Um LESARION optimal zu gestalten und fortlaufend zu verbessern verwenden wir zur Auswertung Cookies. Mehr Informationen über Cookies findest du in unseren Datenschutzbestimmungen. Wenn du LESARION nutzst erklärst du dich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.




Stories » Detail

Aus zwei verschiedenen Welten (4)

von Moon84


Alex stürmte Hals über Kopf aus dem Behandlungszimmer hinaus, dabei vergaß sie sogar, sich am Empfang bei der freundlichen, älteren Sprechstundenhilfe zu verabschieden, welche ihr nur kopfschüttelnd hinterher sah. Sie rannte die Treppe, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, hinunter und verließ aufgewühlt das Ärztehaus. Nach wenigen hastigen Schritten saß sie endlich im Funkstreifenwagen. Ihr Herz pochte ihr noch immer bis zum Hals, sie hörte ihr eigenes Blut in den Ohren rauschen und konnte nur mit viel Mühe ihre durcheinander geratenen Gedanken ordnen.
Alex fühlte sich so zerrissen wie noch nie in ihrem Leben zuvor. Einerseits hatte sie das erotische Knistern in der Luft, das vorsichtige Annähern und die zarte Berührung Julias sehr genossen, doch andererseits fürchtete sie sich davor, die Kontrolle über ihr Handeln zu verlieren und die womöglich damit verbundenen Konsequenzen für ihr weiteres Leben tragen zu müssen. Was sollte sie bloß tun? Vollkommen verzweifelt startete sie den Motor, legte den Gang ein und fuhr blindlings davon.

Währenddessen stand Julia immer noch wie angewurzelt mitten im Behandlungszimmer. Was war da eben geschehen? Hatte sie die Situation falsch eingeschätzt? Sie hätte schwören können, dass sie im Blick der unbekannten Polizistin die gleiche Fülle an Unsicherheit und Faszination, aber auch an Gefühlen und Verlangen gelesen hatte, wie Julia sie selbst empfand. Scheinbar hatte sie sich jedoch geirrt. Diese Erkenntnis tat weh. Noch mehr schmerzte sie allerdings die Gewissheit, dass sie bereit gewesen war, ihr Herz zu verschenken und nun wurde dieses ohne ein Wort zu verlieren einfach weggeworfen... Julia ließ Kopf und Schultern hängen. Am liebsten hätte sie sich in einer dunklen Ecke zusammen gekauert und geweint. Doch dafür war jetzt keine Zeit. Vielmehr musste sie sich zusammenreißen, schließlich dauerte es noch einige Stunden bis zu ihrem Feierabend. Sie spannte ihre Muskeln an, straffte ihren Körper und atmete tief durch. Sie wollte stark sein, so tun, als wäre nichts passiert und trotzdem konnte sie es nicht verhindern, dass eine einzelne Träne ihre Wange bis zum Mundwinkel hinab rollte. Sie wischte diese schnell weg und ging wieder an ihre Arbeit.

