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Chaos Tage eines Lebens 1

von keksWillow


Gewidmet den Begnungen, die mich dahin geführt haben, diese Story zu schreiben.

Vorwort


Alles fing da an, wo es immer anfängt, bei ihrer Geburt. Wie viele Kinder quälte sie ihre Mutter mit einem langen Geburtsprozess. Als sie es dann doch endlich schaffte und die Ärzte sie gerade nehmen wollten, fällt sie auf den Grund des weißen sterilen Boden.
Als Baby fallengelassen, begann das Unheil das man Leben nennt.
In ihrer Jugend umringt von Weißkitteln, vor denen sie seit damals Angst hat. Egal ob Spritzen, für die sie 6 Schwestern brauchten die sie festhielten, die Untersuchung beim Zahnarzt oder die regelmäßigen Untersuchungen wegen ihrer Leberkrankheit, alle Leute quälten sie.
In der Schule ein Außenseiter, von der 1.Klasse an wird sie geschlagen und ausgenutzt. Gemoppt wegen der nichtvorhandenen Markenklamotten und dem von ihrer Mutter verpassten seltsamen Namen „Willow“.
Bis zur 4. Klasse zog sich das Ganze nun hin, dann hatte sie es so satt, dass sie sich mit dem Typ angelegt hat und ihm ein blaues Auge und Magenkrämpfe verpasste. Seit dem war sie „nur“ noch ein Außenseiter.
Als sie dann endlich in die Pubertät kam - natürlich auch dies später als alle anderen - war sie für das andere Geschlecht nicht sonderlich attraktiv. Von Schminke hielt sie nichts, ihre Sachen waren eher sportlich, dazu kam noch die Brille und Zahnspange. Natürlich nicht zu vergessen die alterstypischen Pickel. In schlimmster Form versteht sich, wie sollte es auch anders sein.
Doch neben all dem, hatte sie auch noch das Problem, dass sie irgendwie auch kein Interesse an Jungs hatte.
Als sie dann doch mit 15 einen ganz niedlichen Freund gefunden hat, war die Freude groß.
Sie hatte mit dem Schulchor einen Auftritt in der Kirche, zum Weihnachtslieder singen. Auch der Chor war ein Punkt der sie zum Außenseiter machte, aber das war ihr egal, denn singen war ihre Leidenschaft. So freute sie sich darauf und auf das Weihnachtsfest, welches sie nicht allein verbringen sollte.
Sie und ihr Freund waren auf dem Heimweg, es war ein gelungener Auftritt, und so hatten sie sich dazu entschlossen noch ein Stück zu gehen. Er führte sie zu einer dunklen Gasse.
Sie waren sich noch nicht wirklich nah gekommen, trotzdem das sie schon 2 Monate zusammen waren. Er war 3 Jahre älter und erfahrener, das verunsicherte sie noch mehr, da sie auch kein Selbstbewusstsein besaß.
Dort angekommen, ungefähr 200m von ihrem Zuhause entfernt, will er sie küssen, doch sie will nicht. Sie diskutieren eine Weile, dann kehrt Schweigen ein. Sie verabschiedet sich von ihm und will gehen. Sie wendet sich von ihm ab, doch er hält sie fest. Er zieht sie zu sich und drückt sie gegen die Hauswand. Noch bevor sie realisieren kann was passiert, hat sie seine Zunge im Mund und seine Hand an ihrer Hose. Er öffnet sie und zieht sie herunter. Sie ist starr vor Angst, kann nicht reagieren. Sie kann sich erst wieder fangen, nachdem er sie auf den Boden geschmissen hat und dabei war, sich das zu nehmen was er wollte. Sie wehrte sich, schrie, versuchte sich zu befreien, aber es gelang ihr nicht.
Er nahm sich einfach ihre Unschuld. Als er dann endlich fertig war, raffte sie sich auf und trat ihm mit voller Kraft in die Gegend, wo es ihm so richtig weh tat.
