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Stories » Detail

Chiva’ýa und Judith

von kueken


In scharfem Galopp kam sie angeritten. Zu scharf. Ihr feuriges Pferd drehte sichein paar Mal um die eigene Achse bevor es zu einem nervös trippelnden Stillstandkam. Ihr Haar schimmerte wie die Mähne des Schecken. Mit einer Kopfbewegung, dieder des Pferdes glich, beseitigte sie eine lästige Haarsträhne. „Nuja agha! Nujaagha!“ Ihre kräftige Stimme hallte bis in die letzten Winkel des Gebäudes.
Andere ihrer Art kamen heraus gelaufen, die Katzenaugen weit, die goldene Hautim fahlen Sonnenlicht schimmernt, die langen Finger an den Schwertgriffen. Hartwendete sie ihr Pferd und in scharfem Galopp sprengte sie wieder durch das Torhinaus und über die grasige Ebene Richtung Horizont. Dort stand ein großer Wald,und in diesem Wald befand sich ihr Ausguck, von wo sie das gesamte Gebietüberblicken konnte. Von dort hatte sie die Schiffe kommen sehen, als sie nochkleine Pünktchen kurz hinter dem Horizont waren. Ihr Pferd, Agatos, schoss überdas sanft wogende Gras. Er liebte die Ebene, und hier, wo er das federnde Grasunter den Hufen spürte, flog er nur so dahin. Ihr langes Haar glänzte imSonnenlicht, ihre Katzenaugen waren zusammengekniffen, ihre langen Fingerhielten die Zügel lose. Auf ihrem Rücken trug sie einen Bogen und einen Köchervoller todbringender Pfeile. Hinter ihr folgten einige Reiter in glänzendenRüstungen. Am Hochsitz hielt sie ihr schnaubendes Pferd an, schwang einschlankes Bein über seinen Hals und rutschte sanft von seinem Rücken. EineStrickleiter wurde von einem Baum heruntergelassen und sie ergriff sie undkletterte in Windeseile nach oben. Ihr Bruder war auch dort. „Chiva’ýa.“,begrüßte er sie mit einem Kopfnicken. „Hazú.“, kam ihre Antwort. Gemeinsam mitJokoya, einem weiteren Wächter des Ausgucks, beobachteten sie die näherkommenden Schiffe. Die anderen Reiter verteilten sich im Galopp durch den Waldund bezogen Stellung. Lange harrten sie so aus. Sie ließen die Schiffe in ihreBucht segeln und ankern. Sie verhielten sich still, als die Beiboote auf demSand aufliefen und die Menschen darin ausstiegen und, sich unsicher umblickend,den Strand hinauf kamen. Dann, als hätten sie eine unsichtbare Linieüberschritten, wurde ein Pfeil aus dem Wald geschossen und landete direkt vorden Füßen der vordersten Menschen. Jokoya hatte ein sehr sicheres Ziel. DieMenschen wichen erschrocken zurück als ein majestätischer Reiter aus dem Waldkam. Sein Haar schimmerte in hellem Gold, seine Haut in einem dunkleren Ton. Erritt einen schneeweißen Hengst und war in weißes Tuch gehüllt, das seine Rüstungverbarg. Ein Mensch trat wieder etwas vor. Er hielt ein Stück weißes Tuch in derHand. „Wir sind in friedlichen Absichten hier, Meister.“, sagte er in einerSprache, die in dem Land zwar nicht fremd, aber schon lange nicht mehr gehörtwar. „Aus unserer Heimat mussten wir fliehen und sind nun schon lange unterwegsund das Wasser geht uns bald aus.“ Kühl musterte der Reiter ihn. „Was hat Euchhierher gebracht?“, fragte er. Die Sprache klang aus seinem Mund perfekterlernt, aber so, als hätte er sie noch nie wirklich gebraucht. „Wir hörten voneinem Land, in dem das Schöne Volk noch immer unter der Sonne wandern soll. DieSchatten vertrieben uns aus unserer Heimat. Wir hofften, hier aufGastfreundschaft zu stoßen.“ Lange Zeit sagte der Reiter nichts. „Dies wirdniemals Eure Heimat sein. Jedoch ist es nicht unsere Art, die Hilfsbedürftigenabzuweisen. Es liegt nicht in meiner Hand über Euch zu entscheiden. Wir müsseneinen Rat mit dem Fürst abhalten. So lange dürft Ihr hier vor Anker liegen.Jakzú wird Euch zeigen, wo ihr frisches Wasser findet und dafür sorgen, dass IhrNahrung bekommt.“ Damit drehte er sich um und ritt wieder in den Wald hinein.
Jakzú, sein Pferd am Zügel führend, kam ihm entgegen. Der Reiter stoppte unterdem Hochsitz und saß ab, dann kletterte er geschwind nach oben. Alle drei imHochsitz knieten nieder. „Jokoya!“ „Mein Prinz?“ „Ich wünsche Verstärkung derWache. Der Wald darf nicht unkontrolliert bleiben.“ „Jawohl mein Prinz.“ Damitdrehte sich der Elbenprinz um und verließ den Hochsitz wieder. Jokoya wandtesich an Chiva’ýa und Hazú. „Schickt mir drei von den Reitern hier hoch, der Restsoll den Wald patrouillieren. Chiva’ýa, du gehst mit ihnen. Hazú, du kommstwieder mit hier hoch.“ Die Geschwister nickten und verließen einer nach demanderen den Hochsitz. Unten saßen sie auf ihren Pferden auf, und nach einemkurzen Blickwechsel stürmten sie beide in entgegengesetzte Richtungen davon, umdie anderen Reiter zu sammeln.
