von AnguisheD
Der Regen tropfte von ihrer Nasenspitze, rann über ihre Wangen undvermischte sich mit ihren Tränen, die aus ihren geröteten Augen fielen, wieaus einem nachlässig geschlossenem Wasserhahn. Das Haar hing ihr in Strähnenins Gesicht und formte die Welt um sie herum zu einem wirren Gefüge matterWahrnehmungen. Ihre tauben Hände zitterten, als sie nach dem Schlüssel inihrer Tasche suchte, nur um zu sehen ob sie noch etwas besaß, das wirklichihr gehörte; aber sie fühlte unter ihren stumpfen Fingern nichts außerdurchgeweichten Stoff. Jeder einzelne Muskel schmerzte und das Blut pochtein ihr, sich langsam durch ihre Adern schiebend, doch sie bewegte ihre Beinewie mechanisch und spürte auch nicht wie die Wasserlachen, die siedurchwartete, ihre Füße in kaltes, benzindurchtränktes Nass tauchten,umherirrend in diesen einsamen, grauen Vorstadtstraßen; auch spürte sienicht mehr den kalten und harten Beton, über dem sie wandelte, frierend undvon Krämpfen geschüttelt. Die anbrechende Nacht hatte alle scharfen UmrisseStadt in schwarze Schatten getaucht und die schweren, dunklen Wolken hingenvor dem Mond, wie ein Schlafzimmervorhang, der das Licht in staubigen Dunstverwandelt. Ihr Atem ging flach und immer wieder hauchte sie ihre dumpfeWärme in den Schal, der ihren Hals mehrmals umschlang. Ihr Blick war auf denBoden gerichtet. Sie sah sich laufen, sah sich schleichen und kriechen, wieeine Marionette und etwas in ihr war gebrochen. Die Gedanken schwebten überihrem gesenkten Kopf. Wie tot hingen sie herunter und warfen ihre langenSchatten. Sie biss auf ihre Lippen, die bebten, nur um nichts mehr zu spürenvon diesen Lippen, diese Lippen, die... Ihre Lippen, die berührten washeilig war, was nur sie verehren konnte wie die Sonne.
Ihre Hand berührte nun die feuchten Steine irgendeiner Mauer, und unfähigsich anzustützen, sank sie dagegen und der raue Stein schürfte über ihreHaut. Sie schloss die Augen fest und schluchzte und schrie vor Schmerz.
War denn ihr Leben gar nichts wert, dass es als kleines, schwarzes HäufchenAsche davonflog und nichts mehr hatte, und nichts mehr war von dem, wasvorher so glanzvoll an ihm war? Sie wünschte sich sie würde über ihr Haarstreichen, wie sie es immer getan hatte, und sie würde den weichen Körper,der sich an sie presste fühlen, den sie so liebte und ihr Herz würdeschlagen; wild und ungebändigt, als würde es ihr aus der Brust springen.
Doch von dem Moment an, an dem sich die Haustür hinter ihr schloss, war siewie gestoßen in die Finsternis. In die Hölle. Sie wünschte sich so sehrdiese weichen, zärtlichen Lippen, die immer ein Feuer in ihr entflammthatten, würden sie berühren. Ihre Lippen küssen. Die, die jetzt kalt waren,blau und reglos. Ihre Gedanken beschwörten sie, diese Zunge; diese heißeZunge, die über ihren Körper getanzt war, nächtelang. Sie wollte ihr langes,lockiges Haar berühren und in ihr versinken. Es sollte für immer sein. Essollte doch für immer sein! Wie konnte sie sich so sehr in ihr getäuschthaben? War sie derartig blind gewesen?Konnte sie denn alle diese Gefühle, alle Sehnsüchte und das Verlangen, dasssie bei ihr und von ihr gespürt hatte aufgeben, als wäre es nie da gewesen?Das würde sie nicht aushalten. Nicht überleben. Doch die Schritte, die siehörte, die schnellen Schritte, die plötzlich stoppten, die Stimme... Ließensie aufblicken. Ließen sie wieder die Schmerzen spüren, ließen sie schluckenund ihr Herz schneller schlagen. Konnte sie denn Traum und Wirklichkeitnicht mehr unterscheiden? Es sollte doch für immer sein. Nie mehr, fürimmer, hatte sie doch gesagt und sie hatte es nicht verstanden. Hattegefragt, hatte sie so oft gefragt. Hatte gedroht.
Sie streckte die Hand aus. Diese Stimme, die ihr jetzt so nah vorkam, sieflüsterte wieder. Und sie spürte diesen weichen Körper und roch den Duft.Die zärtlichen Arme, die sie um sich spürte, die sie sich so ersehnthatte... Sie ließ sich fallen... Sie versank einfach darin. Für immer.
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AnguisheD. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.