von Zephira
„Auf ein Lebewohl sollte man vorbereitet sein, aber meistens trifft es uns wieaus heiterem Himmel“
Ihre Hände zitterten und mit Tränen in den Augen betrachtete sie die letzteBotschaft ihrer ehemaligen Geliebten.
Sie drehte und wendete den Zettel in ihrer Hand, tausendmal hatte sie ihn schongelesen, sie kannte jeden Buchstaben auf diesem kleinen Blatt Papier.
Jeden Strich und jeden Bogen, die Handschrift, so weich und zärtlichgeschwungen, doch die Bedeutung wollte sie einfach nicht verstehen.
In schwarzen Lettern ganz einfach geschrieben:
„ Vielleicht sollte man sich lieber trennen, als ewig nur zu versuchen! Anne “
Die Farbe brannte sich in ihre Seele.
Schwarz, so dunkel wie ihre Augen; so dunkel wie ihr prachtvolles langes Haar,gemalt mit japanischer Tusche; so dunkel, wie es die Nacht nur sein kann;sternenlos, kalt und einsam.
Der Zettel brannte in ihrer Hand, während sie sehnsüchtig auf den Momentwartete, in ihre Augen zu sehen, um zu verstehen.
Reglos lag sie auf dem kalten Parkettboden ihrer neuen Wohnung.
Eine Flasche Wein lag zersplittert zu ihren Füssen und ihre Haare verfärbtensich in ein dunkles Rot, ebenso wie die Wand, an der die Flasche abgeprallt ist.
Das Funkeln der Scherben hielt ihren Blick gefangen, doch war sie zu kraftlos,um nur eine Einzige aufzuheben.
Ihre Gedanken formten langsam den Namen „Anne“, doch kein Ton kam über ihreLippen.
Nichts hier erinnert an ihre verlorene Liebe, an der sie so verzweifeltfestzuhalten versuchte.
Doch je mehr sie kämpfte, umso mehr verlor sie das, was sie am meisten begehrte:
Anne. War es doch zum Scheitern verurteilt.
„Warum, Anne, warum?“ Ein leises Flüstern in der Nacht. Langsam griff sie sichan ihre Kehle, denn die Verzweiflung packte sie mit eisigen Griffen und drohteihr den Atem abzuschnüren.
In ihren Träumen versunken, griff sie zu der fast leeren Schachtel Zigaretten,zündete sich eine an und blies den kalten Rauch durch ihre weichen Lippen.
Anne, wie sehr hatte sie es gehasst, wenn Bettina sich alle 5 Minuten eine neueZigarette ansteckte. Wie viel Momente haben sie deswegen im Streit gelebt? Wieoft hatte Bettina geschworen damit aufzuhören? Und nun waren sie ihr einzigerTrost in der Einsamkeit, in die sie nun verbannt wurde. Apathisch beobachtetesie den Sekundenzeiger der Wanduhr.
Das ewig gleiche Ticken machte sie längst nicht mehr verrückt.
„Wo sie jetzt wohl sein mag? Was sie wohl jetzt im Augenblick tut?
Ob sie gerade an mich denkt?“ Fragen über Fragen zermarterten ihr die Seele.
Bettina griff nach ihrem Handy und starrte gebannt auf das leuchtende Display.
„Warum meldet sie sich nicht? Bedeute ich ihr so wenig?“ Mit einer Handbewegung erstickte sie die Zigarette in dem übervollenAschenbecher aus und versuchte langsam aufzustehen.
Der Alkohol wirkte bereits und mit kleinen Schritten stolperte Bettina insSchlafzimmer, um sich auf dem Futon zu wärmen.
Selbst das Bett war neu und keine einzige Erinnerung war hier von Anne zufinden.
Nur auf dem Kissen jagten beide so viele Träume hinterher. Sie erinnerte sich schmerzhaft an die vielen tausenden Momente, als sie beideeng aneinander gepresst dalagen, den Atem der anderen in den Haaren gefangen und die Hände in einem sanftem Spielmiteinander verwickelt.
Einfach im Schweigen der Nacht die Nähe der Anderen genossen und in ihrerVertrautheit sich in den Schlaf gestreichelt.
Wo ist sie hin, diese Zeit der innigen Liebe und Zärtlichkeit? So viele Küssesie sich auf diesem Kissen ausgetauscht haben und wie viel Tränen hier schongetrocknet sind.
Wenn sich Bettina nur fest genug ins Kissen drücken würde, vielleicht würde siedann noch Annes Wärme spüren oder ihren Duft erahnen?
Aber nichts dergleichen ließ ihre Sehnsüchte stillen.
Bettina schleppte sich ins Badezimmer, um sich mit kaltem Wasser ihre Alpträumefortzuspülen und sich das Gesicht zu kühlen, denn die Hitze des Alkohols ließsie schlecht schlafen.
Mit starrem Blick sah sie sich in die trüben Augen, in denen der Schmerz seineSpuren hinterließ, angesammelt über die Zeit. Tränen rannen ihr über ihre Wangenund benetzten ihre Lippen.
Doch Bettina konnte diesen Anblick einfach nicht mehr ertragen und mit lautemKlirren fiel der Spiegel zu Boden. Sie nahm eine der scharfen Scherben undschnitt sich tief in ihre Haut, weiß wie Schnee.
Ihre blutigen Tränen liefen ihre Handflächen hinunter und ließen einen Teilihrer Erinnerungen verblassen.