Während er sich vor Schmerzen krümmte, zog sie sich an und rannt, so weit wie sie nur konnte, bis sie an einem kleinen Waldstück ankam. Dort brach sie unter Tränen zusammen.
Irgendwann, es war schon hell, entschloß sie sich nach Hause zu gehen. Dort angekommen tat sie so als wäre nichts geschehen und legte sich schlafen. Der Rest der Familie sollte nie etwas davon erfahren und das haben sie bis heute auch nicht.
Die nächste Zeit brachte ihr weitere Qualen und neue Erkenntnisse, dass das Meiste, was das Leben bringt Schmerz ist.
So hatte sie ihren ersten Kuss mit einer Frau, die sogar mit ihr zusammen sein wollte. Jedoch wollte sie ihren Freund nicht für sie verlassen und somit wurde sie 3 Monate lang von ihr betrogen und ausgenutzt.
All das Geschehene brachte sie letztendlich dazu, sich wehzutun. Nicht nur seelisch, sondern auch körperlich sah man ihren Schmerz in Form von tiefen Schnitten an Armen und Bauch. Doch sie verstand es, es gut zu verbergen.
Das alles hinderte sie jedoch nicht daran, ihren Abschluss zu machen und aufs Gymnasium zu wechseln, wo sie hoffte, das sich alles ändern würde.

1. Kapitel


Tagebucheintrag 12.2.2004
Ich stand am Ende der Straße und schaute den Weg zurück, den ich gerannt war. Vor ein paar Minuten war ich noch bei ihr, stand vor ihr und schaute in ihre wunderschönen Augen, die ich so oft schon bewundert hatte. Doch diesmal schauten sie nicht wie sonst, warm und liebevoll, sie schauten nur kalt. Sie wirkte die ganzen letzten Tage schon so kalt. Sie war so anders zu mir. Sie hat zwar mit mir geredet, so wie immer, doch ihre Worte klangen kalt und abweisend. Heute habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten und sie gefragt warum sie so zu mir ist. Erst wollte sie mir nichts sagen, doch dann...
„Spatz, kommst du essen? Wir warten nur noch auf dich.“
Wie ich es hasse, wenn meine Mom mich ‚Spatz’ oder ‚Kleine’ ruft, aber irgendwie habe ich die Befürchtung, dass sich das nie ändern wird. Schnell packe ich mein Tagebuch in die unterste Schreibtischschublade und rufe ihr zurück: „Bin schon unterwegs.“
Irgendwie muss es meine Mom förmlich riechen, wenn ich meine Gedanken zu Papier bringen will, denn genau dann, ist immer irgendetwas. Noch ehe meine Mom die Treppe hinaufkommen kann, steh ich schon oben um hinunter zu rasen und mich noch vor ihr auf meinen Stuhl sinken zu lassen.
„Warum grinst ihr so? Hab ich Tinte im Gesicht, oder was?“, frage ich verdutzt, weil es sehr seltsam ist, wenn alle - Friede Freude Eierkuchen - an einem Tisch sitzen.
„Ach nichts.“ Bekomme ich nur von meiner herzallerliebsten Schwester zu hören.
„Na kommt schon, spannt mich nicht so auf die Folter. Bitte sagt es mir doch.“, bettle ich sie mit meinem besten Hundeblick an.
„Also gut. Wollen wir unsere Kleine mal nicht weiter ärgern.“
Da! Sie sagt es schon wieder.
„Die Schule hat angerufen...“
Oh nein! Noch bevor sie weiter reden kann, unterbreche ich sie: „Egal was es ist, ICH war es nicht!!!“
„Oh doch! Diesmal sind wir total sicher, das du es warst...“
Wie ich es liebe wenn sie Kunstpausen einlegt.
