von lostheart85
Irgendwann rief meine Mutter mich ins Wohnzimmer. Ich hatte Herzrasen. Ich setzte mich ihr gegenüber. Sie schaute mich mit Wut an und fragte: “Hast du Geld aus Heinz-Josefs Brieftasche geklaut?“. Ich schaute auf den Gläsernen Tisch und schämte mich. Dann schaute ich sie ganz fest an und mir standen die Tränen in den Augen: “Ja, aber nur weil er nachts immer zu mir kommt und mich anfasst.“ Es war die blödeste Art es zu sagen, aber somit war es endlich raus.
Meine Mutter fing an zu weinen: “Ich glaube dir nicht. Du hast das mit Sicherheit nur geträumt. Und es ist eine selten blöde Ausrede für solche Diebstähle.“. Ich weinte ganz heftig und schrie: “Doch, er kam das ganze letzte Jahr zu mir und bedrängte mich Mama.“. Sie schaute mich böse an: “Ich glaube, das hätte ich mitbekommen, wenn er aufgestanden wäre.“. “Nein, du nimmst doch Schlaftabletten!“ Schluchzte ich. Sie stand auf, ihre Tränen liefen übers Gesicht und sie hob den Arm. Sie deutete auf die Türe mit ihrem Zeigefinger und brüllte: “Dieser Mann hat uns soviel gegeben und du willst alles kaputt machen? Verlass dieses Haus und komm nie wieder zurück!“.
Ich rannte aus der Wohnung. Ich rannte die Straße entlang. Ich rannte und rannte. Meine Tränen liefen über mein Gesicht. Ich rannte zu Bekannten aus der Schule. Ihre Mutter Empfang mich und hörte sich alles seelenruhig an, während ich nur schluchzte. Dann sagte sie: “Nun, vielleicht hat deine Mama recht. Vielleicht hast du das nur geträumt. Denn sonst wärest du hoch geschreckt. Vielleicht hattest du Angst, deine Mama jetzt zu verlieren, jetzt, wo jemand neues da ist.“. Ich schaute sie entsetzt an und sagte: “Aber ich kann doch nicht ein Jahr lang so was träumen?“. Sie schickte mich zurück nach Hause.
Aber ich ging nicht nach Hause. Ich rief meinen Dad an. Er war schneller da, wie ich dachte. Er brachte mich zu sich. Ich habe es ihm ängstlich erzählt. Ich dachte, er reagiert auch anders. Aber das tat er nicht. Er nahm mich in den Arm und tröstete mich. Lange saßen wir so da. Irgendwann bin ich in seinen Armen eingeschlafen.
Am nächsten Morgen rief meine Mutter an und sagte mir, dass sie mich nach der Schule sehen will. Ich schaute meinen Dad an und freute mich. Ich dachte, jetzt wird alles gut. Er fuhr mich zur Schule und anschließend lief ich schnell zu meiner Mum. Ich rannte ins Wohnzimmer.
Ich erstarrte. Meine Mum, mein Bruder und seine Freundin saßen auf der Couch. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Sie sagte mir, ich solle mich setzen. Im selben Moment kam Heinz-Josef um die Ecke. Er setzte sich auch auf die Couch. Ich fing an zu weinen. Und schluchzend fragte ich, was der hier zu suchen hat.
Ich weiß nicht warum, aber er fing an zu weinen. Das irritierte mich. Er sagte zu mir, er sei nie bei mir gewesen. Und mein Bruder sprang ein: “Vielleicht hast du das wirklich nur geträumt.“. Meine Stimme überschlug sich fast und ich deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf ihn: “Nein! Er kam nachts in mein Zimmer. Er hat mich angefasst. Er hat mir die Nächte geraubt! Ich habe das nicht geträumt!“. Ich weinte so heftig, aber es kam bei keinem an. Meine Mutter sagte leise aber bestimmend: “Verlass das Haus!“.
Weinend verließ ich das Haus. Ich rief meinen Dad wieder an, er holte mich ab.
Ich sagte ihm nicht, was passiert ist und er ließ mich schweigen.
Nach zwei Wochen ging ich doch noch mal zu meiner Mum. Meine Mutter lächelte mich an, als sei nie was passiert. Aus meinem Mund hörte ich nur: “Mama, darf ich hier wieder wohnen?“ Sie nickte. Und ich zog wieder ein. Ich kann mir den Kopf zermatern wie ich will, aber ich weiß nicht, warum ich zurück wollte.