Chiva’ýa hatte zwölf Reiter im Wald eingeteilt und ließ Agatos jetzt gemächlicheinen breiten Waldweg langgehen. Ihre Augen funkelten im Dämmerlicht. Sie konntebei Nacht fast genauso gut sehen wie bei Tag. Plötzlich ward sie links von ihreiner Bewegung gewahr. Sie ließ Agatos weiter gehen, glitt lautlos von seinemRücken und huschte schnell wie ein Schatten hinter einen Baum. Ihre Sinne hattensie nicht im Stich gelassen, ein schmaler Mensch tapste im Unterholz hin undher. Chiva’ýa schlich sich von hinten an, sprang dann plötzlich vor und legteihrem Opfer eine Hand über den Mund, während die andere den zitternden Körper anihren eigenen presste. Überrascht stellte sie fest, dass es sich um eine jungeFrau handelte. Sie zappelte ein wenig, hörte aber auf, als sie merkte, dassChiva’yás Griff unerweichlich war. „Wer bist du und was hast du vor?“, zischteChiva’ýa. Sie lockerte die Hand über dem Mund ein wenig. „Ich wollte nur einbisschen was von dem Land sehen.“ „In wessen Auftrag?“ „In niemands.“ Chiva’ýaunterdrückte ein spöttisches Lachen. „Ach ja? Und warum schleichst du dann inder Nacht umher anstatt mit deiner Sippe bei Tageslicht zum Quell zu gehen?“„Gehen darf ich nicht, und mit meiner Sippe schon gar nicht. Ich habe beimSchiff zu bleiben. Ich bin nur eine Dienstmagdt.“ Chiva’ýa betrachtete ihreGefangene nun genauer. Sie trug zerrissene Hosen und ein weites Männerhemd, aberkeine Schuhe und auch sonst nichts weiter. Unerklärliches Mitleid ergriff sieund rührte ihr Herz. „Wie heißt du?“ „Judith.“ „Judith. Ich bin Chiva’ýa. Wenndu magst, kannst du ein Stück mit mir kommen, aber früher oder später musst duwohl zu deiner Sippe zurück.“ Judith nickte. Chiva’ýa führte sie aus demUnterholz hinaus und pfiff nach Agatos. Als er kam hob sie Judith auf seinenRücken, streichelte seine Nüstern und griff nach seinen Zügeln. Zuerst warenbeide still, Elb und Mensch. Dann konnte Judith ihre Neugier nicht mehrunterdrücken. „Lebt ihr hier in dem Wald?“ Chiva’ýa lächelte in sich hinein.
„Nein, von hier aus schauen wir nur aufs Meer hinaus. Sonst wärst du auch garnicht so leicht hier reingekommen.“ „Lebt ihr denn weit von hier?“ „Nach deinenMaßstäben vielleicht schon, aber wir erreichen unsere Wohnstätten in einemkurzen Ritt.“ „Denkst du, wir können hier bleiben?“
Chiva’ýa seufzte. Der Fürstwar streng, aber gerecht. Mit Sicherheit würde er die Menschen anhören. „Daskann ich dir wirklich nicht sagen. Nach eurem Verständnis bin ich nur eineDienerin.“ „Und nach eurem?“ Wieder musste Chiva’ýa lächeln. Judith gefiel ihr.
„Bei uns gibt es keine Diener in dem Sinne. Es gibt zwar einen Fürsten und seineFamilie, und die müssen auch mit Respekt behandelt werden, aber niemand dientihnen im eigentlichen Sinne des Wortes. Der Fürst wacht über das Land, sorgtdafür, dass wir hier gut und sicher leben können, und wir helfen dabei, so gutwir können.“ Chiva’ýa drehte noch eine Runde mit Judith, dann war es Zeit fürsie, wieder zum Hochsitz zurückzureiten. Sie hielt Agatos an und hob Judithwieder von seinem Rücken. Dabei stellte sie fest, wie leicht Judith für einenMenschen war. „Ich muss jetzt weiter. Wenn du hier gerade durchläufst, kommst duzurück zu den Schiffen, ohne dass dich eine Wache bemerkt und du inSchwierigkeiten geraten könntest.“ Judith ging nicht sogleich. „Werden wir unswieder sehen?“ Wieder war Chiva’ýa seltsam gerührt. „Wenn es so sein soll.“
Damit schwang sie sich auf Agatos und stob davon.

Der Fürst hatte den Menschen erlaubt, dass eine Delegation zu seinem Palastkommt, um mit ihm über das weitere Vorgehen zu verhandeln. Chiva’ýa war bei denWachen am äußersten Tor vom Palast als die Menschen kamen. Sie waren zu Fußgekommen und obwohl einige gut gekleidet zu sein schienen, war die Kleidung dochzerschlissen und teilweise dreckig. Die Menschen wurden im Garten des Innenhofeszu einem Mahl geladen. Chiva’ýa und Hazú standen an der Säulengalerie und sahenzu. Plötzlich stand Judith vor Chiva’ýa. Die Elbengeschwister blickten sie an.
Dann wandte Hazú seinen eindringlichen Blick zu seiner Schwester. „Ich habegehört, dass die Menschen solange im Palast bleiben können, bis dieVerhandlungen zu Ende sind. Es war ein langer Marsch für sie hierher.“ Er warfseiner Schwester noch einen Blick zu, bevor er sich abwandte und Richtungäußeres Tor davon ging. Chiva’ýa seufzte leise und blickte Judith wieder an.„Schön, dich wieder zu sehen.“ Sie meinte es ernst. Judith trug noch immerdieselbe Kleidung wie bei ihrer ersten Begegnung. „Möchtest du baden und etwasanderes anziehen?“, fragt Chiva’ýa. Judith lächelte sie an. Ihre Augen warentiefe, grüne Teiche, und das Haar, das ihr bis auf die Schulter fiel, war einreines Braun. Obwohl sie schlank war, hatte sie einiges an Muskeln. Chiva’ýaleitete sie aus dem Palast hinaus und die Hauptstraße der Stadt entlang. DieStraße war aus weißen Steinen gelegt und die weißen Gebäude von anmutigkünstlerischer Hand geformt. Bunte Fahnen flatterten an vielen Stellen und einFluss zog sich mitten durch die Stadt. Obwohl viel Leben auf den Straßenherrschte, betäubte einem kein Lärm die Ohren. Musik schwebte in jeder Gasse undoft kamen sie an Grüppchen vorbei, die um einen Sänger oder Spieler saßen undlauschten. Judith bestaunte alles mit großen Augen und Chiva’ýa ertappte sichdabei, wie sie Judith bestaunte. Noch nie war ihr ein Mensch so nah gewesen. DieElben hatten sich zwar ausführlich mit der Rasse der Menschen beschäftigt, abervon den Jüngeren hatte noch kaum einer wirklich einen Menschen gesehen. Dennochzog Judith keine Blicke auf sich. Die zurückhaltende Art der Elben machte diesunmöglich.
Chiva’ýas Haus lag am Fluss. Die Tür aus hellem, glattem Holz lies sich leichtnach innen drücken. Judith folgte der Elbin durch einen langen, tuchbehangenenFlur und eine hölzerne Treppe hinauf. Das obere Stockwerk war viel heller, undam Ende des Flurs glaubte Judith durch eine Tür eine weite Terrasse zu erkennen.
Chiva’ýa führte sie nach rechts in einen weiß gekachelten Baderaum. In eineWanne in der Mitte schüttete sie warmes Wasser und entschuldigte sich dann, umfrische Kleidung zu holen. Als sie wiederkam, hatte Judith sich schon ausgezogenund stand vor der Wanne. Chiva’ýa ließ ihren Blick kurz über Judiths Körperwandern bevor sie fragte: „Ist es nicht gut?“ „Doch doch.“, erwiderte Judith,lächelte ihr zu und stieg in die Wanne. Zu ihrem Bedauern legte Chiva’ýa dieKleidung auf einen Schemel in der Ecke und verließ dann den Raum.