„...Deine Deutschlehrerin hat angerufen.“
„Was wollte sie denn?!“, frage ich ungeduldig „Erst willst du’s unbedingt wissen und dann unterbrichst du mich andauernd. Willst du es nun wissen oder nicht?! Sonst behalt ich es eben für mich!!!“ „Ja! Natürlich will ich es wissen. Also was is` nun?!“ Wie ich es liebe. „Also, wie gesagt deine Deutschlehrerin, wie heißt sie doch gleich...“ „Frau Reichar!“ Weiter! Komm zum Punkt! „... Richtig. Also, diese Frau Reichar hat angerufen und nach dir gefragt. Du warst aber gerade am Telefonieren. Naja jedenfalls findet sie dein Liebesgedicht ja ganz toll und möchte, dass du es irgendwo vorträgst. Ich wusste gar nicht, dass du Gedichte schreibst und erst recht nicht Liebesgedichte.“
„Tja, unsere Kleine wird halt langsam erwachsen.“ Brachte meine liebe Schwester mal wieder als Kommenentar mit ein.
„Halt die Klappe Viviana! Das war `ne Bonusaufgabe für Notenverbesserungen! Mehr NICHT! Klar?!“
Das ist mal wieder typisch meine Schwester ist zwei Jahre älter und ja schon sooo erwachsen.
„Warum denn gleich so gereizt, Kleines?! Du sollst sie zurückrufen. Die Nummer liegt gleich neben dem Telefon. Sie scheint ja viel von dir zu halten.“
„Ich werde sie am besten gleich zurückrufen, da hab ich’s hinter mir. Und nur damit ihr es wisst, IHR bekommt es nicht zu lesen!!!“
Mit diesen Worten stürze ich ans Telefon und rase mit der Nummer in mein Zimmer, wo ich einige Minuten vor dem Telefon sitze und es anstarre.
Das kann doch nicht sein ICH soll MEIN Gedicht vortragen? Öffentlich oder vor der Schule? Ich sollte sie erst mal anrufen, bevor ich Panik schiebe.
Langsam wähle ich ihre Nummer. Jemand nimmt ab, eine Frau meldet sich. Es klingt aber nicht wie Frau Reichar.
„Ja?“
„Gu..guten Tag. Spreche ich mit Frau Reichar? Ich sollt wegen des Vortrags zurückrufen.“
„Einen Moment ich reiche dich weiter.“
„Hallo Willow. Schön, dass du gleich anrufst. Ich weiß nicht was dir deine Mutter ausgerichtet hat. Ich habe dein Gedicht jemandem vorgelegt, der Gedichtsvorlesungen organisiert, weil ich es sehr gut fand und er hat gesagt, dass du es, wenn du willst in zwei Wochen bei einer Lesung vortragen kannst. Was hältst du davon?“
„Jetzt binsch platt“
„Bitte wie?“
„Entschuldigung, ich mein, ich fühle mich sehr geehrt, aber...“
„Nichts aber! Wenn du dich unsicher fühlst, können wir uns ja vorher noch mal treffen und du kannst es mir vortragen und ich kann dir noch ein paar Tipps geben. Was hältst du davon?“
„Wie es scheint, werde ich es wohl nicht schaffen Sie zu überzeugen, dass ich das nicht kann?“
„Nein!“
„Nun gut, dann werde ich ihr Angebot dankend annehmen. Wann hätten sie Zeit?“
„Was hältst du von heute Nachmittag bei mir? Sagen wir so gegen vier?“
„Ähm ja gern. Ich störe Sie auch nicht bei irgendetwas?“
„Nein, keine Sorge. Ich erwarte dich dann also gegen vier bei mir. Weißt du wie du herkommst?“
„Ja. Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde pünktlich da sein.“
„Gut, dann bis nachher. Tschüss.“
„Aufwiederhören.“
Schnell lege ich das Telefon auf und kneife mich erst mal in den Arm.
Das kann doch nicht wahr sein. Ich treffe mich in den Ferien mit meiner Lehrerin um mich für den Vortrag meines Gedichts vorzubereiten. Das ist doch total irre.