Mein Vater hat sich heute dafür entschuldigt, das er nicht anderes reagiert hat. Aber meine Mutter sagt bis heute, das ich davon geträumt habe und versteht nicht, warum ich keinen Kontakt mit ihm möchte.
Sie hat mich so verunsichert, nein, alle haben mich so verunsichert, dass ich bis heute nicht weiß, ob es ein Traum oder Realität war. Nur meine Psyche ist sich sicher, es war Realität, denn ich habe nach der Aussprache nie wieder davon “geträumt“.
Ab dann verlief alles recht normal, bis zur neunten Klasse.
In der 9. Klasse kamen ein paar neue in unsere Klasse, denn die Klassen wurden zusammen gemischt, wegen den Abschlüssen im 10. Schuljahr.
Eine davon hieß auch Nadine. Wir wurden beste Freundinnen. Wir kauften gemeinsam das erste Handy. Wir erzählten uns alles. Wir fuhren in den Sommerferien mit meinem Mofa Roller überall hin. Mit ihr rauchte ich meinen ersten Joint und ich war mit ihr auf meinem ersten Konzert, die “Bravo Super Show“.
Nach dem Konzert sind wir zu mir gefahren, sie wollte bei mir übernachten. Es war keiner zu Hause. Meine Mutter war mit Heinz-Josef im Urlaub und meine Geschwister trieben sich in der Weltgeschichte rum.
Aus dem Kühlschrank mopste ich eine Flasche Sekt und sie drehte einen Joint. Der Sekt schmeckte widerwärtig aber der Joint verfehlte seine Wirkung nicht. Wir schauten etwas fern.
Ich lag bei ihr im Arm.
Irgendwann fing ich an ihren Bauch zu streicheln und dann raffte ich mich hoch und küsste sie auf den Mund. Ich schlief mit ihr. Es war ihr erstes Mal.
Am nächsten Morgen hatten wir beide Kopfweh und ohne, das wir darüber sprachen, gingen wir zu ihr. Wir frühstückten und verbrachten den Tag auf dem Marktplatz.
Ich verbrachte fast jedes 3. Wochenende bei ihr und jedes Mal schlief ich mit ihr. Aber sie wollte nicht auf den Mund geküsst. Warum, das weiß ich nicht. Wir sprachen auch nie darüber. Genauso wenig darüber, warum ich nicht wollte.
Irgendwann lernte sie einen Jungen kennen. Sie kamen zusammen. Ich war rasend vor Eifersucht. Ich glaube, ich hatte mich in sie verliebt. Aber sie merkte es nicht. Sie war zu verliebt in ihn. Als ich hörte, das sie sich die Pille besorgt hat, rasstete ich aus. Nicht vor ihr. Aber in meinem Zimmer. Ich schlug alles kurz und klein.
Trotz deren Beziehung schliefen wir noch immer “miteinander“ also ich mit ihr. Es war merkwürdig. Aber das war mir egal. Hauptsache ich verlor sie nicht.
Ich lernte ihn auch kennen. Ich kannte ihn. Er war als “Frauenheld“ bekannt, aber Nadine glaubte mir nicht. Ich wollte es ihr beweisen.
Ich fuhr alleine zu ihm hin. Ich wollte ihn testen. Ich machte ihn an. Und er ging drauf ein. Ich wollte aufstehen und gehen, um ihr davon zu erzählen, damit sie die Finger von ihm lässt.
Er packte mich und warf mich auf sein Bett. Er riss mir die Hose runter und knöpfte seine auf. Noch bevor ich anfangen konnte zu schreien, hielt er mir die Hand vorm Mund. Ich erstickte fast. Mir liefen die Tränen an der Seite runter. Es tat schrecklich weh. Ich wollte sterben. Es war mein erstes Mal.
Als er fertig war, ließ er von mir ab und ging ins Bad. Ich ging hoch und sah an mir herab. Alles voller Blut. Ich sprang auf, zog mir, wie ein Robotter die Hosen hoch und rannte hinaus. Er beachtete mich nicht. Ich stieg auf mein Mofa Roller nach Hause und weinte unter der Dusche. Ich sperrte mich 3 Stunden im Bad ein und ich fühlte mich nicht besser.
