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Das Gefühl(Teil 1)

von brasi_89


Es ist sehr kalt und ich gehe alleine, wie so oft, zurück in meine Wohnung. Ich mag meine Wohnung. Sie ist nicht sehr groß, aber für eine Person ausreichend.
Ich komme von einer Diskonacht, für die ich mich überreden habe lassen. Eigentlich wollte ich schon raus aus meiner Bude und etwas Spaß haben bzw. tanzen, dennoch war ich skeptisch. Im Grunde bin ich nur mit, um meine Freunde wieder zusehen. Freunde! Es war die Art von Freunde, die man zwar kannte, aber nicht ständig was mit ihnen unternahm. Ich habe viele dieser Freunde in verschiedenen Bereichen meines Lebens. Einerseits freute ich mich auf diese Nacht, aber meine anfängliche Skepsis hat sich bestätigt. Die Mädchen sind wirklich nett und man kann mit ihnen Spaß haben und gut reden, aber ich passe trotzdem nicht dazu. Ich weiß eigentlich nicht warum ich mich nicht wohl bei ihnen fühle, aber trotzdem versuche ich jedes Mal dies zu verbergen und hoffe dieses Gefühl des Unwohl- Seins würde von selbst verschwinden. Im Grunde kann ich froh sein, dass sie mich dabei haben wollen, aber das ist mir jedes mal aufs neue ein Rätsel. Wie können sie mich fragen? Ich bin doch nicht in ihrer Welt oder würde es sein wollen. Ich würde mich nicht unbedingt als sozial bemitleidet oder sozial zurück geblieben bezeichnen, aber trotzdem lebe ich etwas zurück gezogen, in der Hoffnung in Ruhe gelassen zu werden. Ich sitze gerne alleine vor dem Fernseher oder Laptop und schaue mir einen romantischen Heul- Film an oder ich spiele auch mal am Laptop. Natürlich ist es nicht ganz so, wie es vielleicht scheint. Ich bin sehr froh, wenn mich jemand anruft und mich fragt, ob ich nicht Lust habe mit weg zu gehen. Ich warte immer darauf, um sicher zu gehen, ob sie mich vergessen haben oder ab und zu an mich denken. Manchmal warte ich lange, aber ich zwinge mich doch niemanden auf. Wenn sie was von mir wollen, dann sollen sie kommen. Das ist etwas egoistisch denke ich, weil dieses Denken auch auf die Anderen zutrifft, aber so bin ich eben. Es klingt schon sehr bemitleidend, oder? Was soll ich machen? Ich bin eben ich und das ist doch ganz gut so, oder? Vielleicht sollte ich einen Psycho- Doktor aufsuchen und mich heilen lassen. Aber was sag ich dem nur? Bitte Doktor helfen Sie mir. Ich will für meine Freunde wichtiger sein! Der schickt mich wahrscheinlich mit einer unsanften Art aus seinem Zimmer. Also kein Psychiater. Obwohl wer weiß, vielleicht ist eine damalige Schulfreundin schon fertig mit ihrem Psychologie Studium und benutzt mich als Versuchskaninchen. Schrecklicher Gedanke bei der Person mein Herz aus zuschütten. Also, wo war ich gleich noch mal? Stimmt, mein Egoismus. Ich weiß nicht, warum ich damit so ein Problem habe, aber ich denke mal, dass solche Nächte wie heute sich nicht wiederholen sollten. Ich kann mich eigentlich nicht beschweren. Die Musik war in Ordnung, die Drinks gut und die Mädchen wie immer nett, aber irgendwas hat mich doch gestört. Die Mädchen würde ich typisch nennen. Sie sind groß, schlank, hübsch und gut angezogen. Ein Hingucker für die Männerwelt. Ich dagegen bin etwas anders. In der lesbischen Welt würde man mich butch nennen. So nennt man die Frauen, die sich eher maskulin anziehen, sportlich sind und sich nicht unbedingt immer schminken müssen. Zudem bin ich nicht schlank. Ich habe meine Kurven und finde das nicht schlimm. Was schlimmer ist, ist meine Größe, die nicht sehr auffällig ist, bei den knapp 1,60m.