Wie in Trance gehe ich die Treppe hinunter und setzte mich wieder an den Esstisch. Alle schauen mich erwartungsvoll an.
„Ich werde in zwei Wochen mein Gedicht bei einer Lesung vortragen und um vier treffe ich mich mit Frau Reichar um mich darauf vorzubereiten.“
Das ist alles was ich in diesem Moment herausbekomme. Alle sind total begeistert und reden wie wild durcheinander. Ich bekomme jedoch nicht viel mit. Essen bekomme ich nicht runter, also stehe ich auf und gehe wieder hoch.
Um Zwei. Noch eine Stunde, dann muss ich los.
Ich fange an das Original meines Gedichts zu suchen, als meine Schwester ins Zimmer kommt. „Na was suchst du? Bist du aufgeregt?“
„Ich aufgeregt? Wie kommst du denn da drauf? Im Moment suche ich mein Gedicht. Was willst du?“
„Naja. Du weißt doch, dass ich in diesen Jungen verliebt bin..“
„Florian!“
„Ja genau und...“
„Und nun soll ich ein Gedicht für ihn schreiben, stimmt’s!“
„Ja genau! Das wäre total lieb von dir. Du weißt doch wie sehr ich...“
„YES, hab’s gefunden. Mal sehen, wenn ich Zeit und Lust habe, werde ich dir eines schreiben. Aber versprechen kann ich dir nichts. Ich muss mich jetzt anziehen, sonst komm ich zu spät!“
„Gut, dann lass ich dich jetzt lieber in Ruh, aber denk mal in `ner freien Minute an mich. Bis später.“
Ich haue mein Gedicht bzw. meine Mappe mit vielen Gedichten und mein Schreibzeug in eine Tasche und ziehe irgendwelche Klamotten über, die grade greifbar sind. Verabschiede mich pünktlich um drei von meiner Mom und meinem Schwesterchen.
Die Fahrt bis zur Wohnung meiner Lehrerin bekomme ich nicht wirklich mit. Ich erreiche sie zehn Minuten vor vier. Einige Minuten schaue ich mich um. Es ist eine schöne Gegend und ein richtig schönes Haus mit zwei Etagen. Auf dem Türschild steht Reichar.
Ich klingele und warte. Eine Frau macht auf, begrüßt und verabschiedet sich gleichzeitig wieder von mir. Dahinter sehe’ ich Frau Reichar. Ich muss sie wohl etwas verdutzt angeschaut haben, denn sie klärt mich sogleich auf.
„Das war meine Freundin. Komm rein und setzt dich irgendwohin.“
„Also habe ich Sie doch gestört. Das tut mir Leid. Sie hätten doch was sagen können!“
„Ach gar nicht. Sie hatte eh noch etwas vor. Möchtest du etwas trinken?“
„Ja gern, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
Sie geht in die Küche und kommt mit einem Glas Apfelsaft wieder. Sie sieht sehr vornehm aus.
„Bitte sehr. Nun sitz nicht so verkrampft da, wir sind hier nicht im Unterricht.“
„Danke. Ich würde gerne wissen, ob sie die Gedichte der anderen auch Ihrem Bekannten vorgelegt haben und ob ich die Einzige von uns bin, die ihres vortragen soll.“
„Ich habe ihm alle Gedichte vorgelegt. Er sollte mir bei der Bepunktung helfen. Von deinem war er total begeistert, genauso wie ich.“ Während der ganzen Unterhaltung schaut sie mich lächelnd mit ihren blauen Augen an.
„Nun werd nicht gleich rot. Es ist doch nichts, wofür man sich schämen müsste. Du hast es mit sehr viel Gefühl für jemanden geschrieben, stimmt’s?“
Ich schaue auf den Boden und antworte ohne nachzudenken. „Ja es ist für eine bestimmte Person geschrieben, doch ihr werde ich es nicht geben.“
Ich schaue zu ihr. Sie schaut mich fragend an und erst jetzt merke ich, was ich gerade gesagt habe.
