von Moon84
Aus zwei verschiedenen Welten (2)
„Hey! Was ist denn los?“ Julia zuckte zusammen, ihr Blick wurde allmählich wieder klarer und sie schaute zu ihrer besten Freundin Sarah auf. „Hmm??? Was meinst du?“ „Na, du sagtest, du wolltest nur mal schnell etwas frische Luft schnappen. Das war vor bestimmt 15 Minuten. Ich hab mir Sorgen gemacht. Und nun finde ich dich hier, wie du mal wieder vor dich hin starrst.“ „Ach, es ist nichts weiter. Du kannst ruhig wieder rein gehen. Ich rauch noch Eine und dann komm ich nach. Versprochen.“
Seit dem Vorfall vor einigen Monaten schweiften Julias Gedanken ständig ab. Sie bemühte sich zwar, nicht laufend diesen nach zuhängen, doch meistens gelang es ihr nicht – so auch eben, als es ihr auf einmal wieder viel zu eng und stickig in der Disco wurde. Sie konnte seit kurzem die Nähe von so vielen Menschen auf kleinstem Raum auf die Dauer einfach nicht mehr ertragen...
Nun stand sie draußen in der Nähe des Haupteinganges und zündete sich in aller Ruhe eine Zigarette an. Sie zog den warmen, blauen Qualm tief in ihre Lungen hinein, um ihn dann wieder genüsslich in den Nachthimmel aus zu atmen. Am liebsten hätte sie über nichts nachgedacht, doch die erlebten Geschehnisse suchten und fanden stets den Weg in ihre Erinnerung.
Auch jetzt stand sie wieder wenige Herzschläge davor, ihre Ängste zu durchleben. Doch ehe dies passieren konnte, hörte sie plötzlich das aufgedrehte Kichern und fröhliche Lachen einiger Frauenstimmen, die ihre ganze Aufmerksamkeit auf sich zogen. Davon neugierig geworden, wandte Julia ihren Blick in die Richtung, aus der die gute Laune zu kommen schien. Und schon bogen vier junge Frauen um die Ecke zur Disco. Julia musterte alle Vier ausgiebig:
Bei den ersten Beiden konnte sie nichts besonders Interessantes feststellen – die Eine trug eine Brille und die Andere hatte eine extrem knabenhafte schlanke Figur. Auffälliger wirkte hingegen die Blondine daneben. Sie trug ihr langes Haar offen, klimperte mit ihren langen Wimpern jeden attraktiven jungen Mann in ihrer Nähe an und zog mit ihrem tief ausgeschnittenen Dekolleté alle Blicke auf ihre große Oberweite. Doch erst die junge Frau neben der Sexbombe nahm die gesamte Aufmerksamkeit von Julia ein – sie hatte eine sportliche, aber dennoch frauliche Figur, welche in der engen dunklen Jeans und dem knappen schwarzen T – Shirt besonders hervorgehoben wurde. Ihr dunkles Haar fiel ihr leicht über die Schultern und rahmte ein ovales Gesicht mit ausgeprägten Wangenknochen ein. Während Julia die junge Frau ausgiebig in Augenschein nahm, drehte sich diese zu ihren Freundinnen um. Julia blieb beinahe die Luft weg. Erst jetzt fielen ihr die blauen Augen, die schelmisch, frech in die Runde strahlten, und ein Lächeln, dem sie sich nicht entziehen konnte, auf.
Ehe sie verstand, was da eben mit ihr passiert war, verschwand die Gruppe in der Disco und Julia musste sich beeilen, dass sie die vier Mädels bei all den verschiedenen Tanzflächen nicht aus den Augen verlor. Sie entdeckte sie jedoch recht schnell, wie sie am Tresen saßen, die Unbekannte gerade einen Tost aussprach und ihren Freundinnen zuprostete.
Während Julia damit beschäftigt war, zu überlegen, wie sie die junge Frau ansprechen und näher kennen lernen könnte, wurde diese schon durch die Blondine auf die Tanzfläche gezogen. Dort wirkte sie anfänglich ein wenig unbeholfen. Ihre noch vor kurzem fröhlich strahlenden blauen Augen blickten nun Hilfe suchend um sich herum. Schämte sich die Unbekannte etwa gerade und wurde deswegen rot oder bildete sich Julia das nur ein? Sie wirkte in dem Moment so zerbrechlich, dass Julia am liebsten auf die Bühne gegangen wäre und dieses scheue Wesen in die Arme genommen hätte. Doch wie in einem schlechten Film kam ausgerechnet jetzt Sarah auf sie zu und machte ihr Vorhaltungen, warum sie eigentlich mit ihr in die Disco gekommen wäre, wenn sie doch nur allein herum hängen würde. Julia hatte keine Lust, sich mit ihrer besten Freundin zu streiten und so lenkte sie schnell ein und entschuldigte sich bei Sarah.