Nachdem Alex einige Zeit völlig ziellos durch die Stadt gefahren war, stürzte sie sich wieder in ihre Arbeit. Nur nicht über das Erlebte nachdenken! Das gelang ihr auch so lange, bis sie irgendwann am Abend in ihrem Bett zur Ruhe kam. Krampfhaft versuchte sie ein zu schlafen, dabei wälzte sie sich jedoch immerzu von der einen auf die andere Seite. Jedes Mal, wenn sie ihre Augen schloss, sah sie Julia vor sich... ihre weichen vollen Lippen, die so unbeschreiblich zärtlich küssen konnten, ihr schlanker, sportlicher Körper, den Alex zu gern Zentimeter um Zentimeter entdecken würde und ihre Reh braunen Augen, die anfänglich strahlten wie zwei Sterne und zum Schluss so traurig aussahen, dass es Alex im Nachhinein noch beinahe das Herz zerriss. Das konnte so einfach nicht mehr weitergehen. Alex nahm sich fest vor, am nächsten Tag noch einmal die Praxis aufzusuchen und mit Julia zu sprechen.
Nachdem Alex diese Entscheidung für sich getroffen hatte und endlich eingeschlafen war, verging die Nacht beinahe wie im Fluge. Am nächsten Morgen wachte sie dementsprechend erschöpft und unausgeschlafen auf. Mit Mühe raffte sie sich auf, ging ins Badezimmer duschen und fuhr zumindest ein wenig wacher und erfrischter zum Dienst. Nun konnte der Tag losgehen. Hoffentlich würde Alex all ihre Vorsätze auch umsetzen?! Dieser Tatendrang hielt jedoch nicht sehr lange an, da im Gegensatz zur äußerst kurzen Nacht der Tag nur in Zeitlupe zu vergehen schien. Ständig sah Alex auf ihre Uhr, doch der Feierabend wollte und wollte nicht näher rücken. Bis es dann endlich doch soweit war. Alex zog sich schnell um, sprang in ihr Auto und raste in Richtung Ärztehaus. Hoffentlich kam sie nicht zu spät und Julia war noch da.
Wie am Vortag rannte Alex durch das Treppenhaus, nur dass sie diesmal nach oben und nicht nach unten hetzte. Mit viel Schwung riss sie die Tür zur Praxis auf und fand eine erschrockene Sprechstundenhilfe darin vor. „Sie haben mich vielleicht erschreckt! Die Praxis ist für heute bereits geschlossen. Bitte kommen Sie morgen wieder oder holen Sie sich einen Termin!“ Alex stutzte kurz. „Ich brauche aber gar keinen Termin. Ist Schwester Julia noch da?“ In diesem Moment kam der ältere Arzt mit zahlreichen Patientenakten in der Hand um die Ecke. Während er einzelne Akten weiter durch sah, antwortete er ohne auf zuschauen: „Tut mir Leid, aber Julia ist plötzlich krank geworden.“ Erst auf die Nachfrage von Alex, was diese habe, blickte der Doktor sie verwundert an. Ein wissender Blick überzog sein Gesicht. „Ach so. Sie sind das...“ Ohne ein weiteres Wort, aber mit einem Lächeln auf den Lippen, nahm er Zettel und Stift und schrieb etwas darauf. Daraufhin gab er das Stück Papier Alex mit den Worten: „Seien Sie bitte gut zu ihr!“ Alex wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, nickte nur und nahm den Zettel.

Auf dem Weg zurück zu ihrem Auto faltete Alex das kleine Stück Papier auseinander. Sie konnte nur 3 Worte lesen – Julia Sommer, Goethestraße 6. Das waren scheinbar der Name und die Adresse von Julia! Alex konnte ihr Glück kaum glauben. Ohne lange darüber nachzudenken, saß sie augenblicklich in ihrem Auto und brauste in Richtung der angegebenen Anschrift davon. Der Weg war nicht weit. Doch je näher Alex der Goethestraße kam, umso mehr zweifelte sie daran, dass es richtig war, was sie vorhatte. Unbewusst verringerte sie die Geschwindigkeit, während eine innere Unruhe die Macht in ihrem Körper übernahm. Was wollte Alex Julia eigentlich sagen? Würde sie überhaupt ein Wort über die Lippen bekommen? Und vor allem – wie würde Julia reagieren? Sie würde bestimmt kein Wort mit ihr reden wollen, so dumm wie Alex sich verhalten hatte.
Gerade als Alex der Mut zu verlassen schien, kam sie vor der Hausnummer 6 zum Stehen. Alex schluckte und gab sich einen Ruck. Wenn sie nun schon einmal hier war, konnte sie auch bei Julia klingeln. Was hatte sie schon zu verlieren?!? Und außerdem konnte es auch gut möglich sein, dass Julia nicht zu Hause war.

Alex stieg langsam und mit zitternden Beinen aus ihrem Wagen und ging zur Haustür. In dem Augenblick, in dem sie sich den Namensschildern an der Klingel widmen wollte, öffnete sich die Tür und eine ältere Dame verließ mit ihrem Hund das Haus. Das war ihre Chance. Alex schlüpfte in das kühle Treppenhaus des Altbaus und stieg langsam die Treppen hinauf. Erst unter dem Dach fand sie die Wohnungstür, an deren Klingel „J. Sommer“ stand. Alex Herz raste und ihr wurde schwindelig. Das passierte ihr in letzter Zeit häufig. Um sich von dem Pochen und Rauschen in ihren Ohren abzulenken, klingelte Alex zaghaft an der Tür. Und wieder überkam sie eine Mischung aus Unsicherheit und Angst. Was tat sie hier eigentlich? Oh Gott, hoffentlich war Julia nicht daheim. Dann könnte sie einfach wieder fahren und sich sagen, dass sie es ja versucht hatte, doch leider niemand zu Hause war.