Oh mein Gott! Was wird sie jetzt von mir denken?
Mir wird schlecht.
„Achso, du hast das Gedicht für eine Frau geschrieben? Dann passt es auch besser. Ich mein, ein Mann mit weinroten kurzen Haaren und blauen Augen sieht schon seltsam aus.“
Ich muss lachen, denn genau das hab ich mir auch gedacht, als ich es vor der Klasse vortragen musste. Es scheint sie nicht zu stören. Das Gefühl der Übelkeit verschwindet und ich merke, wie ich mich beruhig.
Wir reden noch eine Weile, dann beginnen wir mit dem Gedicht. Ich trage es, rund 15-mal, vor. Ganz fachmännisch berät sie mich, wo ich etwas hervorheben soll oder mehr betonen und wo ich Pausen einhalten muß. Noch nicht ganz am Ende angelangt, klingelt das Telefon und erschreckt mich derart, dass ich einen kleinen Schrei los lasse. Daraufhin springt sie hoch, nimmt mich kurz zur Beruhigung in den Arm und geht dann ans Telefon. Für einen kurzen Moment stehe ich benommen da. Der Duft ihres Parfums umgibt mich noch. Während sie telefoniert setze ich mich auf das weiße Ledersofa und schaue aus dem großen Fenster. Es ist schon dunkel. Ich wende meinen Blick und schaue auf die Uhr. Oh Gott. Wir haben es schon nach halb Zwölf. Meine Mom macht sich bestimmt sorgen. Unruhig rutsche ich auf dem Sofa hin und her und warte, dass sie wiederkommt. Nach einer Ewigkeit, die aber nur drei Minuten lang war, kam sie wieder.
„Es ist schon ziemlich spät, ich glaube es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Meine Mom macht sich bestimmt sorgen.“
Ich wollte gerade aufstehen, als sie sich zu mir auf Sofa setzt und mich zu sich zurückzieht.
„Immer mit der Ruhe. Der Anruf eben war von deiner Mom. Ich habe ihr alles erklärt und sie ist einverstanden, dass du heute hier übernachtest. Denn wir sind beide der Meinung, dass man dich nicht allein um die Uhrzeit quer durch die Stadt schicken kann. Außerdem fährt jetzt kein Bus mehr von hier.“
„Aber ich habe doch gar nichts mit. Das geht doch nicht! Ich habe Sie so schon lange genug belästigt, da kann ich nicht noch hier übernachten!!!“
„Doch du kannst und du wirst. Keine Widerrede!!! Da du jetzt schon hier übernachtest, kannst du mich dann bitte auch duzen? Ich komm mir sonst so alt vor und außerdem tue ich das schon die ganze Zeit. Einverstanden? Nett dich kennen zu lernen. Nenn mich Karen.“ Lächelnd und mit einfühlsamem Blick reicht sie mir die Hand und ich schlage ein.
„Aber in der Schule werde ich Sie, `tschuldigung dich siezen!“ Irgendwie kommt es mir nicht real vor, was alles passiert. Ich fühl mich so seltsam.
„Geht klar“, sagt sie und muss ein Lachen unterdrücken, was ihr aber nicht wirklich gelingt.
„Willst du jetzt schon schlafen gehen? Ich noch nicht. Ich mach mir erst mal ein Cappuccino. Wie sieht’s aus, willst du auch einen?“ Ihre Stimme klingt so warm und doch bestimmt.
„Ja gern, aber wenn es dir keine allzu großen Umstände macht, würde ich gern eine heiße Schokolade trinken?!“
„Nein, es macht mir keine Umstände. Ich habe sogar noch welche da. Mach’s dir gemütlich. Ich bin in fünf Minuten wieder da und schlaf mir bloß nicht ein.“
Mit diesen Worten verschwindet sie in der Küche. Ich nehme mir meine Mappe mit den Gedichten und blättere gedankenverloren herum. Ich merke gar nicht wie Karen wieder kommt und sich neben mich setzt.