Ich passe rein äußerlich überhaupt nicht zu den Mädchen und gehe trotzdem mit. Man sagt ja, es käme auf die inneren Werte an und das kann gut sein, denn sonst habe ich keine Erklärung dafür, warum sie sich sonst mit mir abgeben würden. Wenn ich mich mit ihnen schon vor der Disko treffe, also in der S-Bahn oder U-Bahn oder sonst wo, dann freue ich mich sie zu sehen, um zu reden. Dann bin ich aber mit ihnen in der Disko und ich merke, dass ich wieder underdressed bin und ganz sicher nicht zu ihnen passe. Am Anfang verdränge ich den Gedanken meistens, weil ich mich auf den Abend gefreut habe und ihn mir nicht gleich am Anfang versauen lasse. Das klappt meistens ein oder zwei Stunden und dann wünschte ich, ich wäre zu Hause auf meiner Couch und würde mir eine Comedyshow anschauen. Ich mache sie dann darauf aufmerksam gehen zu wollen, aber sie sind dann immer schon in ihrer Feierlaune, aus der ich sie nicht mehr raus holen kann. Ich erkundige mich dann, wann sie vorhatten zu gehen und bleibe dann noch ein bisschen oder gehe gleich. Meistens gehe ich, obwohl sich der Abend dann nicht gelohnt hat. Ich fliehe dennoch aus der Welt der Anderen und kehre in meine Welt zurück. Eine schöne Welt, denke ich dann immer, weil ich mich dort wohl fühle ohne Angst zu haben nicht dazu zu gehören.
So einen Abend hatte ich heute wieder. Es ist halb zwei Uhr nachts und ziemlich dunkel, obwohl meine Wohnung zentral liegt und ausreichende Straßenbeleuchtung vorhanden ist, kommt mir der Weg dunkler vor als sonst. Von der S-Bahn gehe ich meist sieben Minuten zu meiner Wohnung, obwohl auch eine Straßenbahn fahren würde. Um die Uhrzeit gehe ich allerdings immer, denn auf die Straßenbahn zu warten, ist kälter als sich den kurzen Fußmarsch anzutun.
Endlich ist die Wohnungstür hinter mir abgeschlossen und lege meinen Wintermantel ab, den ich auch mal wieder reinigen müsste. Darüber mache ich mir erst morgen Gedanken. Meine Turnschuhe,die vom schneebedeckten Weg durchnässt sind, lege ich auf die Heizung zum trocknen, auch auf die Gefahr hin, sie würden mir morgen nicht mehr passen. Ich weiß nicht, ob diese Theorie stimmt, aber bestreiten würde ich es nicht. Erschöpft von dem Abend gehe ich nochmal in die Küche und esse eine Breze, die nicht mehr so schmeckt, wie sie ursprünglich sollte, aber zum wegschmeißen war sie noch nicht hart genug. Routinemäßig mache ich meinen Laptop nochmal an, um meine Emails zu überprüfen und zu schauen, ob sich jemand so spät noch in den Chat wagt. Wie erwartet, war keine interessante Email dabei und keine meiner Kontakte online. Müde gehe ich ins Bett und hoffe nicht allzu schnell wieder auf zu wachen.

Eine Woche später, aber zu Hause, sitze ich an meinem Laptop und arbeite an meinem Polizeibericht, den ich am Anfang des Monats abgeben muss. Der letzte Monat Januar war wieder die Hölle. Zuerst immer der ganze Dreck in der Stadt wegen Silvester und dann die ganzen Betrunkenen, die man aufsammelt und in die Ausnüchterungszelle schickt. Zusätzlich die entstandenen Schäden usw. Aber ich liebe ja meine Arbeit. Zumindest rede ich mir das immer ein, weil es wenigstens Geld bringt und ich Geld brauche. Die Ausbildung bei der Polizei geht noch 2 Jahre und dann hoffe ich befördert zu werden. Silvester war wieder ein toller Abend. Ich habe mich freiwillig zum Dienst gemeldet, da ich wiedermal als Letzte gefragt worden bin, irgendwo mit hinzugehen. Bevor ich alleine daheim sitze, wollte ich was tun, um wenigstens beschäftigt zu sein. Zusätzlich stockt es mein Konto bisschen auf. Der Bericht wird sowieso jeden Monat geschrieben und ich habe ja nichts anderes zu tun, aber ich hoffe schnell fertig zu werden, denn ich muss mir noch einen super schönen Film anschauen. Ich sehe viele Filme. Eigentlich hätte ich zum Film gehen sollen, irgendwas in der Produktion machen, aber meine Ziele nach dem Abitur waren etwas verschwommen und habe mich erstmal bei der Polizei nieder gelassen. Eigentlich wollte ich das gar nicht, aber es kam mir vernünftig vor und so kam es, dass ich nach einem Jahr Ausbildung immer mehr gefallen daran finde und jetzt an meinem Bericht schreibe, den ich eigentlich nur mit Hilfe einer Vorlage abschreibe und die Daten ändere. Der Film wartet ja und bald würde meine Freundin vorbei kommen und sich den mit mir anschauen. Für Versorgung habe ich bereits gesorgt, d.h. Chips, Popcorn, Schokolade und Bier.