Alex schrieb ihren Namen und ihre Handynummer auf den kleinen weißen Zettel, den sie vom Doc bekommen hatte und wollte sich gerade umdrehen, um die Treppen wieder hinuntergehen, als sich die Wohnungstür einen Spalt weit öffnete. „Du? Was willst du denn hier?!?“ Für einen Sekundenbruchteil stand Alex wie erstarrt da. Keine zwei Meter vor ihr befand sich Julia. Ihre sonst so frechen Locken hingen traurig von ihrem Kopf herunter, ihre Augen waren gerötet und ihr Gesicht nass von vergossenen Tränen. Ehe Alex überhaupt wusste, was sie tat, trat sie einen Schritt auf Julia zu. Sie legte ihr sanft den rechten Zeigefinger auf die Lippen und sagte mit weicher Stimme: „Nein, bitte. Hör mir nur kurz zu. Es tut mir Leid. Ich war so ein Idiot. Wenn du mir, auch wenn ich ein Bulle bin, trotzdem noch eine Chance geben willst, dann ruf mich an!“
Mit diesen Worten beugte sich Alex nach vorn, schob den Zettel in Julias Hand und hauchte ihr einen ganz vorsichtigen Kuss auf ihre bebenden Lippen. Damit drehte sich Alex um und schwebte beinahe den Weg hinunter zu ihrem Auto. Dort angekommen bemerkte Alex erst das Rasen in ihrer Brust und den leichten Film aus Schweiß auf ihrer Haut. Sie konnte es gar nicht glauben, was da eben passiert war. Beschwingt startete sie den Motor und fuhr nach Hause.
Während der Fahrt ließ sie das Erlebte noch einmal wie einen Film vor ihrem inneren Auge ablaufen... wie sie anfänglich völlig überfordert vor der Tür stand, ehe sie endlich all ihren Mut zusammen nahm und klingelte. Der Rest, der dann folgte, wirkte wie ein Traum auf sie... Julias entgeistertes Gesicht, das so unglaublich traurig aussah. Was mochte wohl der Grund dafür gewesen sein? Doch hoffentlich nicht sie selbst! Alex hatte sich vorhin nur auf diese enttäuschten Reh braunen Augen konzentriert, von denen sie ihren Blick einfach nicht abwenden konnte. Erst jetzt, nachdem sie sich jede Kleinigkeit ins Gedächtnis zurück rief, wurde sie sich des Restes bewusst. Julia hatte eine weite blaue Stoffhose, welche direkt unter dem Bauchnabel endete, und ein weißes hautenges Top getragen, durch das sich ihre Brustwarzen eindeutig abgezeichnet hatten. Während des Kusses hatte Alex gespürt, wie sich eine Gänsehaut über Julias Körper erstreckte. Diese Frau brachte sie um ihren Verstand! Hoffentlich würde sie bald anrufen, damit Alex wusste, woran sie war und das Ganze endlich ein Ende nahm...
Doch Julia rief nicht an. Es vergingen einige Tage, an denen Alex jeden Morgen mit Julias Augen im Kopf aufwachte und abends mit Julias Gesicht ins Bett ging. Wie sollte das nur weitergehen?!? Alex Gedanken kreisten immer nur um diese eine Frau. Es fiel ihr jeden Tag schwerer, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. So auch an diesem Donnerstag Nachmittag. Die Uhr schien stehen geblieben zu sein... Bis auf einmal ihr Handy klingelte und eine ihr unbekannte Nummer im Display erschien.
War das endlich Julia?




copyright © by Moon84. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Sehr gut!
Kompliment!! Die Geschichte liest sich bislang sehr gut und ich hoffe, dass es bald eine Fortsetzung hier geben wird.

Liebe Grüße und viel Spaß beim schreiben,
Ela
Batmans-kleine-Schwe - 26.05.2009 23:36

>>> Laufband-Message ab nur 5,95 € für 3 Tage! <<<