„Darf ich mal sehen?“ Mit dieser Frage reißt sie mich aus meinen Gedanken.
„Ähm was? ..Achso, ja klar. Hier.“ Ohne nachzudenken reiche ich ihr die Mappe, obwohl ich mir immer vorgenommen habe sie niemandem zu zeigen, da ich in diesen Texten, Gedichten und Zeichnungen all meine Gefühle, Ängste und Wünsche ausdrückt haben.
Gespannt und ein wenig ängstlich schaue ich ihr zu, wie sie sich jedes einzelne anschaut und durchliest. Ab und zu trinkt sie einen Schluck aus ihrer Tasse. Ich beobachte ihre Augen. Sie drücken die Gefühle aus, die ich beim Schreiben hatte. Sie scheint sie zu verstehen, was mir ein positives Gefühl vermittelt. Nach einer Weile stehe ich auf und gehe zum Fenster, welches bis zum Boden reicht. Es ist ruhig draußen und die Dunkelheit verhüllt alles.
Wenn ich so in die Nacht schaue, beginne ich immer wieder zu träumen, von all den Wünschen die mir so lange schon auf der Seele und dem Herzen liegen. Tausend Gedanken rasen mir durch den Kopf. Manche kann ich erfassen, doch die meisten sind viel zu schnell für mich.
Plötzlich spüre ich eine Hand auf meiner Schulter. „Die Nacht ist schön nicht wahr?“, höre ich ihre leise warme Stimme fragen.
„Ja, in der Nacht scheint alles möglich zu sein. Man kann alles tun, ohne das es jemand sieht, da die Dunkelheit einen einhüllt.“ Oh, Gott. Ich werde schon wieder poetisch.
„Darf ich dich umarmen?“, fragt sie leise.
„Bitte? Ich glaub ich habe gerade nicht richtig zugehört. Du willst mich umarmen???“
Lächelnd drehe ich mich um und schaue in Karens Augen, welche auf einmal traurig, sehnsüchtig und ernst schauen. Ich habe mich nicht verhört, genau das hat sie gerade gefragt.
„Ja natürlich darfst du. Warum sollte ich es dir denn verbieten?“
Sie kommt einen Schritt näher und nimmt mich in ihre Arme. Sie riecht so gut, herb und doch sanft. Ich fühle mich so geborgen in ihren Armen, es tut so gut.
„Du bist ein Mensch mit sehr viel Gefühl und dir wurde auch schon sehr oft wehgetan, stimmt’s? Du hast bestimmt diese Mappe noch niemandem gezeigt.“
Ich wollte für immer in ihren Armen liegen, doch als ich ihr keine Antwort gab, löste sie diese. Karen schaut mich mit ernstem Blick an und ich kann diesem nur schwer standhalten.
„Nein, das hast du nicht und ich bezweifle auch das du sie jemals deiner Familie gegeben oder auch nur erwähnt hast. Willst du wissen was ich denke? Du kannst mit deiner Familie über solche Sachen nicht reden, was ich sehr schade finde, denn du hast wirklich Talent und du solltest es auch nutzen. Ich kann gar nicht verstehen, warum du in meinem Unterricht immer so ruhig bist. Das musst du unbedingt ändern!“
„Bitte rede jetzt nicht vom Unterricht. Ich hasse Schule und Deutsch ist für mich mehr eine Qual. Man muss etwas schreiben, obwohl man es gar nicht will und das macht absolut keinen Spaß. Damit will ich aber nicht sagen, dass dein Unterricht schlecht ist. Es war bei mir in Deutsch schon immer so! Ich hoffe du kannst mich verstehen.“
Ich gehe zurück zum Sofa ohne sie anzuschauen. Ich hoffe, ich habe sie damit nicht verletzt. Sie beginnt zu lachen. Erst leise und dann laut.