Meine Freundin kenne ich vom Revier, sie ist 25 Jahre alt. Sie wurde mir zugeteilt, als ich bei der Polizei anfing. Erstmal war sie mir nicht sehr sympathisch, weil sie sich sehr ärgerte einen Neuling zu bekommen, aber nach ein paar Wochen legte sie ihre unsympathische Seite ab und zeigte mir ihre Sympathische. Sie ist eine hübsche, mittelgroße, junge Frau, braune Haare und Augen, sah sehr ernst aus, aber machte dennoch einen lebendigen Eindruck. Nach der gewissen Kennenlern- Phase lachte sie mal in meiner Gegenwart und war nicht mehr so verschlossen. Das tat mir ganz gut, weil ich gerne neue Kontakte knüpfe und ich mich freute jemanden in der Arbeit zu kennen. Wir verbringen seit sechs Monaten die Zeit zusammen und gehen gemeinsam auf Streife. Nur zwei mal die Woche ist Berufsschule angesagt und ich muss pauken, denn da gibt es auch Prüfungen, die ich schreiben und bestehen muss. Die anderen drei Tage verbringe ich mit Tanja und rede mit ihr über Gott und die Welt.
An einem Abend beim Imbiss, um die Ecke, erzählte sie mir von einer Person, die sie die Unbekannte nannte. „ Weißt du Vanessa, ich habe vor vielen Jahren ein Mädchen kennen gelernt, die ich nur zwei Monate kannte. Sie sah wirklich gut aus und war wie meine Seelenverwandte. Ich glaube nicht wirklich an so etwas, aber wir verstanden uns sehr gut. Wir verbrachten Weihnachten und Neujahr zusammen. Doch dann kam ein Brief von der deutschen Einwanderungsbehörde und forderte sie auf, Deutschland innerhalb von 30 Tagen zu verlassen. Sie kam aus Australien und machte Aupair für ein Jahr. Sie hatte vor BWL zu studieren und versäumte die Frist sich an der Uni einzuschreiben. Als sie mir dies erzählte, ist mir ein Knoten im Hals stecken geblieben. Ich hatte gewusst, dass sie irgendwann gehen musste, aber doch noch nicht so bald. Ich hatte sie nur ein paar Wochen gekannt, aber trotzdem fühlte ich mich schlecht bei dem Gedanken sie womöglich nie wieder zu sehen.“ Ich hatte die Frechheit zu erwidern: „ Das meinst du nicht im ernst, oder? Du kanntest dieses Mädchen wie lange? Richtig paar Wochen und du hast sie als deine Seelenverwandte gesehen? Das höre ich auch zum ersten Mal.“ „Ich weiß, dass es verrückt klingt, aber warte erst mal ab, bitte.“ Ich blieb still und lauschte ihrer Geschichte, obwohl mein Hotdog langsam kalt wurde. Ihre Geschichte endete so: „ Da begriff ich zum ersten Mal was in mir vorging. Ich verabschiedete mich ein Tag bevor sie zurück nach Melbourne flog. Ich dachte die ganze Zeit nach, weil es mich sehr beunruhigte so ein Gefühl von Leere in mir zu haben. Jetzt halte dich fest. Ich hatte mich in sie verliebt.“ Ich glaube Tanja hatte eine andere Reaktion erwartet, aber blieb dennoch ruhig. Ich antwortete schroff: „ Du bist lesbisch, und? Ist ja nichts außergewöhnliches. Es tut mir trotzdem sehr Leid was da passiert ist und du keine Chance hattest ihr deine Liebe zugestehen.“ Sie wusste, dass ich es nicht so ernst meinte, sondern eigentlich nur Hunger hatte, aber ich merkte ihr eine Erleichterung an als sie mir die Geschichte zu Ende erzählt hatte. Ich war irgendwie froh, dass sie es mir erzählt hatte und gab ihr das auch zu erkennen. Einerseits ist es nicht leicht sich zu outen, aber andererseits finde ich es toll, dass sie es ausgerechnet mir erzählt hatte. Ich war sehr erstaunt, aber begriff, dass es eine Art von Freundschaftsbestätigung war, die ich sehr schätzte. Sie lies mich von da ab an ihrem Liebesleben teilhaben, was etwas spannender war als meines, aber auch sehr zu wünschen übrig lies.