Kurz darauf wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Tanzfläche zu, auf der plötzlich eine scheinbar völlig ausgewechselte junge Frau durch die Gegend wirbelte. Was war zwischenzeitlich passiert? Eben wirkte die Unbekannte noch unsicher, doch jetzt drehte sie sich, lachte und tanzte abwechselnd mit jeder ihrer drei Freundinnen. Julia konnte sich gar nicht satt sehen an dieser bezaubernden Erscheinung – das Strahlen in dem Gesicht, die leuchtenden blauen Augen und erst dieses hinreißende Lächeln... um Julia war es eindeutig geschehen, daran gab es keinen Zweifel. Umso enttäuschter musste sie feststellen, dass die vier Mädels nach einigen, wohl viel zu kurzen, Songs die Tanzfläche wieder zu verlassen schienen und so aus ihrem ungestörten Blickfeld verschwanden.
Doch was war das? Julias Objekt der Begierde drehte sich auf einmal um und ließ ihren Blick suchend über die Tanzfläche und alle Gäste gleiten. Suchte sie jemanden? Hatte sie vielleicht gemerkt, dass Julia sie die ganze Zeit beobachtet hatte? Julia hatte keine Zeit es herauszufinden, da in diesem Moment Sarah auch schon wieder mit einem Glas Cola – Rum in der Hand vor ihr stand. Sie verstand das Glas als Entschuldigung für den Streit zuvor, nahm es und versuchte dabei, der unbekannten Schönen unauffällig hinterher zu schauen, doch diese war in der Menschenmenge bereits verschwunden.
Während sich Julia mit Sarah unterhielt und von ihrem Getränk nippte, dröhnten nach einiger Zeit die ersten Takte von Timbalands „Apologize“ durch die Boxen. Rein intuitiv wanderte Julias Blick in Richtung Bühne, wo sie die junge Schönheit auch sofort erspähte... jedoch in scheinbar inniger Umarmung mit der blonden Sexbombe tanzend !!! Lief da etwas zwischen den Beiden? Julia spürte wie Traurigkeit in ihr hoch stieg. So weh der Anblick ihr auch tat, sie konnte ihren Blick dennoch nicht von den zwei jungen Frauen abwenden.
Umso irritierter war Julia, als sie spürte, wie die blauen Augen der Unbekannten gerade direkt in ihr Gesicht und wohl von dort aus bis in ihre Seele schauten. Der tiefe, beinahe hypnotisierende Blick schien kein Ende nehmen zu wollen... bis, ja bis sich die Unbekannte aus ihrer inneren Starre löste und ihren Blick über Julias gesamten Körper wandern ließ. Julia spürte, wie eine unbeschreibliche Hitze in ihr aufstieg und ihr Magen anfing, sich zusammen zu ziehen. Dabei überzog ein wohliger Schauer ihren Körper. Nun fing auch sie an, die junge Frau auf der Tanzfläche ausgiebig zu mustern. Dabei stellte Julia amüsiert fest, dass scheinbar auch ihr Blick seine Wirkung nicht verfehlte, da der jungen Frau unvermittelt die Schamesröte ins Gesicht schoss und sie daraufhin fast panisch die Tanzfläche verließ. Julia konnte sich ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen und wandte sich wieder ihrer besten Freundin zu, die gar nicht bemerkt zu haben schien, dass Julia ihren Erzählungen nicht gefolgt war.
Nach ein paar Minuten suchten sich die beiden Freundinnen einen freien Tisch, der etwas geschützt in einer weniger stark beleuchteten Nische der Disco stand. Von dort aus konnte Julia die vier Mädels ungestört beobachten, ohne selbst sofort von diesen gesehen zu werden. Auf die Weise konnte sie auch sehen, wie die Unbekannte von der Theke aufstand und allein die Toiletten ansteuerte. Das war ihre Chance! Sie wartete einen kurzen Augenblick und folgte ihr.
Das war jedoch schwerer als gedacht... Julia brauchte bestimmt eine halbe Ewigkeit, ehe sie sich endlich durch die Menschenmenge zu den Damentoiletten durchgekämpft hatte. Hoffentlich kam sie nicht zu spät. Sie drückte die Tür zum Toilettenvorraum auf und atmete tief durch. Die junge Frau, die ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte, stand keine 3 Meter vor ihr! Sie hatte die Augen geschlossen und schien absolut entspannt zu sein. Julia glaubte, einen Engel vor sich zu sehen. Doch lange konnte sie diesen Anblick nicht genießen, da die junge Frau gerade wieder ihre Augen geöffnet hatte, in den Spiegel blickte und sie ganz entgeistert anstarrte.