„Ich kann dich sogar sehr gut verstehen. Mir ging es in deinem Alter genauso.“
Ich weiß nicht, was mich an ihren Worten verletzt hat, aber sie haben mich verletzt. Bedrückt lasse ich meinen Kopf sinken und merke, wie mir die Tränen in die Augen schießen.
„Hey, was ist los mit dir, habe ich was Falsches gesagt?“ Sie setzt sich zu mir.
„Nein, hast du nicht. Ist schon alles in Ordnung. Ich würde dann gern schlafen gehen.“
„Ja natürlich. Ich zeig dir wo.“ Sie geht die Treppe hoch und bringt mich in ein Zimmer mit einem Doppelbett.
„Ich hoffe, es macht dir nichts aus, mit mir in einem Bett zu schlafen. Es geht nun mal nicht anders. Wenn du es aber absolut nicht möchtest, dann kann ich dir auch ein Taxi rufen.“
Ich druckse herum und sie sieht mich mit prüfendem Blick an.
„Wenn es nicht anders geht, dann muss ich wohl.“ Ich versuche ihr ein Lächeln entgegen zu bringen, was mir aber nicht wirklich gelingt. Es wird eher ein gequetschtes Grinsen. Es ist schon seltsam, ich weiß gar nicht, was jetzt mit mir los ist. Ich habe so ein seltsames Gefühl, es ist nicht negativ und das beunruhigt mich.
„Gut, dann zeig ich dir mal, wo das Bad ist. Du kannst als Erste rein. Schlafzeug geb ich dir auch gleich. Handtücher und Ähnliches findest du im Bad. Brauchst du sonst noch etwas?“
„Nein, ansonsten meld ich mich bei dir.“
Ich verschwinde im Bad. Es ist ziemlich groß mit einer Badewanne und einer Dusche. Ich entscheide mich für eine kleine Dusche. Währendessen, muss Karen reingekommen sein und das Schlafzeug gebracht haben. Schnell schlüpf ich hinein und mach meine Haare. Ich geh zurück ins Schlafzimmer.
Als ich im Bett liege, merke ich, dass ich meine Sachen und meinen Haargummi im Bad liegen gelassen habe.
Ich mache die Badtür auf und Karen steht in ihrem noch nicht geschlossenen Bademantel vor mir. Für einige Sekunden stehe ich einfach nur da und starre sie an..
„Ist irgendwas passiert?“
„Ähm......nein.......tu...tut mir leid, bin schon wieder weg.“ Ich merke, dass ich knallrot angelaufen bin, es ist mir furchtbar peinlich.
Bei meinem Herausstürzen habe ich mir wenigstens meinen Haargummi greifen können. Schnell gehe ich wieder zurück ins Bett und verkrieche mich unter die Decke. Egal was ich mache, in meinen Gedanken sehe ich immer wieder sie. Wie sie in ihrem weißen geöffneten Bademantel dasteht und wie ihr die nassen weinroten Haare ins Gesicht fallen.
Jetzt erst merke ich, dass meine Beschreibung in meinem Gedicht eigentlich genau auf Karen zutrifft. Das wird ja immer peinlicher.
Ich höre, wie sie aus dem Bad kommt und sich die Schlafzimmertür öffnet. Sie macht das Licht an legt irgendetwas irgendwo hin. Dann schaltet sie das Licht wieder aus und legt sich hin. Die ganze Zeit kneife ich die Augen zusammen. Ich spüre ihre Hand auf meiner Schulter.
„Was war vorhin los? War es dir denn so peinlich? Ich meine es ist doch nichts dabei, oder?“, höre ich ihre leise Stimme fragen.
Nein. Natürlich ist nichts dabei. Ich habe ja nur meine Lehrerin nackt gesehen. Und verdammt noch mal, sie ist wunderschön.
„Es war wohl doch keine so gute Idee, dass du heute bei mir übernachtest. Ich dachte ja nur.......Ach was. Ich denk zu viel“, ihre Stimme klingt so traurig: „Schlaf gut Willow!“
Mit diesen Worten drückt sie mir einen Kuss auf die Wange. Dort wo ihre Lippen waren, brennt meine Haut wie Feuer.
