Das Katzenmädchen

von Bluemooncat


Heimlich, still und leise,
Augen große kreise,
zierliche Gestalt.
Und dahinter auf samtiger Tatze,
eine weiße Katze.

Die Geschichte beginnt damit, dass ich spazieren ging.
Es war ein Frühlingsmorgen. Ein für den Frühling typischer, noch frischer Wind ging durch die Bäume und die Vögel veranstalteten erste Frühjahrskonzerte. Die gerade aufgegangene Sonne lugte alle paar Augenblicke durch die Wolkendecke, als wolle sie überprüfen, ob sich die ersten Knospen an den Bäumen zeigten und die Sonnenblümchen zu wachsen begännen. Ich machte einen Spaziergang, denn ich genoss die Stille, wenn morgens noch keine Menschenseele auf den Feldwegen zu sehen war. Ich ging bemessenen Schrittes und war froh, allein sein zu können. Ich war gerne allein. Lieber verbrachte ich den ganzen Tag in meinem Zimmer ohne Gesellschaft, als mich mit fremden Leuten oder nur Bekannten in einem Raum aufzuhalten. Ich fand, dass es in meinem Berufsalltag genug Gesellschaft gab und ich das nicht noch in meiner Freizeit erleben müsse.

Ich lief also langsam und leichten Fußes auf den Feldwegen nahe des Waldrandes entlang, als ich einem Mädchen begegnete:
Sie hatte eine feingliedrige, zierliche Gestalt und ging mir etwa bis zu Schulter, obwohl ich selbst kaum 1,70 m maß. Sie hatte hellbraune längere Haare und stakste grazil mit einem seligen Lächeln aus einem kleinen Wäldchen ein paar Schritte entfernt.
Sie hatte rosige Wangen, aber ihre Augen hatten für einen Augenblick eine gelbe Farbe, was mich in der ersten Sekunde stark irritierte. Ich blinzelte und als ich einen weiteren Blick wagte, erkannte ich, dass sie eigentlich grau waren.

Das Mädchen sah mich zunächst mit abwesenden Blick an, ich konnte nicht einschätzen, wie alt es war. Es hätte bereits Anfang 20, und damit eigentlich schon eine erwachsene Frau sein können, aber genauso gut auch erst 12 Jahre. Jünger jedoch nicht. Es trug ein Kleid, dessen Schnitt unregelmäßig und asymmetrisch, aber dennoch nicht hässlich war. Das merkwürdige Kleidungstück hatte eine dunkelgrüne Farbe, welche bereits stellenweise leicht verblasst war.
Allein dass ich all dies in wenigen Sekunden feststellte, sah ich später als Beweis dafür, dass ich schon in diesem Moment völlig von dieser Gestalt verzaubert war.

Einen Moment später trat ein hellbraunes Kätzchen mit Bernsteingelben Augen aus dem Buschwerk hinter dem Mädchen hervor. Auf seinem Rücken hatte es, vom Nacken bis zum Schwanzansatz verlaufend, eine grünlich- blass schimmernde Linie, die aber trotz der merkwürdigen, untypischen Farbe nicht unnatürlich an der Katze aussah. Das Kätzchen starrte zu mir hoch.

Derweil machte das Mädchen ein leises Geräusch, dass mich an ein Schnurren erinnerte und sagte mit leiser und hell klingender Stimme: „Oh, ich wusste nicht, dass jemand in der Nähe ist. Normalerweise habe ich ein Gespür dafür.“ Ich sah sie etwas verwirrt an. Was machte sie denn hier, insbesondere in einem dünnen Kleid, es war doch noch viel zu kalt! Sie machte aber nicht den Eindruck, als würde sie frieren.
Ihre Augen waren wirklich faszinierend, jetzt lächelten sie mich richtig an, und erneut leuchtete für einen Augenblick ein gelber Schimmer in ihnen auf. Ein Schauder lief mir über den Rücken, es war mir nicht ganz geheuer. Schließlich riss ich mich zusammen und gab mit brüchiger Stimme, nach einigem räuspern Antwort: „ Ja, also... ich bin ja auch nicht gerade laut, wie hättest du mich denn wahrnehmen können?“. Der wahrscheinlich dümmste Satz, der mir je über die Lippen gekommen ist. Doch sie grinste mich nur an und ich sah, dass ihre Eckzähne etwas spitzer als bei den meisten Menschen waren, sogleich musste ich an sämtliche Kitsch- Vampir- Romane á la „Twilight“ denken.
"Du fragst dich wahrscheinlich, was ich hier morgens um diese Uhrzeit mit meiner Katze mache", setzte sie etwas zögerlich an, "Obwohl du ja auch schon so früh unterwegs bist..." Neugierig sah ich sie an und wartete auf die Erklärung. „Ich bin eben gern allein hier draußen und genieße die Stille, vor allem den Sonnenaufgang finde ich schön. Meine Katze ähhh... -Rosi begleitet mich dabei gerne." Als ich auf die Katze herunterblickte, die geduldig neben ihrer Besitzerin auf dem Boden saß hatte ich das Gefühl, dass sie mich musterte. Seltsames Tier, vor allem diese gelben Augen, dachte ich.
Ich erwiderte, dass es mir ebenso ginge und fühlte mich dabei wie in einer Art Rausch. Dieses Mädchen und ihre Verbindung zur Katze erschien mir geheimnisvoll und auf eigentümliche Art anziehend.
Ich wollte sie noch fragen, ob ihr nicht kalt wäre und ob sie aus einem der naheliegenden Dörfer käme, doch schon sagte sie ein letztes Wort des Grußes und ging in Richtung der nächsten Baumgruppe davon.
Ich sah ihr nach, bis ich sie nicht mehr sehen konnte. Nach und nach nahm ich meine Umgebung wieder wahr und spürte, dass mein Herz Während der Begegnung schneller als üblich geklopft hatte. Doch konnte ich nicht sagen ob es aus einer Art Angst oder weil das Mädchen das schönste Lebewesen, dass ich je getroffen hab war. Ich hatte plötzlich das dringende Gefühl, meine Hosentasche würde etwas besonderes enthalten. Ich griff hinein und fand darin einen gelben Stein mit einem länglichen Mandelförmigen schwarzen Mahl in der Mitte, welches sich von der einen Seite zur anderen erstreckte. Auf einmal vernahm ich die Stimme des Mädchens in meinem Kopf. Sie sagte:

„Heimlich, still und leise,
Augen große kreise,
zierliche Gestalt.
Und dahinter auf samtiger Tatze,
eine weiße Katze.“

Ich fragte mich, ob ich sie jemals wiedersehen würde.