Judith, in weiches Tuch gehüllt, fand Chiva’ýa nach ihrem Bad auf der Terrasse.
Als sie hinaustrat fühlte sie sich wie als sei sie in ein grünes Paradiesgetreten. Ringsum standen grüne Pflanzen mit farbenfrohen Blüten, der Blicköffnete sich nach Süden auf den Fluss, das Zentrum der Stadt und den Palast.
Chiva’ýa selbst saß an einem schmalen Tische, die Sonne glänzte auf ihrem Haar,dessen helles Grün gen Himmel leuchtete. Als Judith sich setzte, bemerkte sieeine Flasche und zwei Gläser sowie eine Schale voll reifer Früchte, die ihrjedoch alle unbekannt waren. Chiva’ýa lächelte sie an und deutete ihr,zuzugreifen. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Stadt zu. Ihrelangen Finger fuhren am Rand der Tischkante entlang, doch Judith war von denFrüchten zu begeistert, und wusste von den Elben zu wenig, um dieses Zeichen zubemerken. „Du bist sicher erschöpft und möchtest dich ein wenig ausruhen.“,sagte Chiva’ýa. Judith nickte. Die beiden erhoben sich und die Menschenfraufolgte der Elbin in einen Schlafraum. Das Fenster ging nach Westen und auf einenwunderschönen Sonnenuntergang raus. In der Mitte des Zimmers stand eingeräumiges Himmelbett. Judith ließ sich darauf sinken und sah aus dem Fenster,vom roten Himmel verzaubert. Eine leise Melodie schien davon auszugehen, dieTöne wanden sich um die Farbe, schmiegten sich an sie, brachen dann wieder etwasweg, nur um abermals näher zu kommen. Es war als besänge die Sonne selbst ihrenUntergang. Dann bemerkte Judith, dass es Chiva’ýa war, die da sang. Sie schlossdie Augen und ließ sich aufs Bett sinken, den Worten in der fremden Sprachelauschend. Noch immer leise singend setzte sich Chiva’ýa neben sie und kurzdarauf spürte Judith ihre schlanken, kühlen Finger auf ihrer Haut, die sie sanftstreichelten. Sie fühlte sich eins mit der Welt. Wie lange sie so verharrten,wusste sie nicht, aber als die streichelnden Finger weiterwanderten, setzte siesich wieder auf. Sie blickte direkt in Chiva’ýas unergründliche Augen. Und ehsie sich versah, spürte sie die Lippen der Elbin, sanft wieSchmetterlingsflügel, auf ihren eigenen. Ihr sanfter Kuss gewann rasch an Tiefe,und Judith wurde wieder an die Früchte aus der Schale auf der Terrasse erinnert,süß und frisch. Sie ließ ihre eigenen Finger über den Körper der Elbin wandernund glitt mit der Hand leicht unter ihre Kleidung. So angenehm kühl Chiva’ýasFinger waren, so angenehm warm war ihr Körper. Judith zog sie zu sich aufs Bettund gemeinsam sanken sie in die weichen Kissen. Chiva’ýas Hände warenunermüdlich, bald hatte sie Judith das sanfte Tuch vom Körper gezogen und sahsie intensiv an. Judith spürte wie die Erregung ihren Körper schüttelte.
Chiva’ýa küsste ihre Brüste, während ihre Hand zwischen Judiths Beine wanderte.
Judiths Atem beschleunigte sich, kleine Schweißperlen bildeten sich auf ihremKörper. Ihre Lippen fanden die der Elbin und sie küssten sich stürmisch,abermals schmeckte sie süße Frische. Als Judith in Chiva’ýas Armen kam, sahdiese sanft lächelnd auf die Menschenfrau hinunter. Judith hatte den Kopf in denNacken gelegt und die Augen geschlossen. Als Chiva’ýa sich regte, griff sie nachihrer Hand. „Bleib bei mir.“ „Keine Sorge.“ Chiva’ýa schlüpfte aus dem Bett undstreifte sich schnell ihr Gewand aus weichem Tuch ab, dann kam sie wieder zurückzu Judith. Aneinander geschmiegt schliefen sie ein.

Chiva’ýa stand auf ihrer Terrasse, das Gesicht nach Osten gewandt. Die erstenSonnenstrahlen spielten sanft auf ihren fein geschnittenen Elbenzügen. Siestreckte die Arme über den Kopf und ließ die langfingrigen Hände dann auf derTerrassenbegrenzung liegen. Es war die erste Nacht seit langem, in der sie mitjemandem ihr Bett geteilt hatte, und morgens neben dieser Person aufgewacht war.
Das war eigentlich überhaupt nicht Elbenart, aber es hatte ihr gefallen. Judithhatte sich weich neben ihr angefühlt und sie hatte die ganze Nacht ruhigschlafen können. Bei dem Gedanken an die Menschenfrau schlich sich ein Lächelnauf ihr Gesicht, und doch war ihr Herz gleichzeitig von einem Schatten getrübt.
Sie wusste nicht, wie die Verhandlungen zwischen ihrem Fürst und dem Oberstender Menschen ausgehen würden, doch ahnte sie, dass kein Elbenfürst den Menschenlänger als notwendig erlauben würde, in seinem Land zu verweilen. Und selbstwenn sich Judith von ihrer Sippe trennen würde, in dieser Stadt würde sie wohlnicht bleiben können. Mit ihrem Finger malte sie Kreise auf die Oberfläche.
Warum machte sie sich überhaupt solche Gedanken? In diesem Moment kam Hazú aufdie Terrasse getreten. „Guten Morgen Schwesterherz!“
Chiva’ýa drehte sich um undlächelte ihren Bruder an. Hazú erkannte sofort die Veränderung in ihr. Er tratauf sie zu und betrachtete sie genau. „Sie macht die glücklich.“ Es war keineFrage. Chiva’ýa wich seinem Blick nicht aus. „Sei vorsichtig, meine Kleine. Dukannst nicht wissen, was diese Menschen hier wollen, oder wie ehrlich dieAbsichten deiner Freundin sind.“ „Glaubst du, ich würde auf die Tricks einesMenschenmädchens hereinfallen?“, zischte Chiva’ýa. „Du bist bisher keinemMenschen begegnet, und wir wissen nicht, welcher Art diese sind. Unterschätzesie nicht!“ Einen Augenblick sahen sie sich stumm in die Augen, dann trat Hazúneben seine Schwester ans Geländer. „Jokoya wünscht uns beide zum Mittag imPalast zu sehen.“ Chiva’ýa nickte. „Darf ich dir solange Gesellschaft leisten?