„Schlaf gut, Karen.“
„Ich dachte, du schläfst schon. Hast du das jetzt alles gehört. DAS ist mir jetzt peinlich!“
Ich drehe mich zu ihr und schaue ihr tief in ihre stahlblauen Augen. Diesmal ist sie diejenige, die MEINEM Blick nicht standhalten kann. Sie dreht sich auf den Rücken.
„Du, kann ich dich mal was fragen“, frage ich sie vorsichtig.
„Solange es nichts mit der Situation vorhin zu tun hat!“
„Nein, du warst gar nicht überrascht zu hören, dass ich...naja, auf Frauen stehe. Für dich scheint es nichts ‚Schlimmes‘ zu sein.“
„Warum sollte es für mich denn was Schlimmes sein. Außerdem habe ich es schon vorher gewusst. Frag mich nicht woher, ich hab es einfach gewusst.“
Schweigen, ich schaue mir ihr Profil in der Dunkelheit an, dann drehe ich mich auch auf den Rücken: „Bitte nicht Schlagen, aber kann es sein,.........dass...dass du auch...“
„Das ich auch auf Frauen stehe? Ja, ich bin auch lesbisch. Du hast es gespürt, nicht wahr? Genauso, wie ich es bei dir gespürt habe. Wir haben halt dafür einen sechsten Sinn.“
„Hm, klingt seltsam, dass wir einen sechsten Sinn haben. Ich mein, wir sind doch Menschen, wie jeder andere auch, oder nicht?!“ Ich spüre ihren Blick, der auf mir ruht und das macht mich nervös. Ich wende mich ihr zu und merke, dass ihr eine Träne die Wange herunterläuft.
„Ja, das sind wir. Ganz normal, wie jeder andere.“
Ihre Stimme zittert. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich mag es nicht, wenn Frauen weinen. Habe ich etwas Falsches gesagt? Ich hätte wohl doch lieber nicht fragen sollen.
Noch ehe ich weiter darüber nachdenken kann, spüre ich ihren Körper an meinem. Sie umschlingt mich mit ihren Armen und vergräbt ihr Gesicht an meinem Hals. Jede einzelne Träne, die sie vergießt, spüre ich und ihr heißer Atem auf meiner Haut bringt mich noch um den Verstand. Ich sage nichts sondern sauge jede Sekunde in mich auf.
„Hast du morgen und übermorgen schon etwas vor? Ich würde dich gerne bei mir haben. Ich bringe es auch deiner Mom bei, aber bitte geh morgen noch nicht!“, haucht mir ihre Stimme entgegen.
„Ich würde sehr gern noch ein paar Tage hier bleiben. Aber nur, wenn du aufhörst mit weinen. Denn, wenn ich deine traurigen Augen sehe, dann.....“
Sie lächelt und schaut mich herausfordernd an: „Dann was??? DAS?!“
Keine Sekunde später, spüre ich Karens sanfte Lippen auf meinen. Genau das habe ich gemeint. Ob sie Gedanken lesen kann? Ich liege total steif da.
„Hey noch da? Alles okay?“
Ihr Blick ist unsicher und noch bevor sie irgendwas tun oder sagen kann, habe ich den Mut gefasst und küsse sie, mit all den Gefühlen, die sich in mir angestaut haben. Ich lege meinen Atem in ihren Mund und sie lässt mich gewähren. Sie ist so gefühlvoll und ich will, dass dieser Moment nie wieder endet.
„Lass uns jetzt schlafen, es ist schon sehr spät. Gleich morgen früh ruf ich bei deiner Mom an.
Ich werd mir was einfallen lassen. Versprochen. Und jetzt schlaf.“ „Wenn es unbedingt sein muss, aber bitte geh nicht weg.“ Und so schlafen wir aneinander gekuschelt ein.





copyright © by keksWillow. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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