Aller Anfang ist schwer...^^

von uhu_73


Ich saß wie jeden Tag im Speisesaal und stocherte lustlos in meinem Mittagessen herum. Gestern hatte ich mal wieder Zoff mit meinem Freund gehabt. Immer wieder dasselbe Thema….

Da sah ich ihn. Ein Typ in Jeans und Kurzarm-Hemd schlenderte lässig durch die Tischreihen Richtung Fenster. Ich dachte nur „Alter Schwede, was für ein Schnittchen!“ Wenn der mich von hinten schon aus den Latschen haut, wie sieht er dann erstmal von vorne aus…..und meine Eingeweide machten einen kleinen Hüpfer. Ich starte ihn an, wie ein hypnotisiertes Kaninchen. Irgendetwas hatte er an sich, dass ich es einfach nicht fertig kriegte wieder weg zu schauen. Als er am Ende des kurzen Ganges angekommen war drehte er sich um. Ich hielt den Atem an und fixierte gebannt den Hinterkopf, um bloß irgendwie einen Blick in sein Gesicht erhaschen zu können.

Nun ja, er haute mich von vorne tatsächlich noch 10x mehr aus den Latschen, als von hinten, denn ER war eine SIE! Mein Kiefer klappte nach unten, meine Augen wurden so groß, dass ich dachte sie kommen mir gleich aus dem Kopf heraus und er – ähhh nein: SIE – lächelte mich an und meine Eingeweide machten einen kleinen Hüpfer. Ich guckte damals auf meinen Bauch runter und dachte nur „Was soll der Scheiß? Das is `ne Frau, man – kriegt euch wieder ein!“ Aber meine Eingeweide dachten gar nicht daran. Ganz im Gegenteil, sie zogen mein Herz auch noch mit rein in den Schlamassel. Das fing nämlich wie verrückt an zu hämmern. Sie kam grinsend auf mich zu und ich wusste überhaupt nicht was ich machen soll. Mir war nach aufspringen und wegrennen, aber ich konnte mich nicht bewegen. Schockstarre…

Als sie mich dann erreicht hatte und auch noch ansprach, hatte mein Gesichtsausdruck sich längst von nacktem Entsetzen in blinde Panik verwandelt. Aber sie grinste immer noch. „Tolle Wurst“, dachte ich, „wie komm ich jetzt aus der Nummer wieder raus?“ Wir wechselten ein paar belanglose Worte, dann nutzte ich die nächst beste Gelegenheit und suchte das Weite. Das Problem war nur, dass ich so weit weglaufen konnte, wie ich wollte, es würde an der Tatsache nichts ändern – ich war verknallt in eine Frau! Und dann auch noch in eine, die aussieht wie ein Mann. Damals war das ein kleiner bis mittelprächtiger Weltuntergang für mich.:)

In den kommenden Wochen sahen wir uns täglich in der Klinik. Wir lernten uns kennen und es stimmte einfach alles. Ich bekam schon weiche Knie, wenn ich nur an sie dachte, der Humor exakt derselbe….Himmel, wir haben ja sooo viel gelacht…. Ich stand jeden Morgen mit einem Grinsen auf und ging jeden Abend mit einem Grinsen ins Bett. Die Schatten namens „Zweifel“ und „Unsicherheit“ wischte ich zunächst beiseite.

Tja, klare Geschichte denkt ihr jetzt sicher. Aber so war es leider nicht. Ich war völlig überfordert mit meinen Gefühlen. Suchte ihre Nähe, gleichzeitig aber wich ich ihr aus. Ich war innerlich völlig zerrissen. Die Gefühle waren so stark und gleichzeitig hasste ich mich so sehr für das, was ich empfand. Ich und eine Frau – das geht doch nicht! Was würden meine Eltern sagen, meine Freunde, Kollegen, …. Und es kam, wie es kommen musste: sie wechselte den Arbeitsplatz und aus lauter Angst vor den möglichen Konsequenzen ließ ich sie gehen. Wir tauschten zwar die Handynummern aus, aber der Tag an dem sie ging, war tatsächlich der letzte Tag, an dem wir uns gesehen haben.

Erst 4 Jahre nach „ihr“ trennte ich mich von meinem Freund und akzeptierte mich, wie ich bin. Denn ich verliebte mich schon wieder in eine Frau. Diesmal war alles leichter, denn sie war nicht die Erste.:) Aber „sie“ habe ich nie vergessen. Ich denke noch heute manchmal an sie und frage mich, was sie wohl so macht und frage mich, was wohl gewesen wäre, wenn ich damals nicht so ein Angsthase gewesen wäre…