von keksWillow
13. Kapitel
Ich wache in einem Krankenhaus wieder auf.
„Ah, sie sind wieder wach, sehr gut. Wie geht es ihnen“, fragt die Schwester, die ein Tablett mit Essen auf den Tisch stellt.
„Ganz Okay, was ist passiert, ich kann mich nicht mehr erinnern?“
„Sie hatten einen Kreislaufzusammenbruch, aber das wird schon wieder, der Arzt wird gleich noch mal nach ihnen schauen.“
Sie verlässt das Zimmer. Ich merke, dass ich tierische Kopfschmerzen habe. Ich versuche aufzustehen, doch es wirft mich sofort wieder zurück.
Ich sehe vor dem Fenster zum Gang durch die geöffnete Jalousie eine Gestalt auf und ab laufen. Es kommt eine zweite dazu, sie unterhalten sich kurz. Dann kommt die zweite Gestalt rein. Es ist der Arzt.
„Wie geht es ihnen?“
„Es geht, nur diese Kopfschmerzen bringen mich um.“
„Die Schwester wird ihnen ein Medikament gegen die Schmerzen bringen. Sie hatten einen Kreislaufzusammenbruch. Wir werden sie noch ein zwei Tage zur Beobachtung hier behalten, aber es müsste ihnen schnell wieder besser gehen. Haben sie genug gegessen und getrunken?“
„Ich weiß nicht, kann mich nur schwach an alles vorher erinnern.“
„Das kommt wieder. Wollen sie Besuch empfangen?“ „Ja.“
„Gut ich schaue dann morgen wieder nach ihnen, wüsche eine erholsame Nacht.“
„Danke“, mit diesen Worten verlässt er das Zimmer und meine Mom kommt hinein. Sie sieht sehr blass aus. Ich beruhige sie erst mal und sie will mir unbedingt noch ein paar Sachen von zuhause holen und das, was sie jetzt mit hat, mir geben. Wie Mütter halt sind, sie räumt meinen Schrank ein und erzählt, dass sie und meine Schwester sich sehr um mich gesorgt haben und hoffen das ich so schnell wie möglich wieder Heim kommen kann.
Jemand betritt das Zimmer.
„Karen“, sage ich erstaunt meine Mom dreht sich zur Tür und begrüßt sie freundlich.
„Stör ich sonst geh ich wieder.“
„Nein, nein! Ich wollte eh gerade wieder gehen. Also ich komm dann morgen noch einmal und bring dir deine restlichen Sachen. Schlaf gut.“
Damit verlässt meine Mom den Raum.
„Ich habe dir Blumen mitgebracht ich hoffe sie gefallen dir.“
„Danke stell sie bitte in die Vase dort.“
Es ist eine seltsame drückende Atmosphäre zwischen uns. Während sie Wasser in die Vase füllt fragt sie mich: „Bist du meinetwegen weggelaufen?“
Ich antworte ihr nicht, da ich wenn ich recht überlege, wirklich ihretwegen weggelaufen bin.
„Warum, es waren doch nur rund zwei Wochen mit uns.“
„Die schönsten zwei Wochen meines Lebens“, antworte ich ihr leise. Sie setzt sich auf mein Bett.
„Sag nicht so was, du bist noch jung und hast das ganze Leben noch vor dir, also Kopf hoch! Du wirst eine noch viel bessere Frau finden als mich! Siehst doch das ich nichts richtig machen kann.“
Ich schaue aus dem Fenster. Es herrscht schweigen. Nach einer Weile nimmt sie mich in den Arm. Ich sitze regungslos da, da ich nicht weiß, was ich davon halten soll. Es ist mir alles so bekannt ihr Geruch, wie sie sich anfühlt, es ist so seltsam. Ich schließe meine Augen und lehne mich zurück. Als ich meine Augen wieder öffne sieht mir Karen direkt in die Augen. Unsere Gesichter kommen sich immer näher und näher.
„Nein, das ist nicht richtig!“ mit diesen Worten drehe ich meinen Kopf weg. Karen lässt ihren Kopf sinken und legt ihn auf meinen Bauch. Ich starre aus dem Fenster.
„Was ist mit dir“, will ich von ihr wissen.
