von lindsey21
„Alles auf Rot“
Wir saßen im Cafe Sundström, einem bekannten Szene Cafe in Kreuzberg. Um uns herum saßen Pärchen, die wesentlich älter als wir waren und zu meinem Erstaunen waren es mehr Frauen als Männer, die sich an ihrem Kaffee festhielten. Der niederfallende Schnee legte sich auf die Fensterbänke des Cafes, der Gedanke, dass in 3 Tagen Weihnachten war, verdrängte ich. Die ganze weihnachtliche Stimmung die in der Luft lag, nervte mich sowie die Kälte, die Nässe, der graue Himmel, die frühen Nächte die im Winter einbrachen. Meine Gedanken wurden von der Kellnerin unterbrochen, die die Kerze auf unserem Tisch anzündete und uns nach unserer Bestellung fragte. Mir gegenüber saß Vera, wir hatten uns vor 3 Wochen durch ihre online Anzeige in der Siegessäule kennen gelernt. Sie griff nach meiner Hand, ihre war warm und auf einer erschreckende Art und Weise vertraut. Ich bemerkte, dass sie mir etwas mitteilen wollte, sie schaute mich verlegen an, ich umfasste ihre Hände jetzt etwas fester und schenkte ihr ein sanftes Lächeln. Die Kellnerin brachte uns unsere Milchkaffees und beobachte uns mit einem wehmütigen Lächeln. „Ich fahre in ein paar Wochen nach Australien.“, ich war etwas erleichtert und mit einem Schmunzeln auf meinen Lippen erwiderte ich: „Und ich dachte, du willst dich nicht mehr mit mir treffen.“, sie musste anfangen zu lächeln, sicher dachte sie an das gleiche. Uns trennten 8 Jahre, ich befand mich in meinen Abitur Vorbereitungen, sie berufstätig als Künstlerbetreuerin für ein bekanntes Musiklabel. „Ich fahre für ein Jahr nach Australien, weg von hier, von Berlin“, sie blickte in meine Augen, ich wich ihren Blicken aus, ich starrte erst auf die Kerze, nahm dann einen großen Schluck Kaffee, um mich aus ihren Händen zu lösen. Während ich trank, rang ich nach einer passenden Antwort, mir fiel nichts anderes ein als zu fragen, wann sie denn fahren würde. „Am 1. Februar, zeitig genug, um diesen Wintertrott zu entfliehen.“. Was sich in meinem Gesicht wieder spiegelte wusste ich selbst nicht, ich wusste ja nicht einmal, was ich dazu denken sollte. Das wir uns getroffen hatten, war eh ein Zufall gewesen. Ihre Anzeige war kein Inserat gewesen für sie sucht sie, sie hatte nach jemanden gesucht, eine Lufthansa Mitarbeiterin, die ihr dabei geholfen hatte, ihr Gepäck wieder zu finden, was auf dem Flug Frankfurt- Berlin, abhanden gekommen war und Vera dabei half, ihre Gepäckanzeige aufzugeben.
Als ich ihr Inserat gelesen hatte, klickte ich ihr eingefügtes Foto an. Es war ein Foto von ihr am Strand, sie stütze ihr Gesicht mit ihren Händen ab, lange dunkle Haare, strahlend braune Augen, ihre Haut braungebrannt, als nächstes viel mir ihre Tätowierung auf, die sich vom linken Oberarm bis zum Ellenbogenansatz abzeichnete.
Ich mailte sie natürlich sofort an, mit den plumpen, schlichten Worten, dass ich es zwar nicht sei, nach der sie suche, aber man sich ja trotzdem auf einen Kaffee treffen könne. Bei unserem ersten Date meinte sie, dass ihr Gesuche keinen ernsten Hintergrund hatte, sondern eher als ein Scherz zu verstehen war. Ihr Gepäck hatte sich nach einer Woche aufgefunden, es kam auch zu keinen weiteren Antworten auf ihre Anzeige, sie musterte mich währenddessen, ich erwiderte mit einem Schmunzeln: „Du hast ja jetzt mich gefunden bzw. ich habe dich gefunden.“, was mich zu dieser selbstbewussten Antwort hinriss, war mir allerdings nicht gleich klar gewesen. Die Vertrautheit, die ich in den ersten Augenblicken mit ihr verspürte, es klickte von Anfang an zwischen uns, die zahlreichen Erdbeer Daquiries taten ihr restliches, um mich in meiner Aussage bestätigt zu fühlen. Wir verbrachten bei unserem Date die Nacht miteinander und sahen uns von da an so gut wie täglich.
Drei Wochen später, saßen wir jetzt hier, mit der Nachricht, dass sie mich auch so schnell wir uns kennen gelernt hatten, auch wieder verlassen würde. Ich überlegte, ob es unfair von ihr gewesen war, mich in ihr Leben zu lassen, mit der Gewissheit, dass sie sich bald aus dem Staub machen würde. Wut stieß in mir auf, ich wollte nur noch gehen, stattdessen saßen wir uns eine Weile schweigend gegenüber. Ich fühlte wie sie mich beobachte, vielleicht hoffte sie darauf, dass ich aufstehen würde, was ich tat, ich ging zur Toilette. Ich hoffte, dass es mir genügend Zeit gab, um mir eine passende Reaktion zu überlegen. Ich stand am Waschbecken, stützte mich mit meinen beiden Händen vom Rand ab, meine Beine zitterten, ich ärgerte mich über mich selbst, darüber wie sehr ich mich bereits auf Vera eingelassen hatte. Ich wusch mir das Gesicht, als in den Spiegel schaute, stand Vera hinter mir. Ich hatte sie nicht hereinkommen hören. Sie blickte durch den Spiegel in mein nasses Gesicht, meine Hände stützten sich wieder vom Waschbeckenrand ab, ich hatte das Gefühl, dass mein ganzer Körper bebte und hoffte nur, dass es Vera nicht auffiel. Mein Gesicht trocknete von selbst. Bewegen wollte ich mich nicht, ich wollte, dass sie geht. Sie drehte mich zu sich, ich stieß ihre Hände weg und bevor ich etwas sagen konnte, kam sie mir zu vor. „ Und ich will, dass du mit mir kommst!“.
„ Du willst, dass ich mit dir mitkomme?“, meine Stimme überschlug sich. „ Ja, warum denn nicht, du willst doch auch nicht hier sein. Ich will, dass wir gemeinsam durch Australien reisen. Es ist doch kein Zufall, dass wir uns getroffen haben.“. Ich starrte fassungslos auf die pechschwarzen Fußbodenfliesen, ich dachte an mein Abitur, an meine Eltern, an mein Leben in Berlin. „Alles auf rot?“, flüsterte ich vor mich hin. Sie hatte Recht, es war kein Zufall gewesen, dass wir uns getroffen haben. Sie nahm meine kalte Hand und fragte mich, ob ich einen Bikini besäße. Ich nickte mit einem unsicheren Lächeln.
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lindsey21. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.