Ich würde deine Menschenfreundin auch gerne kennen lernen.“ Chiva’ýa sah ihrenBruder an und lachte erleichtert. Hazú war nicht nur ihr Bruder, er war auch ihrbester Freund. Ihn auf ihrer Seite zu wissen, ließ ihr Herz leichter werden.
Gemeinsam bereiteten sie ein Frühstück, ein goldener Leib Brot, ein Gelee ausden gleichen Früchten, die am Abend vorher auf dem Tisch gestanden hatten undeinen Trank, der wie klares Wasser aussah, aber würziger schmeckte. Judith tratauf die Terrasse, in dasselbe Tuch gehüllt wie am Vorabend. „Guten Morgen.“ Diebeiden Elben drehten sich zu ihr um, und Chiva’ýa trat zwischen sie und Hazú.
„Das ist mein Bruder, Hazú. Er wird uns heute Vormittag Gesellschaft leisten,wenn du nichts dagegen einzuwenden hast.“ Judith lächelte und gab Hazú die Hand.„Haben wir uns nicht gestern schon am Palast gesehen?“
Hazú nickte und lächeltesie an. „Das haben wir. Und ich muss sagen, ein anständiges Bad und frischeKleidung können wahre Wunder wirken.“ Die Sprache der Menschen klang bei ihmetwas geübter als bei den anderen Elben.
Gemeinsam nahmen sie um den Tisch Platz. Zuerst erstarb das Gespräch, dannergriff Hazú das Wort. „Gewöhnlich essen Elben nicht zusammen. Wir singen undmachen Musik, wenn wir zusammen kommen, und manchmal lassen wir auch die Pfeifeoder die Schale umgehen.“ Judith blickte neugierig von ihrem Teller auf. „Aberdu bist meiner Schwester Gast, und bei uns ist es Sitte, Gästen diese Ehre zuerweisen. Und was meinen Teil anbelangt, muss ich gestehen, dass ich neugierigwar, wer meine Schwester da so verzaubert hat.“
Spielerisch warf Chiva’ýa einenBrotkanten nach ihm, den er geschickt auffing und auf seinen Teller legte.
Judith hatte die Elbin erstaunt angesehen und ein Lächeln war auf ihrem Gesichterschienen, nun richtete sie das Wort an beide Geschwister: „Dann möchte icheuch für eure Gesellschaft danken.“ Hazú lachte leise. „Manieren hast du, dasmuss man dir lassen.“ Den Rest des Frühstücks erzählte Judith ihnen von demLand, aus dem sie kam. Davon, wie die Dunkelheit immer mehr Herzen ergriff,davon, wie die restlichen Menschen einen verzweifelten Krieg geschlagen hatten,davon wie sie mit den Schiffen in letzter Minute entkommen konnten. Sie war dieTochter einer Wirtin gewesen, die eine Schenke in einer Hafenstadt geleitetehatte. Im Krieg war ihre Mutter verschwunden, und auf den Schiffen hatte Judithwochenlang als Gehilfin einer gemeinen Köchin gearbeitet.Sie beendeten das Frühstück und Chiva’ýa gab Judith ein paar Hosen, ein Hemd undeinen Umhang nach Elbenart. Gemeinsam verließen sie das Haus und durchstreiftendie Stadt. Judith konnte sich gar nicht satt sehen an all den bis ins kleinsteDetail gearbeiteten Gebäuden. Sie kamen an der Bibliothek vorbei, die lautChiva’ýa hauptsächlich der Forschung diente, weniger dem Vergnügen, welchesmanche Menschen aus Büchern zogen. Dann gingen sie zu den Ställen, wo Judith undAgatos Wiedersehen feierten. Und schließlich kamen sie zum Stadtgarten, einergroßen Wald- und Wiesenfläche mitten in der Stadt, durch die der Fluss seinemsilbrig plätschernden Weg folgte. Hier hielten sich die meisten Elben auf, inkleinen Grüppchen zusammensitzend und leise singend.
Judith stellte fest, dassdie melodische Sprache der Elben genauso gut zu Bäumen und Wiesen passte, wie zuihren steinernen Gebäuden. Ihr war auch aufgefallen, dass die meisten Elben wohlgefärbte Haare hatten. Chiva’ýas waren hellgrün, Hazús ein leuchtendes Blau. Sieglaubte, erkannt zu haben, dass die eigentliche Haarfarbe aller Elben hellerNatur war, etwas zwischen Weiß und Golden, doch die anderen Farben wirkten wiedie bunten Fahnen in der weißen Stadt. Die drei setzten sich zusammen auf dieWiese, in den Schatten einer großen Weide. „Hazú und ich werden zurMittagsstunde im Palast erwartet. Vielleicht ist es am besten, wenn du in meinemHaus auf mich wartest.“ Chiva’ýa hatte das Wort an Judith gerichtet. Judithnickte, und sie fielen alle drei wieder in Schweigen, dem einen oder anderenSänger lauschend. Auch wenn Judith nicht verstand, wovon die Lieder der Elbenhandelten, so konnte sie doch einiges am Klang erkennen. Mit ihren Stimmenschienen sie Landschaften aus blühenden Farben und wogend weichen Formen zuschaffen, die an Schönheit nicht zu übertreffen waren. Hin und wieder traf einSänger auf ein schwarzes Loch, und der Klang wurde erfüllt von tieferTraurigkeit über ungekannte Verluste. Für Judith enthielt der Gesang dieSchönheit, die sie in Chiva’ýas Augen entdeckt hatte. Sie richtete ihren Blickauf die Elbin, die nur wenig entfernt von ihr saß. Ihre Augen schienen zufunkeln, ihre langen Finger spielten gedankenverloren im Gras und ein sanfterLufthauch hielt ihr Haar in Bewegung, so dass es selber wie eine wogendeGrasfläche aussah. Judith unterdrückte das Verlangen, Chiva’ýa zu berühren undbegnügte sich damit, sie mit Blicken zu liebkosen. So hatte sie noch nie für einlebendes Wesen gefühlt, und ihr graute vor dem wohl unausweichlichem Abschied.
Chiva’ýa drehte den Kopf und sah Judith direkt in die Augen. Sie hielt ihrenBlick gefangen wie es kein Mensch konnte, und schien direkt durch sie hindurchin ihr Herz sehen zu können. Kurz bevor ihr Blick Judith unbehaglich wurde,lächelte sie, streckte die Hand aus und zog Judith zu sich. Als sich die kühlenElbenfinger um ihren Arm schlossen, spürte Judith ein Prickeln auf ihrer Haut.
Sie lehnte sich gegen Chiva’ýa und schloss die Augen. Die Elbin neigte den Kopfund flüsterte ihr etwas in der melodischen Elbensprache ins Ohr. Obwohl Judithes nicht verstehen konnte, erkannte sie doch, dass die Elbin voll Liebe sprach.