Immer und immer wieder setzte sie die Klinge an ihre zarte Haut, spürte denGenuss des sanften Schmerzes und einen Moment lang konnte sie den Hass gegensich selbst vergessen, der in ihrer Seele ruhte.
Auch ihre Trauer verschwand. Sie fühlte nur die Freiheit, die langsam zu Bodentropfte. Klebrig und süß. In ihren Augen glänzte die Freude und nichts konntesie Realität zurückholen.
Mit zitternden Händen schloss Anne Bettinas Wohnungstüre auf.
Den ganzen Tag schon hatte sie ein ungutes Gefühl im Bauch und ihre Gedankendrehten sich nur um Bettina.
Auch wenn sie sich getrennt haben, wollten beide keinen abrupten Kontaktabbruch.
Vielleicht könnte man nach einiger Zeit, wenn die Wunden etwas geheilt, einerichtige Freundschaft aufbauen? Zulange haben sie sich geliebt, um das alleseinfach so wegzuwerfen.
Noch immer war das Band zwischen ihnen so fest verknüpft, dass sie sich ohneWorte verstanden.
Und heute fühlte Anne dieses Gefühl ganz besonders stark, wie ein Hilferuf ganztief aus Bettinas Seele heraus. Leise schloss sie die Tür und betrat denVorraum.
Es war merkwürdig still. Anne war die Ruhe nicht gewöhnt. Bettina ist einWildfang, voller Lachen und merkwürdigen Ideen.
Ein hyperaktiver Energiepol, ein chaotischer Farbklecks, ein frühlingsbunterFlummiball, der nicht zur Ruhe kommt, mit einem Hang zum Pathos.
Das genaue Gegenteil von ihr selber. Und jetzt erschien ihr die Stillebeängstigend. Auf Zehenspitzen schlich sie durch das Wohnzimmer und flüsterteBettinas Namen.
Die Splitter der Weinflasche beunruhigte sie noch mehr und ihr rufen wurde etwaslauter, bis sie ein leises Keuchen im Badezimmer vernahm. Entsetzt starrte sie auf die Blutlacke in der Bettina lag und schnappte sichVerbandszeug aus dem Medizinkästchen. „Bettina? Kannst du mich hören? Bettina?“
Anne begann die Blutungen zu stillen und rief den Notarzt an. Dann nahm sieBettina in den Arm und streichelte ihr über den Kopf.
„Du bist so dumm, so dumm. Warum tust du dir das an?“In ihren Händen brannte der blutverschmierte Zettel, der Bettina aus der Handglitt.
Sie wiegte Bettina ganz sanft, wie man ein kleines Kind in den Schlaf wiegt.
„Anne, bist du bei mir?“ In ihren Gedanken sagte die immer wieder diesen Satz,doch kein Ton füllte die Luft, zu schwach waren ihre Lippen.
Träumte sie? War Anne wirklich bei ihr? Ihr kam es so vor, als würde sie ihrenDuft riechen.
Dieser verführerische Duft von Lavendel und Herbstfarben, den sie so sehr liebt.
Und die weichen Hände, die sie so zärtlich zu streicheln wussten.
Berühren sie wirklich ihren Kopf? Spürte sie wirklich den wilden Herzschlag vonAnne auf ihrer Haut? Konnte sie wirklich das leise Flüstern von Anne hören?
Die elfengleiche silberne Stimme? Oder war das alles nur eine Sinnestäuschung?
Sie bräuchte nur ihre Augen öffnen, doch sie war einfach zu kraftlos.
Genauso hatte sich es Bettina immer vorgestellt. Wenn sie einmal sterben sollte,wird sie an ihre einzige große Liebe denken.
Mit dem letzten Atemzug an Anne denken, sich ihre Augen und das bezauberndeLächeln vorstellen.
„Bis wir uns wieder sehen, über den Wolken, wo unsere Träume und Sehnsüchtezuhause sind.“
Bettina fühlte den Zettel in ihrer Hand. Eine letzte Botschaft für ihre Anne.
Langsam ließ sie die Zeilen aus ihrer Hand gleiten.
Ihre Hände zitterten und mit Tränen in den Augen betrachtete sie die letzteBotschaft ihrer ehemaligen Geliebten.
Sie drehte und wendete den Zettel in ihrer Hand, tausendmal hatte sie ihn schongelesen, sie kannte jeden Buchstaben auf diesem kleinen Blatt Papier.
Jeden Strich und jeden Bogen, die Handschrift, so weich und zärtlichgeschwungen, doch die Bedeutung wollte sie einfach nicht verstehen.
In blutigen Lettern ganz einfach geschrieben:
„ Vielleicht sollte man lieber einmal mehr versuchen, als einfach aufzugeben.Aber vielleicht hast du Recht, man sollte lieber aufgeben und beenden, als ewignur zu versuchen! Lebe wohl und verzeih mir, in ewiger Liebe deine Bettina“
Die Farbe brannte sich in ihre Seele.
Blut, so dunkel wie ihre Augen; so schimmernd wie ihr prachtvolles Haar, gemaltmit den Farben der japanischen Sonne; so hell wie es der Tag nur sein kann; warmund erleuchtend.
Der Zettel brannte in ihrer Hand, während sie sehnsüchtig auf den Momentwartete, dass sie ihre Augen öffnete, um zu verstehen.
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Zephira. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.