Doch sie reagiert nicht. Einige Minuten liegen wir einfach nur so da, dann nimmt Karen ihren Kopf hoch und dreht sich, ohne mich anzuschauen um.
„Ich komm später noch mal wieder“, ohne mich anzusehen verlässt sie das Zimmer. Allein bleibe ich zurück. Ich weiß nicht, was ich denken oder machen soll. Mir ist nur nach Heulen zumute.
Draußen ist es dunkel, durch mein Fenster kann ich in den Park sehen und die Bäume beobachten, wie der Wind mit ihren Blättern spielt und sie von der Dunkelheit eingehüllt werden.
Ich lass mir von der Schwester noch ein leichtes Schlafmittel bringen, da ich sonst wieder nicht hätte schlafen können. (12 Tage)
Ich werde von Sonnenstrahlen die genau auf mein Gesicht scheinen geweckt. Müde schaue ich auf die Uhr. Um zwei Nachmittag. Die Tabletten haben doch mehr gewirkt als sie sollten.
Ich schaue auf den Tisch neben meinem Bett und entdecke dort ein Bild von meinen Freunden, meiner Familie und mir. Meine Mom war also schon da. Ich setze mich vorsichtig auf. Auf dem Tisch liegt auch noch mein Tagebuch und etwas zum Schreiben. Ich lächle in mich hinein. Meine Mom hat wirklich an alles gedacht. Ich nehme es zur Hand und lese meinen letzten Eintrag; er war nicht zu Ende geschrieben. Ich lasse den Platz frei und beginne auf einer neuen Seite.
Kaum ein paar Wochen sind nach dem letzten Eintrag vergangen und doch hat sich in meinem Leben so viel verändert. Ich glaubte, das gefunden zu haben, was ich immer gesucht hatte, doch leider hatte es jemand vor mir entdeckt. Dennoch sagt sie mir nicht, dass sie mich nicht liebt, aber sie behauptet auch nicht das Gegenteil. Es würde nicht so wehtun, wenn ich wüsste, dass sie glücklich wäre, so wie es ist, doch sie ist es nicht. Ist sie bei mir oder schaut mich an, schauen ihre Augen immer traurig und Tränen stehen in ihnen.
Ich kann sie nicht hassen, ich kann sie nicht lieben, ich kann sie nicht gehen lassen, jedoch auch nicht behalten. Wenn sie lacht, dann ist mir alles andere egal. Es wird nie mehr so werden, wie es war. All die Sterne bleiben oben...
Ich schlage das Buch zu, ich kann nicht mehr weiterschreiben, ich weiß nicht wie es weitergehen soll. Ich nehme aus meiner Schiefermappe eine Rasierklinge heraus, die ich immer bei mir habe. Aus welchen Gründen auch immer. Ich schaue unter Tränen aus dem Fenster und setze am Unterarm an. Der Schmerz kann dem in meinem Inneren kaum standhalten. Ich schließe meine Augen und drifte weg.
Ich nehme nur schwach wahr, wie die Tür zu meinem Zimmer aufgerissen wird. Erst als sich jemand über mich schmeißt und mir die Klinge aus der Hand reißt komme ich wieder zu mir. Karen schaut mich verzweifelt an.
„Warum? WARUM?“, schreit sie mich an und drückt ihre Hand auf meinen Arm.
Der Schnitt ist noch nicht allzu groß, und als die Schwester kommt, sagt Karen ihr, dass es ein Unfall mit der Vase war, die zu Bruch gegangen ist, als sie sich auf mich geworfen hat. Ich widerspreche ihr nicht.
Karen wird aus dem Zimmer Geschickt und der Arzt versorgt mich. Ich schaue die ganze Zeit aus dem Fenster. Alle reden auf mich ein doch ich höre sie nur von weitem. Meine Gedanken entgleiten mir und ich verliere das Bewusstsein.
Ich sehe die Menschen, die in meinem Leben bis zu diesem Zeitpunkt eine wichtige Rolle gespielt haben. Meine Mom, die immer für mich da war, auch wenn wir uns öfters mal gekracht haben. Meine Freunde, die wenn sie auch im Moment keine Zeit haben, mich immer unterstützt haben und zum Schluss Karen. Sie steht da und sieht mich mit Tränen in den Augen an.