Was Chiva’ýa Judith ins Ohr flüsterte, hätte sie nicht so leicht in der Spracheder Menschen ausdrücken können. Sie war voll heiß brennender Verliebtheit fürdie Menschenfrau, und unter dieser Verliebtheit spürte sie noch etwas anderes,die Tiefe und Intensität der Liebe. Auch sie hielt die Augen geschlossen undgenoss das Gefühl von Judiths Körper an ihrem, und das leichte Kitzeln ihrerHaare an ihrer Wange.
Wieviel Zeit so verstrichen war, war unmöglich zusagen, aber aufeinmal schobChiva’ýa Judith sanft von sich. Sie und Hazú richteten sich auf. „Soll ich dichzurück zu meinem Haus bringen, oder möchtest du lieber noch etwas draußenbleiben?“ Judith sah sich um. Dies alles hier war ihr sehr fremd, und ohne dieGesellschaft von Chiva’ýa und Hazú hätte sie sich bestimmt sehr unsichergefühlt. „Danke, ich gehe lieber mit dir zurück.“ Chiva’ýa nickte und gemeinsamgingen sie zum Haus zurück, wo sich die beiden Elben von der Menschenfrauverabschiedeten. Als sie weitergingen wandte Hazú das Wort wieder an seineSchwester. „Was gedenkst du zu tun?“ Chiva’ýa antwortete nicht gleich. „Ich weißes nicht. Sie bedeutet mir viel, aber ich kann nicht ersehen, was ich für siebin. Vielleicht ist es nur der Reiz des Fremden.“ Sie ließ sich keineGefühlsregung anmerken, und jeder andere würde glauben, Judiths Absichten ließensie kalt. Aber Hazú kannte seine Schwester, sie waren vom selben Blut undeinander ähnlich. Schweigend gingen sie nebeneinander bis zum Innenhof desPalastes, wo ihnen Jokoya entgegenkam. „Hazú, Chiva’ýa. Eure Dienste werdengebraucht. Die Verhandlungen mit den Menschen werden wohl heute noch beendet.
Morgen werden sie zurück zu ihren Schiffen geleitet. Ich werde bei dem Geleitdabei sein. Ich wünsche, dass ihr in der Früh losreitet und am Wachhaus und imAusguck die nötigen Vorbereitungen trefft. Es sieht so aus, als würde denMenschen eine Woche Aufenthalt erlaubt, damit sie untereinander beraten können.“
„Wir werden dort sein.“, sagte Hazú. Jokoya nickte, dann wandte er sich um undverschwand leichten Schrittes im Inneren des Palastes.
Gemeinsam machten sich die Geschwister auf den Weg zum Pferdestall. „Was wirstdu tun?“ Hazú hatte den Blick auf seine Schwester gerichtet. Abermals ließChiva’ýa sich Zeit bevor sie antwortete. „Sie wird morgen mit den anderenMenschen zurück gehen müssen.“ „Und in einer Woche mit ihnen dieses Landverlassen.“, ergänzte Hazú. Wieder schwieg Chiva’ýa eine Weile. „Ich kann dasnicht alleine entscheiden. Ich muss Judith fragen, was sie selbst über ihren Wegdenkt.“ Hazú sprach jetzt leiser und eindringlicher. „Hör zu, Chiva’ýa. Ich weißwas sie dir bedeutet, und was du ihr bedeutest. Und ich kann dich verstehen, sieist etwas Besonderes. Aber sie kann nicht hier bleiben, das weißt du. Der Fürstwird niemand Anders hier dulden als unser Volk, und dazu hat er guten Grund.“
Chiva’ýa sah ihren Bruder an. „Ich weiß Hazú. Aber wenn wir immer nur an altenRegeln festhalten, wie soll sich dann je etwas ändern, zum Guten oder zumSchlechten? Traditionen sind gut, aber kein freies Volk ist dazu gemacht, sichnicht weiter zu entwickeln, und das weißt du!“ Hazú lächelte. „Du bist schlau,kleine Schwester. Aber was willst du tun, wenn sich Judith dazu entscheidensollte, bei dir zu bleiben?“ „Dann müssen wir beide von hier fort.“ Hazú nickteernst. Das hatte er befürchtet. In seiner Schwester war eine Liebe erwacht, dieunter den Elben immer seltener wurde. Er freute sich, dass Chiva’ýa dazubestimmt zu sein schien, diese Liebe zu leben. Dennoch füllte sich sein Herz mitTraurigkeit bei dem Gedanken an einen baldigen Abschied.
Bei den Ställen versorgten sie ihre Pferde und bereiteten alles auf ihren Rittzum Wachhaus am nächsten Morgen vor. Dann kehrte Chiva’ýa zu ihrem Haus zurück.
Sie fand Judith auf der Terrasse sitzend und über die Stadt hinausblickend.
Leisen Fußes trat sie hinaus, ging unbemerkt auf Judith zu und stellte sichneben sie. Judith schreckte wie aus einem Traum hoch und sah zu Chiva’ýa auf.
Dann erhob sie sich. Lange sahen sie sich in die Augen, und Judith war, alskönnte Chiva’ýa Dinge in ihr sehen, die sie sonst verborgen hielt. Sie trat aufdie Elbin zu und zog sie in ihre Arme. „Ich möchte dich etwas fragen, Judith.“
Sanft drückte sie die Menschenfrau auf einen Stuhl und setze sich ihr gegenüber.
„Die Verhandlungen zwischen deinem Volk und meinem werden heute beendet. Morgenmüsst ihr alle zurück zu den Schiffen. Ich bin für den Wachdienst eingeteilt undwerde mich gemeinsam mit Hazú auch auf den Weg dorthin machen. Wir reiten morgenin aller Früh.“ Judith hatte den Blick gesenkt. „Werden wir uns noch sehen?“
Chiva’ýa nahm ihre Hand. „Das werden wir. Mindestens noch eine Woche. Denn bisdahin müssen die Verhandlungen deines Volkes untereinander abgeschlossen seinund ihr müsst dieses Land verlassen.“ Judith sah auf, die grünen Augen groß.
„Ich will bei dir bleiben!“ Chiva’ýa lächelte. „Das hatte ich gehofft. Doch duwirst nicht hier bleiben können. Kein anderes Wesen, das auf zwei Beinen geht,außer Elben, wird hier geduldet werden. Wenn wir zusammen bleiben wollen, dannmüssen wir beide fort.“ Sie sahen einander in die Augen, Judith leicht lächelnd.
„Ich glaube auch nicht, dass ich mich hier auf die Dauer wohl gefühlt hätte. Dumachst für vieles wett, doch es ist mir alles so fremd hier. Aber würdest dudenn deine Heimat verlassen wollen?“ „Du hast deine Heimat doch auch verlassen.