Abrupt drehte sie sich um und sah Julia fast ein wenig ängstlich ins Gesicht. Was mochte sie wohl denken? Fürchtete sie sich etwa vor ihr? Julia wollte die Spannung aus der Situation nehmen, doch aus irgendeinem Grund kamen ihr all die Worte, die sie sagen wollte, nicht über die Lippen. Und so handelte sie rein instinktiv. Sie dachte nicht groß nach, sondern ging langsam auf die Unbekannte zu. Diese reagierte allerdings wie ein verschrecktes Tier, das in der Falle saß, und wich immer weiter vor Julia zurück bis irgendwann eine Toilettentür der „Flucht“ ein Ende setzte. Julias Blick lag seltsamer Weise ganz ruhig auf dem Gesicht der jungen Frau, dabei entdeckte sie Furcht aber auch Ungewissheit in deren blauen Augen. Wie konnte sie der Anderen nur die Angst nehmen?
Julia hob ganz langsam ihren Arm und streckte diesen nach ihr aus. Kurz bevor sie jedoch die zarte, leicht gebräunte Haut berühren konnte, gab es einen Schlag, die Tür zur Toilette sprang auf und schlug gegen die Wand der Nachbarkabine. Die schöne Unbekannte hatte sich gegen die Tür gelehnt und war nun dieser hinterher in die Kabine gestolpert. Beide Frauen standen jetzt dicht gedrängt in dem engen Raum. Julia spürte zwar die Nervosität der Anderen ganz deutlich, aber aus irgendeinem Grund war sie sich sicher, dass sie das Richtige tat. Sie schloss langsam die Tür und betrachtete die Frau vor sich. Sie wartete auf ein Zeichen...
Julia konnte die Spannung aber nicht mehr länger ertragen. Sie wollte endlich diese Frau berühren und so strich sie behutsam über deren Wange. Wie weich ihre Haut doch war?!? Sie nahm jedes kleine Signal wahr, dass der fremde Körper aus sandte und so entging es ihr auch nicht, dass die Frau vor ihr zuerst wie elektrisiert da stand, um im Anschluss voller Vertrauen die Augen entspannt zu schließen. Jetzt wurde Julia beinahe von ihrer eigenen Lust übermannt. Sie wollte den Moment jedoch in jeder Einzelheit auskosten und so zwang sie sich zur Ruhe. Sie beugte sich langsamen nach vorn und genoss erst das frisch riechende Parfum der Anderen, ehe sie deren Hals vorsichtig mit ihren Lippen berührte. Julia wollte sie aber nicht nur riechen sondern auch schmecken, woraufhin sie ihren Mund leicht öffnete. Ihre Zunge wanderte abenteuerlustig über die sich entwickelnde Gänsehaut und suchte sich ihren Weg hinauf bis zum Ohrläppchen. Als sie dieses erreicht hatte, saugte sie zärtlich daran, bis der Unbekannten ein leises Stöhnen entwich. Das gab Julia den Rest, sie konnte und wollte sich nicht mehr beherrschen. Ihre Erregung übernahm endgültig die Kontrolle. Sie wollte diese Frau noch intensiver spüren. Während Julias Hände zur Hüfte der Fremden wanderten und sie noch näher an sich zogen, fand ihr Mund problemlos die fremden Lippen. Wie zart und sanft dieser Mund doch küssen konnte?!? Wie würde dann wohl erst noch der Rest schmecken? Die schöne Unbekannte in ihren Armen beantwortete ihr die Frage sofort, indem sie Julias Zunge bereitwillig Einlass gewährte. Neugierig, aber dennoch zurückhaltend glitt Julias Zunge in den fremden Mund. Während sie mit der Zunge der jungen Frau spielte, explodierte ein Feuerwerk nach dem anderen in ihr. Ihr Kuss wurde immer leidenschaftlicher.
Beinahe wäre Julia an Atemnot zusammengebrochen, denn sie genoss die unbeschreibliche Nähe und wollte diesen Kuss einfach nicht beenden. Aber wie schon an diesem Abend mehrere Male zuvor hatte ihre beste Freundin Sarah die besondere Gabe, gerade diesen Moment mit „Julia? Bist du hier?“ unbewusst zu zerstören...