Es läutet an der Tür und ich wusste, dass ich meinen Bericht später fertig schreiben musste. Ich speicherte schnell alles und öffnete die Tür. „ Hey Schnuckiputz, wie sieht\' s aus? Schon fertig mit dem Bericht?“ Ich machte eindeutig bemerkbar, dass dies nicht der Fall war und schickte sie in die Küche, um mir beim Tragen des Knabberzeugs zu helfen.
„ Welchen Film schauen wir uns überhaupt an?“, fragte ich Tanja vorsichtig. Normalerweise suchte ich immer die Filme aus, aber dieses Wochenende bestand sie darauf selber einen Film auszusuchen und ich gestattete es ihr. „ Weißt du Vanessa, es ist ein süßer Film, aber vielleicht nicht so wie du es dir vorstellst, aber du wirst ihn mögen.“ Da ich ihr vertraute, freute ich mich auf den Film. Ich hatte eine Vorahnung und die wurde bestätigt. Da Tanja lesbisch ist, dachte ich mir, dass es irgendwie darum gehen würde und das tat es auch, aber der Film war wirklich süß und er gefiel mir.
In dem Film kam die Frage auf, wann man wüsste, die richtige Person gefunden zu haben. Es wurden zwei Antworten gegeben:
Antwort 1: Man weiß es nicht sofort. Man lässt sich erst darauf ein und schaut dann was passiert. Wenn es sich gut an fühlt und man glücklich ist, merkt man, ob es richtig war und genießt es dann.
Antwort 2: Man weiß es von Anfang an. Das sichere Gefühl, das später kommt, bestätigt einem nur, dass man von Anfang an richtig lag.
Ich versuchte mit Tanja darüber zureden. Sie teilte, die erste Antwort und ich die Zweite. „Weißt du Tanja, warum kann man sich nicht auf den 1. Blick verlieben? Es ist verdammt schwer und eigentlich sehr selten, aber der Gedanke daran ist schön. Ein Zitat aus dem Film: Es würde Zeit sparen. Wo sie recht hat, hat sie recht, oder?“ Als ich dies aussprach, schaute mir Tanja in die Augen und ich wusste nicht was ich tun sollte. Sie sagte einfach nichts mehr zu dem Thema und blieb ruhig als wäre nichts gewesen. Ich erwiderte ihren Blick und blieb sehr angespannt auf meiner Couch sitzen. Es war ein Gefühl, dass ich nicht kannte. Mir war nicht schlecht, aber mir war etwas unwohl. In meinem Kopf waren Gedanken, die ich mir nie hätte träumen lassen. < Wie konnte ich so etwa fühlen? Stimmte etwas nicht mit mir?> Tanja war immer noch ruhig und irgendwie sprachlos. Sie schien auf etwas zu warten, aber ich wusste nicht worauf. Konnte sie nicht einfach sagen, was sie darüber dachte oder zumindest irgendwas sagen? „ Der Gedanke daran sofort eine Person zu finden, die man liebt ist ein wirklich Schöner. Da wir Menschen sowie Verstand als auch Herz besitzen, werden diese in Konflikt geraten. Der Verstand wird dir sofort sagen, dass es Liebe auf den 1. Blick nicht gibt und dein Herz will, dass du auf dein Gefühl hörst.“ Ich war erleichtert, denn sie äußerte sich endlich. Ich überlegte kurz und antwortete: „ Vielleicht werden wir genau dann auf die Probe gestellt, um heraus zu finden, ob wir dem Verstand und in diesem Fall der Vernunft vertrauen oder doch auf unser Herz hören. Man weiß doch eigentlich von Anfang an, ob sich was gut oder richtig anfühlt. Wenn dies nicht der Fall ist, lassen wir uns doch nicht darauf ein?