen um Deeskalation wurden allen Demonstranten zuteil. Meine Kollegen und ich sind selber sehr unglücklich über diesen Zustand. Ich habe viele Freunde, die demonstrieren. Mein Vater ruft mich manchmal an und schimpft „Ihr habt Dies und Das gemacht“. Statt Politiker zum Protestort zu schicken um einen Dialog zu fördern, wurde es bevorzugt, die Polizei vor diese Bürger zu stellen. Es gibt nun eine ganze Generation, die sehr wütend auf die Polizei ist. Wie kann diese Lage verbessert werden? Wenn man die Meinung der Leute über die Polizei ändern möchte, sollte zuerst die gesamte Organisation neu geregelt werden. Ihr könnt nicht erwarten, dass Menschen, die zu viel arbeiten müssen, nicht bezahlt werden, kein Sozialleben haben, psychisch am Ende sind, am Schluss vor dem Volk gut da stehen. Wenn zu allem Übel noch dieses Vorurteil dazu kommt, kann unser Image noch lange nicht verbessert werden. Als Polizist muss das Leben gerade sehr schwierig sein… In der gesamten Geschichte der Türkischen Republik war die Polizei sowieso nie beliebt, es ist aber auch nicht unser Erstreben, beim Volk beliebt zu sein. Wir sind nur gekränkt aufgrund des Verhaltens unserer Vorgesetzten. Wir haben nicht nach unserem Kopf entschieden. In dieser ganzen Zeit seit Beginn der Proteste hat das Polizeipräsidium keine Stellungnahme abgegeben. „Ist die Polizei nicht auch das Volk? Wir sind es, aber auch wenn wir die Proteste befürworten, werden wir aufgrund unserer Uniform zur fleischgewordenen Repräsentation des Landes, und das dürfen wir nie vergessen. Wir denken uns alle nur „Hoffentlich wird alles bald gelöst“. Quelle: http://www.ulusalkanal.co [...] 006.html
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