von pemimpi
Ich war sauer. Stinksauer. Sie hatten es einfach über meinen Kopf hinweg entschieden. Wer war ich, dass ich kein Mitspracherecht hatte? Eine bodenlose Frechheit, mich einfach so ins Internat zu stecken. „Wir wollen nur dein Bestes, Mäuschen.“ „Du wirst bestimmt schnell neue Freunde finden.“ „Das Rosenstein hat so einen guten Ruf“. Blah, blah, blah! „Hier ist dein neues Zimmer, Fabienne. Du bewohnst es mit Lisa und Elena. Ihr werdet euch sicher gut verstehen.“ Die Verbindungslehrerin, die mich in Empfang genommen hatte, grinste wie ein Honigkuchenpferd. „Ja, bestimmt“, grummelte ich und betrat das Zimmer. Auf einem der zwei Hochbetten lag ein Mädchen und las ein Buch. Als sie mich sah, sprang sie auf und streckte mir die Hand entgegen. „Hey, ich bin Lisa. Willkommen auf Schloss Rosenstein.“ Widerwillig nahm ich ihre Hand. „Fabienne.“ Versuch erst gar nicht, dich einzuschleimen, dachte ich, doch ich sprach es nicht aus, was bei dem Tonfall, mit welchem ich meinen Namen geblafft hatte, auch gar nicht notwendig war. Lisa lächelte trotzdem wie eines dieser Models bei Heidi Klum, aufgesetzt und höflich, obwohl sie mich vermutlich vom ersten Moment an genauso wenig mochte wie ich sie. „Das hier ist mein Bett und über mir schläft Elena. Du kannst das Bett auf der anderen Seite nehmen. Ob oben oder unten kannst du dir aussuchen, wir sind nur zu dritt.“ Ich warf meine Tasche auf das Bett, das sie mir zugewiesen hatte. „Du kannst die rechte Seite des Schranks haben. Ich habe da ein bisschen Gerümpel drin, das kann ich für dich ausräumen. Bisher hat niemand diese Schrankseite benutzt“, plapperte sie weiter, „Wenn du alles eingeräumt hast, kann ich dir das Schloss zeigen. Du wirst dich sicher schnell daran gewöhnen. Es ist hier eigentlich ganz cool.“ „Sicher“, sagte ich trocken, öffnete meine Reisetasche und begann meine Klamotten aufs Bett zu stapeln. Lisa ging zum Schrank hinüber und räumte die mir versprochene Seite aus. „Bist du freiwillig hier?“, wollte sie wissen. „Nein“, gab ich knapp zur Antwort. „Das sind die meisten nicht“, sagte Lisa und warf einen Stapel Zeitschriften, den sie im Schrank gelagert hatte, auf den Fußboden. „Aber man gewöhnt sich dran. Du wirst sehen, in ein paar Monaten willst du gar nicht mehr hier weg.“ „Da bin ich mir nicht so sicher“, antwortete ich trotzig. „Doch, doch. Du wirst sehen.“ Sie kicherte.
„Hey, bist du die Neue?“ Ich drehte mich um – und starrte in die tiefsten brauen Rehaugen, die ich jemals gesehen hatte. Meine Knie wurden weich und gaben nach. Ich musste mich am Bettpfosten festhalten, um nicht umzufallen. „Hi, ich bin Elena.“ Sie kam auf mich zu und streckte mir die Hand entgegen. Noch immer völlig sprachlos und in ihre hypnotisierenden Augen blickend schlug ich ein. „Und wie heißt du?“, bohrte sie. „Fa-fa-bienne“, stotterte ich. “Fa-fa-bienne?”, äffte sie mich nach und lachte, „Ich hoffe, Lisa hat dich schon ein bisschen in unser Leben hier eingeweiht. Wenn du willst, kann ich dir das Schloss zeigen.“ „Hey, das wollte ich schon machen!“, unterbrach sie Lisa, doch ich ignorierte sie einfach. „Ja, gerne!“ Mein Mund verzog sich zu einem seligen Grinsen. „Du kannst meine Hand jetzt loslassen.“ „Oh, ja. Verzeihung“, sagte ich hastig und ließ sie los. Mein Gesicht wurde ganz heiß und ich war mir sicher, dass ich puterrot anlief. „Wir können sie ja beide herumführen“, schlug Lisa vor und Elena nickte zustimmend.
Nachdem ich meine Klamotten in den Schrank geräumt und meine sieben Sachen im Nachttisch verstaut hatte, gingen wir los. Ich bemühte mich, neben Elena zu laufen, was Lisa nicht verborgen blieb. Sie machte die gesamte Führung ein etwas säuerliches Gesicht. „Hier ist der Musiksaal“, Elena öffnete die Tür und vor uns lag ein großer Raum, in der Mitte ein schwarzes Klavier. Die Wände waren mit gebastelten Postern über Komponisten und Musiker verziert. „Musik ist mein Lieblingsfach“, sagte Elena, „Welches ist deines?“ „Deutsch“, antwortete ich und bekam ganz heiße Ohren. „Deutsch? Dann schreibst du gerne?“ „Unheimlich gerne.“ „Das ist toll. Eine kleine Autorin in spe, was?“ Sie lachte. In meinem Bauch stob ein Schwarm Schmetterlinge auseinander. Es klang so schön, wenn sie lachte. Als würden tausend kleine Glöckchen klingeln. „Ich mag Sport am liebsten“, mischte sich Lisa ein, der es gar nicht gefiel, dass sie das fünfte Rad am Wagen war. „Sport ist Mord“, konterte Elena und ich kicherte. „Da hast du Recht. Sport ist das absolut schlimmste Fach!“, stimmte ich zu. Lisa verschränkte beleidigt die Arme. „Gar nicht wahr“, maulte sie, „Sport ist toll. Ihr mögt das doch bloß nicht, weil ihr so faul seid.“
Nachdem die beiden mir noch Chemie- und Physiksaal, die Klassenräume und die Sporthalle gezeigt hatten, schlurften wir zurück in unser Zimmer. Lisa warf sich auf ihr Bett und schnappte das Buch, das sie auf ihrem Nachttisch platziert hatte. Ich checkte mein Handy, wollte wissen, was meine alten Freunde, die ich nun monatelang nicht sehen würde, auf Facebook gepostet hatten. „Am Freitag ist hier ein Sommerfest“, unterbrach mich Elena., „Wir werden einen Auftritt mit dem Schulchor haben. Du kommst doch, oder?“ „Ja, klar, gerne“, antwortete ich. „Du klingst, als fändest du es gar nicht mehr so schrecklich hier“, bemerkte Lisa und sah von ihrem Buch auf. „Ja“, antwortete ich grinsend, „Es ist zu ertragen.“ Mit einem Engel wie Elena auf jeden Fall...
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pemimpi. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.