Ich fange an zu weinen und wache in meinem Krankenbett wieder auf. Allen Menschen die mir wichtig sind, habe ich wehgetan.
Ich öffne die Augen und sehe Karen. Sie ist wohl eingeschlafen, als sie auf mein Erwachen gewartet hat. Sie liegt halb auf mir und ich streiche ihr über den kopf.
„Es tut mir leid“, sage ich leise vor mich hin.
„Ich wollte dir damit nicht wehtun, ich habe nur keinen anderen Ausweg gesehen. Es tat so schrecklich weh.“ Mir steigen die Tränen in die Augen.
„Es ist nur... mir hat noch nie ein Mensch so viel bedeutet wie du. Mit dir wollte ich mein Leben verbringen.“ Karen hebt ihren Kopf und ich erschrecke mich leicht. Sie schaut mich an und auch ihr stehen die Tränen in den Augen.
„Es muss dir nicht Leid tun, du hast keine Schuld. Ich hätte ehrlich zu dir sein müssen, es ist ganz allein meine Schuld. Ich hätte nie gedacht das ich dir so viel bedeute...“
Ich ziehe ihren Kopf zu mir und küsse sie zärtlich. Die Tür öffnet sich und wir schrecken beide zusammen. Wie in Zeitlupe drehen wir unsere Köpfe zur Tür.
„Soll ich später wiederkommen?“
„Nein nein, ist schon okay“, antworte ich der Krankenschwester. „Ich werde dann mal gehen. Erhol dich gut und schalt mal ab“. Mit diesen Worten verlässt sie das Zimmer.
„Sie werden Übermorgen entlassen, durch ihren Unfall hat sich ihr Aufenthalt hier verlängert. Der Arzt wird später noch einmal nach ihnen sehen.“
Sie verlässt mein Zimmer. Warum sind wir zusammengeschreckt? Wahrscheinlich weil wir nicht entdeckt werden wollten, entlarvt für das was eigentlich jedem Menschen zusteht, doch wir sind durch Regeln, Normen und Gesetzte so verblendet das es für die meisten Menschen nur ein Schwarz und Weiß gibt. Sie akzeptieren keine anderen Meinungen oder Ansichten.
Später an diesem Tag ruft meine Mom noch mal an und erkundigt sich nach meinem Befinden. Ich erzähle ihr nichts von meinem ‚Unfall’. Das braucht sie nicht zu wissen. Es würde sie nur unnötiger Weise beunruhigen und das will ich nicht.
Paula, meine Mom und meine Schwester holen mich zu meiner Entlassung ab. Alle sind freudig, lachen und haben spaß, nur ich mache mir Gedanken. Wie soll es mit Karen und mir weitergehen? Soll ich das Gedicht wirklich Vortragen? Eigentlich trifft das Gedicht ja nur zufällig auf sie zu, es war ja ursprünglich für jemand anderen gedacht. Sie hat Recht, ich kann mir so eine Gelegenheit nicht entgehen lassen, ich muss es machen. Ich kann ja trotzdem noch das andere Gedicht vorlegen.
14. Kapitel
Am nächsten Tag in der Schule ist alles so wie immer und das macht mich krank. Alle sind im selben Alltagstrott, keiner bemerkt irgendetwas. Vielen von den Leuten mit denen man ab und zu mal ein Wort wechselt, die auch die selben Kurse belegen wie einer selbst, haben noch nicht einmal bemerkt, dass ich gefehlt habe. Das bestärkt einen immer mehr in der Ansicht, nur eine kleine unwichtige Person zu sein.