“ „Vanessa, deine Einstellung ist naiv, aber trotzdem süß. Man kann sich auf den ersten Blick verlieben, das ist wahr, aber da kann man nicht von Liebe sprechen. Liebe verlangt mehr Zeit und auch Respekt. Verliebtheit ist keine Liebe. Es ist der Beginn von Liebe. Liebe entwickelt sich nach gewisser Zeit und man lebt dann mit einem Gefühl, das einem zum Schreien verleitet. Liebe ist bei jedem anders und auch die Arten von Liebe ändert sich von Partner zu Partner, oder in meinem Fall vom Partnerin zu Partnerin. Verliebt sein gehört sicherlich dazu und die Liebe ist auch eine Bestätigung dafür, dass man sich zurecht verliebt hat, aber es gehört eine gewisse Vorsicht dazu, die man beanspruchen sollte.“ Ich war von dieser Sichtweise sehr angetan. Es wundert mich nicht, dass sie geschafft hatte mich zu überzeugen, denn das konnte Tanja. Sie war immer diejenige, die ihren Standpunkt gut argumentieren konnte und ihren Zuhörer auf ihre Seite bringen konnte. Es ist verwunderlich warum sie nicht Anwältin geworden ist, aber wahrscheinlich weil sie es genauso satt hatte zu lernen wie ich. „ Weißt du, dass du es immer schaffst mich zu überzeugen?“ Sie lächelte und nickte. Ich bin eben ein Mensch, der sich schnell beeinflussen lässt, obwohl ich auch auf meine Meinung beharren konnte, wie bei Liebe auf den 1.Blick. „ Du hast bestimmt recht mit deiner Argumentation und es hört sich logisch und vernünftig an. Trotzdem glaube ich daran, dass nur ein Moment ausschlaggebend sein kann. Sicher ist das Risiko sehr hoch, dass man falsch liegt, weil es eben nur eine Momentaufnahme ist, aber der Verlust ist unter Garantie nie so hoch wie der Gewinn, den man dabei erzielt. Bei Momentaufnahmen, die dann schnell wieder erlöschen, glaubt man sich etwas eingebildet zu haben und vergisst es schnell. Wenn aber der Moment andauert, sagen wir, man freundet sich mit der Person an, sieht sie öfters, dann ist der Moment weg und es wird ein Teil des Lebens. Jeher man erkennt, dass die Schwärmerei vorbei, ist es Liebe. Das, finde ich, ist die Bestätigung dafür, dass man von Anfang an richtig lag.“
Mir fiel plötzlich auf, dass sie ihre Haare offen trug und nicht wie im Dienst nach hinten zusammen gebunden. Ich wusste nicht, warum es mir ausgerechnet jetzt auffiel, aber ich merkte, dass ihre Augen leuchteten. Sie schaute mich nur an und meinte: „Hey, deine Augen haben keine bestimmte Farbe. Ich kann nicht erkennen, was das sein soll, zumindest nicht von dieser Entfernung.“ Sie rutschte näher zu mir hin und blickte mich erneut an. Diesmal sagte sie nichts mehr. Ich würde gern wissen was in dem Kopf von dieser Frau vor ging. Sie war mir manchmal ein vollkommenes Rätsel und ich würde es gerne lösen, aber vielleicht braucht sie dies gerade. Sie gibt nie viel von sich preis, zumindest nichts persönliches. Außer dieses eine Mal, als sie mir von ihrer australischen Freundin erzählte. Damals wusste ich nicht, dass sie es nicht mehr wiederholen würde, freiwillig etwas über sich zu erzählen. Ich erzähle ihr viel über mich und meine Gedanken, Gefühle oder Ängste. Sie konnte gut zuhören und sah immer interessiert aus. Ich hoffe, sie blöffte nicht, aber so schätzte ich sie nicht ein.
