von Moon84
„Alex? Ich bin's Yvette. Hab seit gestern ein neues Handy und wollte dir nur schnell die neue Nummer dazu geben.“ Na, prima. All die Vorfreude war verraucht. Alex hatte so sehr gehofft, am anderen Ende der Leitung Julias Stimme zu hören. Doch leider war es nur ihre Kollegin. „Hi Yvette. Alles klar. Ich speichere die Nummer gleich ab. Wir sehen uns.“ Mit diesen Worten legte Alex auf, warf enttäuscht ihr Handy auf den Schreibtisch und ging in den Innenhof, um dort in Ruhe eine Zigarette zu rauchen. Meistens half ihr das, ihre Gedanken wieder zu ordnen.
Als sie nach ein paar Minuten zurück kam, hörte sie gerade noch, wie ihr Handy klingelte. Gehetzt und ein wenig genervt, wer nun schon wieder störte, meldete sich Alex knurrend mit: „Ja? Hallo?“ Für einen Augenblick herrschte nur Stille in der Leitung, bis sie endlich eine schüchterne, aber lang ersehnte Stimme hörte: „Äh, hallo. Hier ist Julia.“ Alex durchfuhr ein Blitz. Gleichzeitig verschlug es ihr die Sprache. Sie brauchte einen Moment, um sich wieder zu fangen, dabei sprach sie sich innerlich selbst Mut zu: ,Mensch Mädel, reiß dich zusammen! Nur nicht dumm ins Handy brabbeln und irgendwelchen Stumpfsinn erzählen!' Alex atmete tief durch und konzentrierte sich ausschließlich auf Julias Stimme. Sie wollte sie treffen, damit sie endlich in Ruhe über alles reden konnten. Alex fielen Tonnen von Steinen vom Herzen. Julia war scheinbar doch nicht sauer auf sie. Was für ein Glück! Die beiden Frauen vereinbarten, dass Alex nach ihrem Dienst bei Julia zu Hause vorbeikommen würde.
Wie in Windeseile verging der Nachmittag und der Feierabend nahte. Alex duschte hastig, schlüpfte aufgeregt in ihre frische Kleidung und machte sich von Spannung beflügelt auf den Weg zu Julia. Ein wenig aufgeregt und zittrig klingelte sie wenige Minuten später bei ihr. Kurz darauf knackte die Wechselsprechanlage. „Ich komme gleich herunter.“ Alex' Anspannung wuchs ins Unermessliche. Minuten kamen ihr vor wie Stunden und so wanderte sie vor der Haustür auf und ab, während sie auf Julia wartete. Bis sie plötzlich die Tür ins Schloss fallen hörte. Alex zuckte zusammen und drehte sich ruckartig herum. Ihr stockte der Atem. Da stand Julia und sie sah einfach perfekt aus – ihre gebräunte Haut und darüber ein hellblaues, beinahe türkisfarbenes Trägerkleid, welches ihre Traumfigur betonte. Alex' Blick wanderte über Julias gesamten Körper, blieb für wenige schnelle Atemzüge auf ihrem tief ausgeschnittenen Dekolleté haften, ehe er von dort aus ihre strahlenden Augen fand.
Auch wenn es Julia nicht anzumerken war, doch fühlte sie sich genauso nervös und unsicher wie Alex. Erst das Klingeln an der Tür hatte ihre Nerven beruhigt. Nach all den endlosen Tagen und Wochen würde sie endlich erfahren, was in dem Kopf der Polizistin vor sich ging. Wie oft hatte sie darüber nachgedacht, ob sie etwas falsch gemacht hatte. Doch trotz der Grübelei kam sie zu keinem befriedigenden Ergebnis. Nun war es endlich so weit. Langsam stieg sie die Stufen hinab, öffnete kaum hörbar die Haustür und sah eine schöne junge Frau, welche rastlos wie die Löwen im Zoo von einer Seite des Weges auf die andere streifte. Gut sah sie aus in ihren engen dunkelblauen Jeans und dem noch enger sitzenden roten Top. Scheinbar hatte Alex sie noch gar nicht bemerkt und so beobachtete Julia sie noch einen kleinen Augenblick, ehe sie die Tür losließ und sich insgeheim über Alex' kleinen Schreck amüsierte. Sie sahen einander an. Dabei blieb Julia der anerkennende Blick von Alex nicht verborgen. Sie genoss es sogar, nur durch zwei Augen förmlich ausgezogen zu werden. Es war also doch die richtige Wahl gewesen, sich für ihr Lieblingskleid zu entscheiden.
Zwischen den zwei jungen Frauen knisterte die Luft vor Spannung. Es war beinahe körperlich spürbar, wie sehr sich diese zwei Menschen genau in diesem Moment begehrten. Auf der einen Seite wäre es auch so einfach gewesen, auf die andere zu zu gehen und sie zu küssen. Das hätte alles geklärt. Und obwohl sie es beide fühlten, traute sich keine, diesen Schritt zu wagen. Und so standen sie wie gelähmt da, ohne zu wissen, was sie sagen, geschweige denn machen sollten. Noch nie hatten sie solch eine kindische Situation erlebt. Dieses Verhalten war für Alex auch absolut untypisch. Es gab bisher kaum einen Moment, in dem sie nicht wenigstens einen frechen Spruch auf den Lippen hatte. Für diese Eigenschaft wurde sie auch stets von anderen bewundert. Doch gerade jetzt arbeitete ihr Gehirn fieberhaft daran, überhaupt ein paar halbwegs coole Worte zu finden, mit denen der Augenblick aufgelockert werden könnte. Nach einer gefühlten Ewigkeit überwand Alex ihre Unsicherheit dann doch endlich und brach die Stille. „Wollen wir eine Runde Spazieren gehen? Ich kenne da ein ruhiges Plätzchen gleich in der Nähe. Dort können wir uns ungestört unterhalten.“ Julia nickte.