Wir können uns zu zweit auf den Weg machen und etwas völlig Neues anfangen, wowir beide von Anfang an auf einer Stufe stehen.“ Judiths Augen glänzten. „Dasist mehr als ich mir je erhofft hatte.“ „Dann lass uns jetzt die nötigenVorbereitungen treffen. Du wirst ein Pferd brauchen, Kleidung und Waffen. AmWachhaus kann ich für ein Pferd sorgen, Kleidung kannst du von mir bekommen,Waffen können wir aus den Kammern nehmen, das lässt sich einrichten. Womitkannst du gut umgehen?“ Judith überlegte kurz. „Frauen lässt man bei uns nichtan die Waffen. Ich habe in einer Küche gearbeitet, mit einem Messer kann ichumgehen. Aber ich kann nicht Reiten.“ „Wir haben noch eine Woche Zeit, ich kanndir Reiten beibringen. Und ich kann anfangen, dich im Bogenschießen zuunterrichten, denn im Schwertkampf bin ich selber nicht so gut.“ Sie fielen inSchweigen. Chiva’ýa sah in Gedanken versunken über die Stadt hinaus. „Wirkönnten nach Süden reiten, übers Gebirge. Dahinter leben noch vereinzelt Elben,die sich von meinem Volk entfernt haben. Aber der Kontakt ist noch nichtabgebrochen, dort werden wir mit Sicherheit freundlich empfangen. Danach kommtein großer Wald, gefolgt von einer Öde. Es wird berichtet, dahinter lebenMenschen von edlem Geschlecht. Von da aus westlich liegt ein sagenumwobenesLand, fruchtbar aber wenig besiedelt, weil es dort gefährliche Wesen gibt.
Weiter als bis an den Rand der Öde war ich noch nicht, aber wir könnten unsdiese Richtung zum Ziel setzten. Sinnvoll wäre es sicherlich auch, wenn wirerfahren könnten, was deine Sippe vorhat. Vielleicht wollen sie sehen, ob siebei den Menschen hinter der Öde aufgenommen werden.“ Sie richtete ihrenbrennenden Blick auf Judith. Durch etwas in diesem Blick angezogen stand Judithauf und kam um den Tisch herum. Chiva’ýa zog sie auf ihren Schoß. „Was ich jetztfühle, ist mir bisher fremd gewesen. Nicht mehr viele Elben haben das Glück,diese Liebe zu erfahren. Ich will, dass du eins weißt Judith: Was auch passierenmag, ich liebe dich, und ich verspreche dir, alles zu tun, um bei dir bleiben zukönnen.“ Judith schlang ihre Arme um den Hals der Elbin. „Ich liebe dich auch.“,flüsterte sie ihr ins Ohr. Sie küssten sich und saßen schließlich langeaneinander gelehnt da. Als die Sonne sich dem Horizont zuneigte, löste sichChiva’ýa von Judith. „Sei mir nicht böse, aber ich würde gern noch einmal durchdiese Stadt gehen. Du kannst heute Nacht noch hier bleiben, ich nehme dich dannmorgen mit bis vor die Stadttore, von dort kannst du dich deiner Sippeanschließen, wenn sie aufbrechen.“ Judith nickte. Chiva’ýa erhob sich undverließ still ihr Haus. In Gedanken versunken wanderte sie durch die Straßen derStadt und ließ sich irgendwann am Flussufer nieder. Judith war ein Mensch, unddamit sterblich. Ihr Leben war nicht mehr als ein Hauch auf den Gesichtern derElben. Wenn sie sterben würde, hätte Chiva’ýa noch Hunderte von Jahren zu leben.Und dennoch hatte sie Judith ewige Liebe geschworen. Aber wie konnte sie aufdieser Erde verweilen, wenn Judith nicht mehr da war? Sie wusste, dass es Elbenauf Wunsch hin möglich war, die Erde vor ihrer Zeit zu verlassen. Aber selbstwenn sie das tat, sie würde Judith altern sehen, während sie selbst ihrejugendliche Schönheit über lange Jahre hinweg behalten würde. Sie schob dieGedanken energisch beiseite, darüber konnte sie grübeln, wenn es soweit war.
Jetzt wollte sie Abschied nehmen von ihrer geliebten Stadt.

Als Chiva’ýa zurück kam, lag Judith schon im Bett.
Chiva’ýa legte sich zu ihrund ließ ihre Finger wieder über Judiths Körper gleiten.
Dabei bestaunte sieihre Anmut und ihre zarten, dennoch kräftigen Muskeln. Die Menschen alsschwerfällige Trampel abzutun, war wirklich nicht richtig. Judith lächelte imSchlaf, und Chiva’ýa ging das Herz auf. Es war die richtige Entscheidung, mitJudith zu gehen. Sie wollte nie wieder ohne diese Menschenfrau sein. Sanftberührten ihre Lippen Judiths Stirn, dann ließ sie sich in die Kissen gleiten.Sie standen noch vor Sonnenaufgang auf, und während Judith in einem Zimmer imObergeschoss ihr Frühstück zu sich nahm, bereitete Chiva’ýa das Haus auf ihrenWeggang vor. Sie packte Kleidung für Judith in einen Rucksack, den sie inVerwahrung nahm. Dann gingen sie zusammen zu den Ställen, wo sie Hazú trafen.
Sie saßen auf, Chiva’ýa nahm Judith vor sich, und ritten schweigend zumStadttor. Als sie hinaus waren, kündigte sich der Sonnenaufgang gerade an.
Judith rutschte von Agatos Rücken hinunter. „Es kann nicht mehr lange dauern,bis sie kommen. Komm heute Abend zum Hochsitz, ich werde dort auf dich warten.“
Mit diesen Worten beugte sich Chiva’ýa zu Judith hinunter und küsste sie sanftauf die Lippen. Dann wendeten die Elbengeschwister ihre Pferde, und durch einenSchrei Hazús angefeuerte, sprengten sie in einem scharfen Galopp davon. Judithsah ihnen nach. Auch wenn sie nicht von königlichem Blut waren, so sahen siedoch unbeschreiblich schön und edel aus, wie die ersten Sonnenstrahlen ihrwogendes Haar zum Leuchten brachte und das Fell ihrer muskulösen Pferde unterihnen glänzte.
Noch vor Mittag kamen Chiva’ýa und Hazú am Wachhaus an, wo sie von Jakzú inEmpfang genommen wurden. „Wir haben die Anweisung, die Wachen zu verstärken,falls den Menschen die Entscheidung über ihre weitere Fahrt nicht gefallensollte. Ihr zwei sollt sobald wie möglich mit dem ersten Trupp zum Hochsitzaufbrechen und genügend Leute im Wald stationieren. Bis Jokoya zurück kommt,hast du, Hazú, den Befehl über die Wache.“ Die Geschwister nickten und gingenzurück zu ihren Pferden, nahmen ihnen das Zaumzeug ab und führten sie zurTränke. Auch sie selbst nahmen eine kleine Stärkung zu sich. Chiva’ýa ging zuden Ställen, um sich die Pferde anzugucken und eines für Judith auszuwählen. Einmittelgroßer Brauner, mit schwarzer Mähne und schwarzem Schweif, fiel ihr insAuge. Sie trat zu ihm und streichelte seine Nüstern.