So löste sich Julia widerwillig vom Objekt ihrer Begierde, flüsterte ihr ein „Das war wirklich schön. Vielleicht sieht man sich ja mal.“ zu und verließ enttäuscht die Kabine. An der Tür zum Toilettenvorraum stand Sarah und schaute sie fragend an: „Du hast aber ganz schön lange gebraucht. Können wir jetzt endlich gehen?“ „Ja, sorry. Hat halt etwas länger gedauert.” Die beiden Freundinnen holten ihre Jacken und verließen die Disco.
Einige Wochen später...
Julia war wieder ganz in ihrem Alltag eingetaucht – arbeiten, essen, schlafen und wieder arbeiten. Dennoch war irgendwie nichts mehr so, wie es einmal war. Diese wunderschöne Fremde ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Wie viele Male hätte sie sich schon ohrfeigen können, dass sie nicht einmal wusste, wie sie hieß, geschweige denn nach ihrer Telefonnummer gefragt hatte?!? Wie sollte sie diese Frau jemals wiedersehen?
Da riss das Klingeln an der Tür sie aus ihren Gedanken. Julia ging an die Wechselsprechanlage. „Hallo?“ „Ich bin's Sarah. Wollen wir gleich los?“ Ach ja, sie wollten doch heute zur Demo in die Innenstadt. Zum Glück war Julia schon umgezogen und zum Abmarsch bereit. Während sie ihr selbst bemaltes Schild „Gegen Polizeiwillkür“ hinter der Tür hervorholte, wurde ihr wieder schmerzlich bewusst, warum sie an dieser Demonstration hatte teilnehmen wollen...
Vor gut 4 Monaten hatte sie eine Freundin in Hamburg besucht und verbrachte mit dieser einen netten Abend in einer bekannten Lesben- und Schwulenkneipe. Auf dem Nach-Hause-Weg wurden sie jedoch von einem äußerst ungepflegten Typen angebaggert, der der Meinung war, dass die beiden Mädels wohl noch nie den richtigen Mann gehabt hätten und er sie doch selbstverständlich „umpolen“ könnte. Ohne Vorankündigung grabschte er nach beiden und bekam Julias Arm zu fassen, er riss sie an sich und machte sich sofort an ihrem knappen Top zu schaffen. Julia war anfänglich wie gelähmt. Sein nach Alkohol stinkender Atem und seine Körperfülle nahmen ihr die Kraft zum Schreien. Zum Glück war sie jedoch nicht allein. Ihre Freundin zerrte den widerlichen Typen von ihr weg, trat ihm dorthin, wo es Männern besonders weh tut, griff nach Julias Hand und rannte mit ihr davon.
Als ob ihr dieser Alptraum nicht schon gereicht hätte, wurde ihr auf dem nächsten Polizeirevier nicht wirklich weiter geholfen. Der Polizist, der die versuchte Vergewaltigung aufnehmen sollte, blinzelte Julia die ganze Zeit nur mit seinen Schweinsäuglein ungläubig an. Julia saß noch immer unter Schock stehend wie ein Häuflein Unglück vor ihm. Sie versuchte sich an jede Kleinigkeit zu erinnern, doch es wollte ihr einfach nicht gelingen. Nach einer gefühlten Ewigkeit brach der Beamte die Vernehmung ab, reichte Julia eine Visitenkarte des „Weißen Ringes“ und meinte, wenn ihr doch noch etwas einfallen sollte, könne sie jederzeit zur Polizei kommen. War das etwa alles? Warum half man ihr nicht? Hätte sie erst vergewaltigt werden müssen, ehe jemand Notiz von ihr nahm? Julia fing an zu weinen. Jetzt hatte sie ihr Vertrauen in die Polizei als dem sogenannten "Freund und Helfer" verloren. Julia dachte mit Grauen an diese Nacht zurück.
In der Innenstadt kamen die beiden Freundinnen wenige Minuten später gerade rechtzeitig an, da sich der Demonstrationszug augenblicklich in Bewegung setzten wollte. Sie hielten ihre Schilder hoch und machten ihrem Unmut lauthals Luft. Am Rathausvorplatz hielt der gesamte Zug an und Julia nahm sich die Zeit, ihre Polizeieskorte näher zu betrachten. Hätte ihr Einer von denen damals geholfen? Bestimmt nicht. Und wie sie ihren Blick so schweifen ließ, setzte ihr Herz für einen Moment aus... Dort stand ihre schöne Unbekannte – aber in Uniform! Sie war eine von denen. War das wirklich möglich?
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Moon84. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.