von Eiraith
Das erste Mal fiel sie mir an einem Frühsommertag auf. Ich kam gerade vom Einkaufen; Brot, Käse, Obst, Milch, und, zu meiner besonderen Freude, eine Literpackung Eis.
Ich weiß nicht mehr genau was mich dazu veranlasste, meinen Blick auf sie zu lenken.
Aber als er ersteinmal dort angekommen war, konnte ich ihn auch nicht mehr abwenden.
Sie an sich war schon eine verwunderbare Erscheinung. Ihre Kleidung war ein vielfältiges Chaos, kein Stück passte so recht zum anderen und sah doch gut zusammen aus.
Ihre Haare standen ihr wirr vom Kopf ab, obwohl sie eigentlich viel zu lang waren um solch einen Elan an den Tag zu legen.
Zu allem Überfluss war sie auch noch barfuß.
- und unterhielt sich mit einem Löwenzahn, der seinen Kopf trotzig durch die überpflasterte Erde gesteckt hatte.
Gefangengenommen von diesem Bild lehnte ich mich unauffällig - wie ich zumindest hoffte - gegen eine Hauswand und ließ mich in die Hocke hinabgleiten.
Das vermutlich vor sich hinschmelzende Eis war vergessen, meine Mitbewohner, die hungrig auf die Einkäufe warteten ebenfalls, - alles was ich noch wahrnahm war die junge Frau, die dem Löwenzahn nun ein Lied vorsang.
Wie lange ich dort saß? Es hätte genausogut eine Stunde wie auch fünf Minuten sein können.
Schließlich stand sie auf, warf der Pflanze einen letzten Blick zu, und ging.
Nach einer Weile erhob auch ich mich wieder, schüttelte mich wie ein Hund um das eben erfahrene gleich wieder loszuwerden, bemerkte erschreckt meine Einkaufstüte, erinnerte mich des Inhaltes und jagte so schnell ich nur konnte nach Hause, um mich dort vorwurfsvoll empfangen zu lassen.
Unser zweites Zusammentreffen fand im Bus statt, auf meinem Weg von der Uni nach Hause.
Ich ging, in einem Sitz in der letzten Busreihe zusammengerollt, gedanklich nocheinmal die Inhalte der letzten Vorlesung durch - löblich löblich, wie einer meiner Professoren urteilen würde -, als mir ihr wirrer Haarschopf einige Reihen vor mir auffiel.
Eigentlich war es eher die unkontrollierte Bewegung gewesen, die mich aufmerksam gemacht hatte.
Sie schien etwas zu rubbeln, schrubben? Ich konnte es nicht genau erkennen, da ihr Körper und die Sitzlehnen mein Blickfeld sehr einschränkten.
Abermals schaute ich ihr fasziniert zu. Sie wirkte energischer diesmal, strahlte auch nicht die Ruhe der Löwenzahnunterhaltung aus.
Als der Bus das nächste Mal anhielt sprang sie erschrocken auf und eilte hinaus.
Mit meiner Konzentration war es nun auch vorbei. Die Vorlesungsinhalte verschwanden auf nimmer wiedersehn, und ich wartete sehnsüchtig auf meine Haltestelle um endlich an die Luft zu gelangen.
Als es tatsächlich soweit war ließ ich dennoch schnell einen Blick auf ihren Platz schweifen.
An der Lehne ihres Vordersitzes war nur noch sehr schwach ein Hakenkreuz zu erkennen. Dafür umso mehr Schabspuren.
Lächelnd verließ ich den Bus.
Ich fing an mich vermehrt zu fragen, was für eine Person sie sei.
Einmal träumte ich sogar von ihr.
Es war ein mehr als verwirrender Traum in dem wir gemeinsam über eine Wiese tollten bis sie mich beiseite stieß um ein niedergetretenes Gänseblümchen zu trösten.
Ich erwachte mit Herzklopfen.
Die Tage verstrichen und ich ertappte mich immer wieder dabei, verstohlen nach ihr Ausschau zu halten.
Ich begann, den Löwenzahn im Vorbeigehen zu grüßen. Stumm nur, mit einem Kopfnicken, aber es reichte auch so für irritierte Passantenblicke.
Ein oder zweimal meinte ich, sie an einer Straßenecke verschwinden zu sehen. Aber sicher war ich mir nie.
Unsere erste wirkliche Begegnung fand erst viele Wochen später statt, als ich sie schon fast wieder vergessen hatte.
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Eiraith. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.