Während sie ihn betrachteteschätze sie seinen Charakter ein. Es war ein Hengst mittleren Alters, ehrgemütlich als feurig und in jedem Fall gutmütig. Judith würde mit ihmklarkommen. Chiva’ýa führte ihn aus seiner Box im Stall und zäumte ihn wie einPackpferd. Dann ging sie zur Waffenkammer und suchte einen scharfen Dolch sowieeinen kürzeren Bogen, Köcher und einige Pfeile aus. Unter anderem Gepäckversteckt schnürte sie es auf den Rücken des Braunen.
Als sie in den Hof trat hatten sich dort ungefähr ein dutzend Elben zurWachverstärkung gesammelt. Sie suchte Hazú, der das Kommando führte, undunterrichtete ihn darüber, dass sie noch ein Packpferd mitnehmen würde. IhrBruder blickte ihr kurz in die Augen, und sie erkannte seinen verborgenenSchmerz. Er wusste, dass sie es ernst meinte, und dass ihre gemeinsamen Tagegezählt waren. Dann saßen sie auf, Chiva’ýa nahm den Braunen an einen langenZügel, und los ging es. Der Wald lag am Horizont und die Strecke war nicht weit,trotzdem ritten die Elben einen relativ scharfen Galopp. Chiva’ýa stellteerleichtert fest, dass der Braune gut mithalten konnte.
Gegen Abend kamen die Menschen an, beobachtet von vielen verborgenen Elbenaugen.
Chiva’ýa sah Judith, sie lief im hinteren Teil der Gruppe und sah müde aus. KeinWunder, sie hatte die gesamte Strecke zu Fuß zurücklegen müssen. Chiva’ýas Herzwurde warm. Zur vereinbarten Zeit stand Judith am Hochsitz. Chiva’ýa kamherunter und begrüßte sie mit einer Umarmung. Lange hielten sie sich fest. Dannnahm Chiva’ýa Judith bei der Hand und führte sie zu dem Braunen. „Das ist abheute dein Pferd.“ Judiths Augen glänzten als sie ihm den Hals streichelte undder Braune hob den Kopf und beschnupperte ihre Schulter. „Bei meinem Volk ist esSitte, dass man einem Pferd seinen Namen gibt, wenn man die Verantwortung für esübernimmt.“, erklärte Chiva’ýa, gerührt von Judiths Freude. „Ich werde ihn Piconennen.“ Dann führten sie ihre Pferde ein Stück in den Wald hinein, und Chiva’ýazeigte Judith, wie sie Pico aufzäumen und aufsitzen konnte. Das ließ sie Judithein paar Mal machen, und dann brachte sie ihr bei, wie sie ihrem Pferd zeigenkonnte, in welche Richtung es laufen sollte, wie sie es dazu brachte, schnellerzu gehen oder langsamer. Am Ende der Lektion war Judith sehr erschöpft und glitthinunter. Chiva’ýa stand unten und empfing sie in ihren Armen. Einen langenAugenblick sahen sie sich in die Augen, dann näherten sich ihre Gesichtereinander und ihre Lippen berührten sich sacht. Bald gewann ihr Kuss an Tiefe undPico stand still als sie sich an ihn lehnten. Dann löste sich Chiva’ýa aus demKuss und strich Judith mit einem Finger über die Wange. „Ich habe noch etwas fürdich.“ Und sie gab Judith den Dolch aus der Waffenkammer. „Trag ihn am besten abjetzt immer bei dir. Man kann nie wissen.“ Sie zeigte Judith, wo sie die Waffeam besten verbarg. „Morgen reiten wir ein Weile zusammen und ab Übermorgen werdeich dir Unterricht im Bogenschießen geben.“ Judiths Augen glänzten. „Hast dunoch Zeit?“ Chiva’ýa sah sie an und nickte. Judith nahm sie bei der Hand undführte sie zu einem Moosteppich. Dort ließ sie sich nieder, fasste die Elbin umdie schlanken Hüften und zog sie zu sich. Ohne Scheu strichen ihre Finger unterChiva’ýas Kleidung und liebkosten ihre nackte Haut. Sie legte sich halb auf dieElbin, küsste ihren Hals und ließ ihre Lippen dann tiefer wandern. Chiva’ýaseufzte. Judiths Finger waren unermüdlich, bald hatten sie den Gürtel der Elbingeöffnet und ihre Hand glitt zwischen Chiva’ýas Beine. Sie hatte noch nie miteiner anderen Frau geschlafen, doch sie wusste immerhin, wie sie sich selbstanfühlte. Chiva’ýa war atemberaubend, zwar von menschlicher Anatomie, doch mitetwas eindeutig Elbischem. Judith ging bald dazu über, sie mit dem Mund zuliebkosen. Chiva’ýas lange Finger krallten sich in das Moos, ihr Körper war vonwinzigen Schweißtröpfchen bedeckt, und als sie kam drehte sie den Kopf zur Seiteund atmete den würzig frischen Duft des Mooses ein.

Für die nächsten Tage war Chiva’ýa als berittene Kundschafterin eingeteilt. AufAgatos Rücken durchstreifte sie den Wald. Die Delegation der Menschen warzurückgekehrt und nun begannen die Beratungen unter sich. Alles schien relativfriedlich zu verlaufen. Jeden Abend traf sie sich mit Judith. Einen Abend hattensie noch reiten geübt, doch darin schien Judith ein Naturtalent zu sein, so dasssich jedes weitere Training als Zeitvergeudung erwies und sie nun schon seitzwei Abenden Bogenschießen übten. Judith war eine eifrige Schülerin und konnteam Ende des zweiten Abends schon einen schmalen Baumstamm aus 50 Fuß Entfernungtreffen. Doch über die Verhandlungen der Menschen konnte sie nichts Genauesberichten. Als Küchengehilfin waren ihr nur Gerüchte zu Ohren gekommen. Offenbarwollte man sich nicht einer anderen Sippe Menschen anschließen und unterwerfen.Das wahrscheinlichste Ziel war wohl noch unbesiedeltes Land jenseits des Meeres.
