Coming-out der besonderen Art

von whoopy1964


Sabine saß mit ihrer besten Freundin Katrin in der Eisdiele und trankversonnen an ihrem Eiskaffee. "Sag mal, willst du deiner Mutter nichtlangsam reinen Wein einschänken?" fragte Katrin sie. Und mit einem besorgtenBlick fügte Katrin hinzu: "Irgendwann kommt sie doch dahinter, dass dich mitManuela mehr als eine reine Freundschaft verbindet. Ist es nicht besser, sieerfährt es von dir, bevor sie dich vielleicht mal mit ihr im sozusagenunpassenden Augenblick erwischt?" "Jetzt fang DU nicht auch noch an",grummelte Sabine. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Mutter mich alsLesbe akzeptiert. So verklemmt wie sie ist. Manuela labert auch schon dieganze Zeit auf mich ein. Und wenn wir bei mir sind, kann sie ihre Fingernicht bei sich lassen, obwohl meine Mutter dann ja jederzeit reingeschneitkommen könnte. Manuela scheint einfach nicht zu raffen, dass ich mir einOuting bei meiner Mutter nicht leisten kann, und du scheinst das auch nichtzu kapieren." Sabine hatte sich richtig ein bisschen in Rage geredet. Nunstand sie verärgert auf. "Weißt du was, Katrin? Ich habe echt keinen Bock,jetzt über so etwas zu reden. Ich muss eh noch zu Hause was für die Prüfungtun". Weg war sie, ohne Abschiedsgruß, und ließ eine völlig verdatterteKatrin zurück.

Mit funkelnden Augen vor Wut lief Sabine nach Hause. "Was denken die sichnur alle!" dachte sie. "Die haben gut reden, denn die sind ja nicht mehrfinanziell von den Eltern abhängig. Wenn Mum jetzt mit solchen Sprüchen a ladu bist nicht mehr meine Tochter um die Ecke käme, dann könnte ich meineAusbildung schmeißen, und das kurz vor der Abschlussprüfung."

Als sie die Wohnung betrat, dachte sie erst, ihre Mutter sei nicht da. Aberals sie ihr Zimmer betrat, blieb ihr fast die Luft weg. Ihre Mutter saß dochtatsächlich in ihrem Zimmer am Computer. Sabine konnte beim Hereinkommengerade noch sehen, dass sie erschrocken die Lesben-Homepage wegklickte, dieSabine fast täglich im Internet besuchte. "Jetzt ist es passiert", dachteSabine. "Oh nein, was mache ich jetzt nur? Hmmmm, Angriff ist sicher diebeste Verteidigung!" Und das fiel ihr heute nicht besonders schwer, denngeladen war sie ja eh schon.

"Na das finde ich ja toll!" fauchte sie ihre Mutter mit arg ironischemUnterton an. Die Mutter saß völlig steif da. Die Antwort "Laß mich doch....." unterbrach Sabine schroff. "Neee, ich lasse dich nicht! Heimlicherkonntest du das nicht machen, oder?" "Ja aber ich wollte ja schon lange mitdir reden, ich wusste nur nicht, wie ich anfangen sollte" erwiderte dieMutter kleinlaut. Sabine keifte weiter: "Klar, dass DIR das schwerfällt, soprüde wie du bist. Und jetzt machst du dir anscheinend auch noch dieriesigen Vorwürfe, eine schlechte Mutter zu sein. Aber wie es mir mit dieserHeimlichtuerei gegangen ist, interessiert dich nicht wirklich.

Sabine sah zwar, dass Tränen in den Augen ihrer Mutter standen, aber dasmachte sie noch wütender, weil sie ein schlechtes Gewissen bekam undirgendwie Schuldgefühle, daß ihre Mutter wegen dem Lesbischsein so litt.Deshalb hielt sie nicht inne, sondern schrie weiter: "Ich konnte mir jadenken, dass Du mich nicht verstehst. Wer wird auch schon dafürbeglückwünscht, wohl keiner. Mit gebrochener Stimme erwiderte die Mutternur: "Ich wollte und will dir damit doch nicht weh tun, aber es ist nun malhalt so. Als ich mit Gudrun darüber sprach...." "Das darf doch wohl nichtwahr sein, mit der hast du darüber gesprochen?" unterbrach Sabine siewieder. Mit nun völlig erstauntem Blick fragte die Mutter: "Wie? Jetztverstehe ich dich nicht." "Klar, du verstehst ja überhaupt nichts von dem,was mit mir los ist! Mit dieser Frau, die du noch gar nicht lange kennst,redest du darüber, aber mit mir nicht!" Die Mutter sah Sabine nun völligverblüfft an und fragte irritiert "ja natürlich habe ich mit ihr gesprochen,denn schließlich geht sie das genauso an." "Wieso, was soll die das angehen?Mit der redest du, hinter meinem Rücken schnüffelst du in meinem Zimmerherum, und ich zerbreche mir die ganze Zeit den Kopf darüber, wie ich dirvon meinem Coming-out erzähle, ohne dass du mich verdammst! Wenn du es schongeahnt...

Die Mutter war ganz stumm geworden und hatte sie nur noch mit offenem Mundangestarrt. Nun aber fing sie plötzlich schallend an zu lachen. Das brachteSabine völlig aus dem Konzept. Mitten im Satz brach sie ab und schaute ihreMutter völlig baff an. "War ihre Mutter nun völlig durchgedreht", fragte siesich jetzt. Zwischen dem Gelächter ihrer Mutter konnte sie nur einzelneglucksende Worte verstehen. "Wie? Du? Du bist lesbisch?" "Ach, jetzt nimmstdu mich auch nicht mehr ernst" fauchte Sabine. Das brachte ihre Mutter dazu,endlich mit dem Lachen aufzuhören.

"Nein", antwortete die Mutter nun, "ich nehme dich sehr ernst. Ich mussteaus ganz anderem Grunde lachen. Wetten, dass Du gleich auch lachen wirst? Duhast gedacht, ich sitze hier an deinem PC und schaue mir Lesbenseiten imInternet an, weil ich dir hinterher spioniere. Aber das stimmt nicht, eshatte einen ganz anderen Grund. Ich habe mir die Lesbenseite angeschaut,weil ich schon einige Zeit in Gudrun verliebt bin." Nun war Sabine an derReihe, mit offenem Mund und ungläubig zu starren. Aber das schelmischeLächeln und Zwinkern ihrer Mutter verriet ihr, dass sie tatsächlich dieWahrheit sagte. So viel wie an diesem Abend hatte Sabine noch nie mit ihrerMutter gelacht.


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