Pia zieht mich in der Pause zur Seite: „Ich wollte mich bei dir entschuldigen, dass ich es dir nicht schon eher gesagt habe. Aber ich wollte dich nicht verletzen. Wie du sicherlich gemerkt hast, warst du mir nicht egal. Ich wusste nur nicht genau, was ich für dich empfinde und das wollte ich erst rausfinden bevor ich es dir sage.“
„Am Anfang konntest du ja auch nicht wissen das Karen die Person ist die... naja, du weißt schon. Hast du es nun wenigstens herausgefunden?“
„Ja, habe ich. Das heißt so halbwegs. Ich liebe Paula, doch wenn ich dich manchmal so ansehe oder mit dir rede, ist es ein anderes Gefühl, mehr als nur Freundschaft. Doch ich weiß, dass ich Paula liebe und du doch Karen?!“
„Ja, ich kann verstehen was du fühlst, mir geht es genauso“, antworte ich Paula mit einem leichten Lächeln und hoffe, dass sie nicht sieht, dass das was sie gesagt hat mich eigentlich mehr getroffen hat, als ich vermutet habe.
Da sie Kunst und ich Musik habe, reißt uns das Stundenklingeln auseinander. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, bin ich sogar ein wenig froh darüber, denn wenn ich jetzt noch mehr über diese Situation grüble, wird mein Gefühlschaos nur noch größer.
Zum Glück kann ich in Musik ein wenig abschalten. Es ist neben Informatik mein Lieblingsfach, da ich schon seit ich denken kann, singe und es zu einer Leidenschaft von mir geworden ist. Leider haben wir immer nur zwei Stunden die Woche, was zu dem Rest, der Fächer, die ich nicht leiden kann, egal ob es vom Lehrer oder dem Fach an sich abhängt, sehr wenig ist. Also genieße ich jede Sekunde. Wir machen keine Pause zwischen den zwei Stunden, so scheinen die 90 min noch kürzer, als sie so schon für mich sind.
Den ganzen Tag lang ist mir Karen nicht über den Weg gelaufen, was ich einerseits seltsam finde, aber andererseits bin ich auch froh darüber.
Am Nachmittag unternehme ich endlich mal wieder was mit meinen Freunden und habe Spaß. Erst als ich wieder zu Hause bin, muss ich an Karen denken. Ich habe Morgen wieder Deutsch bei ihr. Wie das wohl sein wird sie wiederzusehen? Mit gemischten Gefühlen gehe ich schlafen.
Nur zögerlich gehe ich den nächsten Tag in die Schule. Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, die ersten beiden Stunden sausen zu lassen, doch ich kann nicht ewig wegrennen. Als ich den Raum betrete, herrscht schon reges Treiben. Alle reden durcheinander. Ich suche den Raum nach Paula ab und finde sie in einer Gruppe von Mädchen. Ich gehe zu ihr.
„Hey Will! Freu dich, wir haben kein Deutsch. Frau Reichar ist nicht da.“
Sie ist nicht da, auf einmal schießen mir tausende von Gedanken in den Kopf. Warum ist sie nicht da? Ist sie krank? Das kann nicht sein! Ich mache mir große Sorgen. Den ganzen Tag bin ich mit meinen Gedanken nur bei ihr. Ich entschließe mich dazu sie abends anzurufen.
Jetzt sitze ich vor dem Telefon und weiß nicht was ich machen soll. Ich nehme den Hörer ab und wähle ihre Nummer. Gerade als ich wieder auflegen will, geht jemand ran. Es ist nicht Karen, nein, es ist Kirsten. Ohne etwas gesagt zu haben lege ich auf.
Später am Abend kann ich mich dazu durchringen ihr eine SMS zu schreiben.
‚Hallo Karen, du warst heut nicht in der Schule und keiner weiß, was du hast und wann du wiederkommst. Ich weiß zwar nicht wirklich, wie wir zueinander stehen, aber ich mache mir Sorgen um dich. Man muss ja nicht zusammensein, um sich um den anderen zu sorgen. Ich würde mich sehr freuen, etwas von dir zu hören. Ich hoffe es ist nichts Ernstes, du kannst mich schließlich nicht kurz vor meinem großen Tag allein lassen.’
Ich bekomme keine Antwort und auch an den nächsten Tagen nicht. Die Sorge um sie wird größer und der Drang, einfach mal bei ihr vorbei zu fahren. Jedoch habe ich dazu dann doch keinen Mut mehr. Die Abende verbringe ich mit Schokolade vor dem Fernseher. Ich will lieber allein sein, auch in der Schule, da ich mit meiner Laune eh allen nur die Stimmung vermiese.
copyright © by
keksWillow. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.