„ Es ist eine Mischung aus verschiedenen Farben und das ist glaube ich selten. Grün ist eine schöne Augenfarbe und blau eigentlich auch. Sie stehen meiner Meinung nach für Kraft und Durchhaltevermögen. Aber braun kann ich nicht definieren. Keine Ahnung was braun sagen will, aber vielleicht eine Art Versteck für Geheimnisse.“ Tanja kam immer näher und mir wurde unwohl. Ein Gefühl, das ich noch nicht kannte und ich nicht beschreiben kann. Sie war schon ziemlich nah und ich konnte ihren Atem spüren. Ein ruhiger, kontrollierter Atem, der nach Chips roch. Ohne nachzudenken beugte ich mich vor und küsste sie. Ich spürte ihre warmen Lippen an meinen und mein Adrenalin schoss urplötzlich auf 180 hoch und ich hoffte nur, dass man mir das innere Beben nicht anmerkte. Ich löste meine Lippen von ihren und schaute sie an. Doch ich konnte es nicht lassen. Ich musste sie nochmal küssen und mein Adrenalin war jetzt bereits auf 360. Es fühlte sich so gut an, so vertraut, aber keinesfalls falsch. Es war soviel in meinem Kopf, dass ich ganz vergaß, dass ich eine Frau küsste. Wie konnte ich eine Frau küssen ohne mich zu ekeln? Obwohl es für mich eine neue Erfahrung ist, wollte ich nicht, dass dieser Moment aufhört. Doch ohne mich zu wehren, war Tanja bereits auf den Beinen und hielt sich die Hände vor ihr Gesicht. Ich konnte nichts sagen, denn mir war nicht klar, was ich hätte sagen können und Tanja ging es anscheinend genauso, denn sie ging inzwischen auf und ab ohne einen Ton von sich zugeben. Sie machte den Eindruck einen Fehler gemacht zu haben und dies beunruhigte mich. Ich wollte nicht, dass dieses wunderschöne Gefühl verschwand oder in der Luft hing. Ich wartete auf eine Reaktion, aber es kam nichts und dann stand ich auf. Ich berührte ihre Hand und küsste sie erneut. Es war wie erwartet ein noch nie in meinem Leben gefühltes Etwas, aber ich wollte nicht, dass es aufhörte. Tanja riss sich erneut los: „Vanessa, es geht nicht. Ich muss gehen.... Ich muss gehen!“ Mit diesen Worten verließ sie meine Wohnung ohne sich nochmal um zuschauen oder sich zu verabschieden. Ich war so baff, dass ich sie nicht aufhalten konnte. Ich war noch so überwältigt von der Tatsache, die eben passiert war, dass ich erst nach ein paar Sekunden realisierte, dass ich alleine in meiner Wohnung stand. Ich ging zum Fenster, um ihr nach zuschauen, aber ich sah sie nicht mehr.
Plötzlich überkam mich ein Gefühl der Übelkeit. Es war das selbe Gefühl wie bei meinem ersten Kuss, den ich mit 13 bekam. Er war ein sehr gut aussehender, großer Kerl, der mich damals küsste. Ich kannte ihn erst ein paar Wochen und fand ihn sehr süß. Es wunderte mich, dass er sich mit mir abgab, denn er war ein sehr angesagter Kerl und ich eher eine graue Maus. Doch als er mich eines Tages küsste, hatte ich auch ein unbeschreibliches Gefühl in mir. Nach dem Kuss wurde mir schlecht und ich übergab mich fast vor Entsetzen. Ich lief weg und wollte ihn nie wieder sehen. Ich konnte nicht fassen, dass Küssen so etwas verursachte und wollte dieses Gefühl auf keinen Fall wieder erleben. So ging es mir jetzt im Moment genauso, nur lief ich jetzt in mein Bad und übergab mich wirklich. Es war das Gefühl meines ersten Kusses. Ich blieb eine Weile am Boden sitzen und spulte den Abend zurück. Mir wurde nicht klar, warum es geschah und auch Tanjas plötzliches Verschwinden fand ich unbegründet. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr kam dieses Gefühl der Übelkeit hoch.
Ich duschte mich in der Hoffnung einen klareren Kopf zu bekommen, doch der Versuch war vergebens. Ich fühlte mich zwar etwas freier, aber trotzdem nicht klar im Kopf. Ich wusste nicht, was ich tun sollte und räumte erstmal meinen Tisch vor der Couch auf. Mir war unbegreiflich, warum sie ging und nicht die Tatsache, dass ich sie küsste. Es beschäftigte mich sehr, denn ich hatte keine Ahnung, wie es Tanja jetzt ging. Wenn ich sie anrufe, würde sie bestimmt nicht ran gehen, deswegen lies ich es auch. Ich fühlte mich keinesfalls schuldig, denn mir ging es erstaunlich gut. Tanja\' s Verschwinden machte mir Sorgen. Ich ging Szene für Szene durch und fand nichts beunruhigendes dabei. Sie mochte mich doch, aber wie?



copyright © by brasi_89. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


OHa
Ich finde deine Geschichte sehr bewegend, da ich mich auch etwas darin wieder erkenne...und gerade ähnliche Gefühle habe, aber alles so kompliziert ist....*Gut zu wissen das man nicht alleine ist...* ich hoffe auch das noch eine Fortsetzung folgt...Liebe Grüße
KlaraFall_22 - 27.01.2008 22:22
*Respekt*
Hotchilli - 25.01.2008 14:25
Sehr gut!
Isa-Queen - 25.01.2008 14:24
nicht schlecht
Krusty41 - 24.01.2008 16:34

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