Am nächsten Tag fuhr ich zu Nadine. Ich sagte ihr nur, dass ich bei ihm war und dass er wirklich nicht gut für sie sei. Aber ich erwähnte sonst nichts. Sie sagte mir, dass sie sowieso mit ihm Schluss machen wollte, weil sie jemand anderen kennen gelernt hat. Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich fast zusammenbrach. Sie erzählte mir alles und ich versuchte zu zuhören.
Nach einer Stunde entschuldigte ich mir bei ihr, aber ich wollte gehen. Wir verabschiedeten uns und ich fuhr nach Hause. Ich rannte in mein Zimmer und weinte in mein Kissen hinein. Ich stellte mich wieder unter die Dusche. Doch ich fühlte mich nicht sauberer.
Ich griff zur Rasierklinge. Ich ritzte in die Arme und in die Pulsadern. Ich wollte nicht sterben ich wollte nur den Schmerz übertrumpfen, den ich spürte. Leider ohne Erfolg. Die Narben trage ich noch heute, und der Schmerz ist geblieben. Es kamen viele Narben hinzu. Denn ich konnte mich an keinen mehr wenden. Keiner hörte mich an. Ich hatte Angst, man schenkt mir kein Glauben. Die Klinge stumpfte mich ab. Ich weinte weniger. Das war auch der einzige Erfolg.
Wir zogen schon wieder in eine andere Stadt. Meine Mutter wollte sich selbstständig machen und deshalb zogen wir nach “Hinsbeck“. Das ist ca. 30 Min. von “Straelen“ mit dem Auto weg. Und mit dem Mofa Roller eine Stunde und 30 Minuten.
Trotzdem fuhr ich jeden Morgen, mit meinem Mofa Roller die anderthalb Stunden bis zur Schule. Es war ja nicht mehr lange, bis zum Ende dieser Schulzeit.
Nadine und ich machten gemeinsam den Hauptschulabschluss nach Klasse 10 und gingen auf die Handelsschule. Sie kam in eine andere Klasse. Das machte die Freundschaft noch schwieriger. Sie hatte einen anderen Stundenplan wie ich und wir sahen uns nur noch am Wochenende. Allein schon wegen der Entfernung war es schwierig.
Aber auch das Wochenende machte es bald nicht mehr. Denn ich hatte jemanden kennen gelernt. Doch sie lebt ca. 800 km von mir entfernt. Claudia stammt auch aus einer schwierigen Familie. Ich fühlte mich bei ihr geborgen und von ihr verstanden. Ich fuhr zu ihr. Es war schön und auch anstrengend. Die große Stadt und das drum herum. Das kannte ich nicht. Ich schlief draußen, es war ja warm genug. Ihre Eltern durften mich noch nicht sehen. Sie wussten nichts von mir.
Ich war fasziniert von den großen Häusern, den vielen Autos der riesen Werbeplakate und natürlich von Claudia.
Einmal bin ich auch, als ich die Schnauze von allem voll hatte, nach Berlin abgehauen. Als ich merkte, wie blöd das war, ließ ich mich nach 3 Tagen von meinen Eltern wieder abholen. Ich hatte kein Geld auf dem Konto, ich konnte nirgends hin und von meiner Minderjärigkeit mal abgesehen. Meine Eltern waren stinksauer. Was ich ihnen auch nicht verübeln konnte.
Mit ihr hatte ich mein erstes Mal. Und so halte ich es auch ewig in Erinnerung. Es war gewollt und nur das ist es, was zählt.
Nach einem Jahr beendete ich die Beziehung. Ich weiß nicht mehr, warum ich das tat. Ich glaube aber, dass mich die Entfernung fertig machte.
Als das Schuljahr dann in der Handelsschule vorüber war, machte ich ein Jahr Auszeit und Nadine machte ihr Jahr weiter. Sie wollte im kommenden Jahr in Abitur machen. Ich musste aussetzen, weil ich eine Rückenoperation vor mir hatte, die mindestens, so sagten die Ärzte, eine 6 monatige Heilung brauchte. Und das lohnte nicht für ein Schuljahr.
Mein Dad war auch damit einverstanden.
Mein Vater ist vor kurzem in eine Wohnung gezogen, die in “Straelen“ ist, wo ich vorher lebte. Ich zog bei ihm ein, es war näher bei Nadine und ich hatte mehr Freiraum.
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lostheart85. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.