Am vierten Tag nach ihrer Ankunft am Wachhaus durchstreifte Chiva’ýa wieder denWald. Es war schon dämmrig und gleich würde sie zurück zum Hochsitz reiten, zuihrem allabendlichen Treffen mit Judith. Dann gewahr sie eine Bewegung zwischenden Bäumen und kurz darauf kam Judith auf den Weg gesprungen. Zuerst schrecktesie zurück, dann erkannte sie Chiva’ýa und kam auf sie zugelaufen. „Chiva’ýa,hilf mir!“, flehte sie. Chiva’ýas Muskeln spannten sich sofort, ihre Sinneschärften sich und ein Hass wie sie ihn nie gekannt hatte durchflutete ihrenKörper, Hass auf diejenigen, die Judith so in Angst versetzten. Sie hörte einenMann rufen. „Wo bist du, du kleine Schlampe? Komm her, damit ich mein Vergnügenmit dir haben kann.“ Chiva’ýa verstand sofort, sie blickte Judith an. „Hat er esgewagt dich anzufassen?“ Ihre Stimme war scharf und kalt, doch Judith wusste,dass dies nicht ihr galt. „Er hat es versucht. Mit dem Dolch habe ich im den Armaufgeschlitzt, doch das schien ihm nur noch mehr zu gefallen. Aber ich konnteihm entkommen.“ Sie erwähnte nicht, dass er seine Lippen schon an ihrem Hals undseine Hand an ihrem Hintern gehabt hatte. Immer näher kam der Widerling.
Chiva’ýa glitt von Agatos Rücken und ließ Judith stattdessen aufsetzten. Dannzog sie ihr Schwert. Schließlich brach der Kerl durch die Bäume. „Du darfst denStrand nicht verlassen, Mensch!“, zischte Chiva’ýa. Der Kerl wich erschrockenzurück. Dann fand er seine Fassung wieder. „Eine Frau meiner Sippe ist in diesenWald gelaufen. Ich verlange sie zurück. Unsere Verabmachungen sind klar, ihrdürft keinem von uns etwas antun.“ Chiva’ýa trat einen Schritt auf ihn zu. „Wirwerden keinem von euch etwas antun, es sei denn, ihr missachtet unsere Regeln indiesem Land. Jedem Mensch ist es verboten, den Strand zu verlassen!“ „Ach ja?“,spottete er. „Und was ist mit der kleinen Hure?“ Chiva’ýa hob den stolzen Kopf.
„Sie ist in Begleitung der Elben. Und wenn dir dein Leben lieb ist, dann drehdich um und geh, sofort, oder du machst Bekanntschaft mit meinem Schwert.“ Mitdiesen Worten hieb Chiva’ýa einen Zweig vom Baum, dicht vorbei am Ohr desMannes. Da machte er kehrt und rannte zurück Richtung Strand.
Judith blickte zu Chiva’ýa hinunter. „Das wird er berichten. Kannst du mich vordeinem Volk verteidigen?“ Chiva’ýa zog sie von Agatos Rücken und in ihre Arme.
Sie hielten sich lange und Chiva’ýa schwieg. Dann endlich beugte sie sich zurückund sah Judith in die Augen. „Nein. Was wir die ganze Zeit getan haben, istgegen unsere Regeln. Hazú wusste es. Er hat mit Jokoya geredet. Solange es beidir geblieben ist, und ich meine Pflichten nicht verletzt habe, haben sie unsübersehen. Doch ich habe die Befürchtung, dass dies gerade eben zu weit gegangenist. Ich habe dich nicht rausgegeben, gegen den Willen deiner Sippe. Dass du esauch nicht wolltest, wird niemanden interessieren, da du in eurer Rangordnungunten stehst und nichts zu sagen hast. Ich fürchte, uns bleibt nur eins, sofortaufzubrechen. Denn es kann sein, dass sowohl Menschen als auch Elben versuchenwerden, uns daran zu hindern. Und der einzige, dem wir wirklich vertrauenkönnen, ist Hazú.“ Sie blickte noch einmal durch den Wald, dann bedeutete sieJudith, aufzusitzen, und kletterte dann vor ihr auf Agatos Rücken. Im scharfenGalopp ritten sie zurück zum Hochsitz. Judith lief zu Pico, um ihn aufzuzäumen,Chiva’ýa kletterte nach oben, um Judiths Rucksack, ihren Bogen, sowie ihreeigenen Sachen aus dem Vorraum zu holen. Sie hatte gerade die Sachen versorgt,als Hazú vom Hochsitz herunter kam. „Zwei Menschen sind bei Jokoya. Siebehaupten, eine der ihren würde von uns festgehalten und fordern die sofortigeHerausgabe.“ Seine Augen blickten traurig. „Er wollte Judith zu sich ins Bettzwingen.“, Chiva’ýas Stimme klang zornig. „Ich wusste, dass dies das Ende ist,aber das konnte ich nicht zulassen. Wir brechen jetzt auf.“ „Dann schnell.
Jokoya versichert ihm, dass es sich nur um eine von uns handelt, die dasAbkommen missachtet, und dass die Elben alles tun werden, um die Menschenfrauzurückzubringen. Ein paar Menschen werden Pferde zur Verfügung gestellt, damitsie die Elben bei der Suche unterstützen können.“ Judith hatte aufgesessen undließ Pico nun zu ihnen rüber gehen. „Danke für alles, Bruder.“ Chiva’ýa umarmteHazú. „Ich werde dich in Ehren halten, Schwesterherz.“ Dann trat Chiva’ýa vonihm weg und saß auf. Sie und Judith tauschten noch einen Blick, dann wendetensie ihre Pferde und jagten davon in den dunklen Wald.
Keiner sollte sie in diesem Land je wieder sehen.


Chiva’ýa und Judith reisten über ein Jahr immer südwärts.
Dort fanden sieschließlich jenes sagenumwobene Land, das Chiva’ýa erwähnt hatte. Die Monstervertrieben sie nach einem langen, harten Kampf und gründeten dort ein Reich derHarmonie. Viele, sowohl Menschen als auch Elben, waren von diesem Paar undseinem Reich angezogen und kamen, um Frieden zu suchen. Viele Halbelben wurdengeboren und arbeiteten an der Sicherung des Reiches. Lange Jahre lebten Chiva’ýaund Judith zusammen, dann wurde Judith alt und starb schließlich. Chiva’ýasLiebe zu Judith ließ sie sogar die Alterung aushalten, und als Judith tot war,nahm auch sie sich das Leben. Ihren Bruder Hazú hatte sie nie wieder gesehen.
Das Reich von Chiva’ýa und Judith blieb noch lange bestehen, und mit ihm seinGlanz.



copyright © by kueken. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


Einfach nur...
forbidden - 23.01.2006 19:47
Echt schön
Ich finde deine schreibweise schon ganz gut.
Aber am besten gefällt mir, das es eine fantasy Geschichte ist.
Also bitte mehr davon!!!
Nell84 - 17.01.2006 18:50

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