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Aus dem Alltag gerissen V

von Preya


Nele starrte auf das Bild an der Wand über dem Bett. Eine Lichtung umringt von tiefem Wald. Sie hatte es Gilian zum Geburtstag geschenkt als sie gerade ein paar Monate zusammen waren. Gilian hatte es sofort aufgehängt und schaute jetzt jeden Tag ein paar mal hinüber, wenn sie lernte und Nele ihr ein bisschen ihre Aufgaben versüßen sollte, oder wenn sie einfach so an ihren Engel dachte. Was hatte sie nur getan? Wie konnte sie diese Worte nur gesagt und gedacht haben. Was war in sie gefahren in dem Moment. Sie hatten sich nicht einmal gestritten. Das Wochenende war nicht nach ihrer Vorstellung verlaufen, aber war das so ausschlaggebend dafür gewesen? Hatte sie das so aufgebracht, als sie sagte „Du liebst mich nicht!“? War es nur, weil Gilian mal wieder nichts richtiges geplant hatte und sie einfach so in das Wochenende hinein gelebt hatten, wie schon so oft? Nele dachte nach. War am Ende sie Schuld daran, dass Gilian nicht aufgepasst hatte und der LKW hatte seinen Teil nur dazu beigetragen.
„Magst du mir nicht vielleicht doch sagen, was los ist?“, fragte Rebecca. Von Nele unbemerkt hatte sie dir Tür geöffnet und stand nun im Rahmen.
“Ich war gemein”, gab Nele zu. “Ich war nicht nur gemein, ich hab ihr ernsthaft wehgetan. Ich hab glaub ich das Schlimmste überhaupt gesagt.”
Rebecca war ins Zimmer getreten und saß nun auf dem Rand von Gilians Bett. Sie wunderte sich etwas, dass sie jetzt so bereitwillig redete. Aber vielleicht war nun eine kleine Chance gekommen, dass die beiden sich endlich besser verstehen würden. “Nele, du musst nicht, wenn du wirklich nicht willst.”
Erst sagte sie nichts, doch dann: “Rebecca, ich habe ihr an den Kopf geworfen, dass sie mich nicht liebt.”
Rebeccas Kinnladen fiel hinunter. Sie war sich nicht sicher, ob sie sich verhört, oder ob Nele dies gerade wirklich gesagt hatte. Ebenso wenig wusste sie, wie sie über die Freundin ihrer besten Freundin jetzt denken sollte. “Du hast was getan?”
“Ich weiß… ich war so dumm.”
“Allerdings. Entschuldigung dass ich das jetzt sage, aber: allerdings!”
“Denkst du, es ist deswegen passiert?”
“Nele, mach dich nicht verrückt. An dem Unfall hast du keine Schuld. Da hat dieser bescheuerte LKW-Fahrer nicht aufgepasst. Nicht richtig auf den Verkehr geachtet und Nele war zur falschen Zeit am falschen Ort. Und Nele kennst sich selbst sehr gut. Wenn sie meint, sie könne sich nicht auf den Verkehr konzentrieren, dann fährt sich nicht mit dem Rad.”
Jetzt war Nele überrascht. Sie hatte einen Anschiss erwartet. Anschuldigen. Gebrüll. Schuldzuweisung. “Aber wenn doch?”
“Nichts “aber wenn doch”. Gilli ist alt genug. Sie ist nicht so unvernünftig.”
Eine kurze Pause kam auf. Weder Nele noch Rebecca wussten was sie sagen sollten, bis Rebecca schließlich doch das Wort ergriff. “Ich verstehe nicht, wie du darauf kommst. Ganz ehrlich nicht. Gilli tut seitdem ihr zusammen seid, und das ist ja jetzt auch schon ein ganzes Weilchen, alles für dich. Sie hat dir schon so oft gezeigt, wie sehr sie dich liebt. Denk nur an das kleine Feuerwerk was sie arrangiert hat, weil ihr Sylvester nicht zusammen feiern konntet und ihr euch deswegen so sehr gestritten habt. Sie steht voll und ganz hinter dir, eurer Liebe und eurer Beziehung. Vor uns, vor ihren Eltern und auch in der Öffentlichkeit. Du weißt, wie eiferstüchtig sie auf Marie ist, wenn sie hört, wie nah sie dir gekommen ist und sie selbst nicht dabei war. Das sollte dir eigentlich der größte Beweis dafür sein, dass sie dich liebt!”
“Ich weiß”, seufzte Nele.
“Warum dann dieser Vorwurf?”
“Ich weiß es nicht mehr, verstehst du? Ich habe keine Ahnung mehr. Ich habe mich das auch schon so oft gefragt, aber ich weiß es einfach nicht mehr!”
“Jetzt weiß ich wenigstens was mit ihr los war.” Rebecca reichte Nele ein Glas Wasser. “Trotzdem hat das nichts mit dem Unfall zu tun.”
“Nele nickte. “Lässt du mich jetzt bitte allein?” Warum genau sie jetzt alleine sein wollte, wusste sie nicht genau. Vielleicht weil sie Rebecca so viel erzählt hatte und sich jetzt irgendwie ohne Schutz fühlte.
“Ist gut. Möchtest du Morgen vielleicht mit mir zusammen frühstücken?” Sie machten einige Schritte aufeinander zu. Nur durch diese Unterhaltung fühlte es sich schon anders an.
“Ich glaub schon.” Sie lächelte leicht. “Ja, ich glaube, das ist eine gute Idee.” Sie taten es für Gilli, beide. Beide wussten wie sehr Gilian darunter litt, dass die beiden wichtigsten Frauen in ihrem Leben nicht miteinander auskamen.
“Möchtest du ein Frühstücksei?”
“Nein, danke. Ich bin nicht so der Eier- Fan”, antwortete Nele.
Rebecca grinste. Das konnte man jetzt auch zweideutig auffassen. Auch wenn sie wusste, wie es gemeint war, sie fand es urkomisch. “Also gut, bis Morgen dann. Schlaf gut. Und mach dir nicht mehr so viele Gedanken, ja? Dich trifft keine Schuld.” Sie schloss leise die Tür hinter sich.
Rebecca hatte gut reden. Sie hatte Gilians Verhalten zwar mitbekommen, nicht aber ihre Reaktion. Vier Wochenenden waren seither vergangen. Vier seltsame Wochenenden. Gemeinsam und doch irgendwie allein. Gilian hatte jedes Mal einen Haufen an Uni-Kram mitgebracht und die meiste Zeit über ihren Büchern gesessen. Normalerweise erledigte sie diese Sachen unter der Woche, damit sie am Wochenende Zeit für sich hatten, aber in der letzte Zeit hatte sie immer gesagt, sie hatte es nicht geschafft. Nele dachte noch lange darüber nach. Über ihre Worte, Gilians Verhalten und Reaktion und die letzten Wochen. Irgendwann gegen drei Uhr in der Früh fielen ihr vor Müdigkeit die Augen zu.




copyright © by Preya. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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