Der Weg war kurz und dennoch kam er beiden ewig lang vor, denn während sie langsam nebeneinander herliefen, wagten sie es nicht einmal miteinander zu sprechen, geschweige denn die Andere anzusehen. Vielmehr konzentrierten sie sich krampfhaft darauf, einander nicht zufällig zu berühren. Irgendwann ging der Fußweg in einen staubigen Waldweg über, an dessen Ende eine einsame Holzbank, umgeben von zahlreichen, dichten Haselnußsträuchern, stand. Julia und Alex setzten sich wortlos neben einander. Nun lag es an Julia das Schweigen zu durchbrechen. In Gedanken hatte sie dieses Gespräch zuvor schon unzählige Male geführt. Doch jetzt fiel ihr all das einfach nicht mehr ein. Alex' Nähe machte sie verrückt. Warum spürte diese junge Frau bloß nicht, was sie mit ihr machte?
Julia atmete tief durch und hörte auf ihr Herz. „Warum läufst du immer vor mir weg? Findest du mich nicht attraktiv? Oder liegt es an dieser vollbusigen Blondine aus der Disco?“ Alex war über so viel Ehrlichkeit wie vor den Kopf gestoßen und sah fassungslos in Julias warme braune Augen. „Nein. Ganz im Gegenteil. Ich finde dich sogar wunderschön. Aber... aber...“ „Aber was? Liegt es daran, dass ich eine Frau bin?“ Alex' Magen zog sich ruckartig zusammen, ihre Hände fingen an zu schwitzen und sie antwortete mit leiser und belegter Stimme, während sie auf den Waldweg starrte: „Wie kommst du denn darauf?“ Und Julia antwortete mit weicher Stimme: „Ich habe in den letzten Tagen so viel über dich und mich nachgedacht. Jedes Mal kam ich ausschließlich zu diesem Ergebnis... Und? Ist das der Grund?“ Stille. Alex wagte es nicht auf zusehen. „Ja. Gerade deswegen bin ich so hin und her gerissen. Du bringst mich um meinen Verstand. Seit dem Abend in der Disco kann ich an nichts und niemand Anderes außer an dich denken. Aber ich bin eine Frau und du bist auch eine...“ Ehe sich Alex versah, sprudelten all ihre Ängste und Gefühle unkontrolliert über ihre Lippen, bis sie plötzlich wieder verschämt verstummte. Hatte sie eben tatsächlich zugegeben, wie verrückt sie nach Julia war?!
Die ganze Zeit über hatte Julia still neben Alex gesessen. Dabei hatte sie dieser weichen, beinahe hypnotisierenden Stimme gelauscht und den zarten Duft, der von Alex zu ihr ströme, tief in ihre Lunge gesogen. Doch jetzt war der Punkt erreicht, an dem sie sich nicht mehr beherrschen konnte. Diese Frau war dabei, ihr gesamtes Leben durcheinander zu wirbeln. Julia musste sie berühren, einfach um sicher zu gehen, dass sie sich diesen Moment nicht nur einbildete oder Alex unverhofft wieder einmal vor ihr flüchtete. Sie hob ohne weiter darüber nachzudenken ihre Hand und zog vorsichtig die dünne Linie über Alex' Auge nach. Die Haut war hier so zart, so unendlich weich. Julia sah in zwei strahlend blaue Augen und spürte nur noch ein einziges heißes Brennen zwischen ihren Beinen. Dieser Blick gab ihr schließlich den Rest. Nicht nur, dass die Narbe Alex' Gesicht noch aufregender und unwiderstehlicher machte, nein sie rundete das Gesamtbild zwischen verträumten, aber dennoch aufmerksamen Augen und bebenden, vollen Lippen ab.
Alex hatte mit der überraschenden Berührung nicht gerechnet und zuckte anfänglich kurz zusammen. Eine Gänsehaut überzog ihren gesamten Körper, ehe sie sich dann doch entspannte und das zarte Streicheln genoss. Augenblicklich fing ihre Haut jedoch wieder vor Aufregung an zu kribbeln, Adrenalin schoss durch ihre Adern und der Wunsch Julia zu küssen wurde übermächtig. Sie schloss ihre Augen, beugte sich leicht nach vorn und hauchte vorsichtig einen Kuss auf Julias Lippen. Sie schmeckte so süß, dass Alex alles um sich herum vergaß und nur noch diesen warmen, feuchten Mund spüren wollte. Ihre Zunge streichelte behutsam über Julias Unterlippe und erbat sich Einlass, welcher ihr auch bereitwillig gewährt wurde. Während der Kuss immer leidenschaftlicher wurde, gingen Julias Hände auf Wanderschaft. Sie schlüpften unter das Top und erkundeten anfänglich zurückhaltend den warmen Rücken von Alex. Auch hier war die Haut extrem weich und mit ganz kleinen Härchen überzogen. Von dort aus ging die Erkundung langsam, aber zielgerichtet weiter nach vorn. Alex begann vor Erregung zu zittern. Sie konnte es kaum noch erwarten, Julias Hände endlich an ihrem Busen zu spüren...
Da knackte es verdächtig nur wenige Meter von der Bank entfernt im Wald. Alex und Julia rutschten erschrocken von einander weg. Was war das? Und warum wurde bisher jeder intime Moment zwischen beiden gestört? War das Schicksal etwa gegen sie?
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Moon84. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.