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Blind

von Angilein


Wie jeden Tag lag ich im Bett und wartete auf Sie. Es löste eine unglaubliche Freude in mir aus, ihre Schritte zu hören und wie sie die Tür hineinkam. Sie kümmerte sich um mich, jeden Tag.

Sie erzählte mir: was sie so tat, wo sie überall schon war, wo sie hin will, was sie alles schon erlebte; sowohl Gutes, als auch Schlechtes. Ich redete viel mit ihr. Erzählte ihr alles, fast alles. Ich vertraute ihr, mehr als das.
Da ich nichts sehen konnte, war ich auf sie angewiesen. Was sie sagte, glaubte ich ihr - es war Gesetz!

Sie beschrieb mir die Landschaft, die man von meinem Fenster aus sehen kann. Die hohen Berge, Das Waldstück, den kleinen See, Tiere und Blumen.
Wenn die Sonne schien, setzte sie mich immer in den Garten, damit ich den Rasen mit den Füßen spüren konnte.
Oft kochte sie für mich. Sie fragte immer, was ich gerne essen möchte. Egal was ich sagte, sie machte es für mich. Es schmeckte immer köstlich.
Sie ist ein guter Mensch. Ich weiß, dass sie sich auch um andere Menschen kümmert. Menschen die nichts sehen können, aber auch um jene, die sehen können. Menschen die ihre Hilfe brauchen.
Wenn sie lachte, lachte ich automatisch mit. Auch wenn ich nicht wusste, warum sie eigentlich lachte. Wenn sie weinte, weinte ich mit ihr. Als ich ihr sagte, ich fühle mich irgendwie nicht zu Hause, strich sie mein Zimmer in meiner Lieblingsfarbe, Rosa. Sie richtete es so ein, wie es mir gefällt. Ich beschrieb ihr, wie es mir gefallen würde.
Oft war ich traurig und langweilte mich, immerhin konnte ich ja nicht so viel tun. Dann ging sie mit mir vor die Tür. Oft wusste ich nicht wohin.
Für mich war es immer etwas besonderes, denn es kam nicht oft vor. Ich glaube es war ihr zu anstrengend und sie hatte immer viel zu tun. Auch wenn mich jemand besuchte, zog sie sich oft zurück. Obwohl ich meinen Liebsten doch so gerne zeigen wollte, wer sich Tag für Tag um mich kümmert.
Jede Sekunde die ich mit ihr verbrachte, gab mir Kraft. Ich empfand Freude. Ich fühlte mich sicher und geborgen.
Ich sah durch sie, ich fühlte durch sie, ich spürte durch sie, ich lebte durch sie.

Ich wartete also, und wartete und wartete......
Die Zeit verging. Sie kam nicht, auch später nicht. An den drei folgenden Tagen kam sie auch nicht. Ich lag immer noch in meinem Bett. Ich war hungrig, hilflos, aufgewühlt. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich dachte nach, daran was ich tun könnte. Ich weinte, ich schrie, ich flehte; nichts half. Das ging noch eine ganze Weile so.
Doch dann beschloss ich, das sich was ändern sollte. Es war genug! Ich konnte so nicht mehr. Es musste einfach aufhören. Dann geschah es.
Ich öffnete die Augen.

Ich war erschrocken was ich sah. Die Wände waren nicht rosa und die Einrichtung war furchtbar. Es stand ein kleiner Glastisch mit zwei Stühlen vor dem Fenster. Das Zeug sah aus als würde es jeden Augenblick auseinander fallen. Die Stühle hatten ein seltsam schwarzes Muster mit kleinen Punkten. Zudem waren sie dreckig. Als ich aus dem Fenster blickte, sah ich ein graues und verschmutztes Städtchen. Ich sah mich in meinem Zimmer um und bemerkte eine kleine Kochnische in der Ecke. Darauf stand ein großer Topf mit seltsamem weißem Brei. Daneben etliche Dosen mit Beschriftungen. Ich las, Himbeergeschmack, Vanillegeschmack, Nudelgeschmack, Karottengeschmack......es waren etwa 100 Döschen. Daneben stapelten sich die Teller mit der weisen Pampe. Ich schaute mich weiter um und bemerkte die Tür zu meiner linken. Ich öffnete sie und ging einen Schritt hinaus. Eine Art winzige Veranda. Darauf stand ein noch ekelerregenderer Stuhl wie in meinem Zimmer und eine Art riesiger Blumentopf mit Rasen.
Mir wurde langsam klar, dass alles eine Lüge war. Ich setzte mich an den Tisch in meinem Zimmer. Auf dem Tisch lagen einige Fotos von uns. Das erste mal sah ich sie mit meinen eigenen Augen. Sie wirkte auf einmal so fremd. Ich hatte sie mir ganz anders vorgestellt. Ich fühlte und spürte sie so anders. Daneben lag ein Brief, für mich. Es war ein Abschiedsbrief. Darin stand, sie könne das nicht mehr, es gäbe andere Menschen die sie dringender bräuchten. Sie habe einfach nicht mehr die Kraft für mich da zu sein. Es sei ihr zu viel. Sie könne mir nicht mehr das geben was ich wollte, was ich bräuchte. Auch das ich stark genug sei und das alleine schaffen würde. Ich lief durch mein Zimmer, auf und ab. Es fiel mir schwer meine Gedanken zu ordnen. Den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge zu erkennen.
Mir fiel ein schwarzer Karton ins Auge. Den muss sie vergessen haben, denn darin befanden sich nur Dinge von ihr. Ich kramte etwas darin herum und war meinen Gedanken ausgeliefert. Alles eine Lüge. Nichts war wahr.
Doch dann fand ich einen Zettel mit einem goldenen Sigel. Sie opferte sich für mich auf. Dachte ich, dachte sie... Sie konnte nicht anders, wie denn auch? Sie lernte es irgendwie so, aber irgendwie lernte sie es nie. Ich konnte nicht fassen was ich da las. Es war keine Lüge. Es war ihre Realität. Ihre Realität wurde zu meiner Wahrheit und war gleichzeitig eine Lüge. Sie wusste sich nicht anders zu helfen. Sie kannte nie etwas anderes - schon von klein auf musste sie funktionieren. Sie ist blind!




copyright © by Angilein. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Wow!
Wow, sehr cool!
Superbanshee - 18.12.2012 19:24
Gute Geschichte/ Analogie, gefällt mir!
Juni-sehn-sucht - 14.12.2012 22:48

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