von CJParker
An einem sonnigen Freitag kam die kleine Tochter von Josephine zur Welt. Es war ein herrlicher Tag im Vorfrühling. Erste Pflanzen erblickten das Licht der Welt. Die Igel drehten sich noch einmal, bevor sie aus ihrem tiefen Winterschlaf heraus das Abenteuer Leben begannen. Friedlich war es in der kleinen Stadt. Ein zarter, warmer Südwind fegte leise durch die Straßen. Wenn man es schaffte, für einen kurzen Augenblick, ganz konzentriert zu lauschen hörte man sogar die Fische in dem kleinen Teich vor dem Haus flüstern.
Vielleicht war das der Grund, dass Josephine ihrer Tochter nicht nur den Namen Sara gab, sondern auch den liebevollen Beinamen, kleiner Sonnenstrahl.
Ein süßes Kind. Auch der überglückliche Vater sah das so. Er hatte sich eigentlich einen Jungen gewünscht. Aber als er dieses empfindliche, wunderschöne Geschöpf in den Armen hielt, wusste er, Sara ist ein Geschenk des Himmels und sie würde sein Leben erhellen.
Ja und in der Tat, Sie war ein gutes, ein gütiges Kind. Jeder mochte sie, sie war beliebt bei Schülern, sowie Lehrern, auch in der Nachbarschaft hielt man sie für einen Engel.
Sara liebte es zu klettern. Am liebsten ging sie dabei in den ganz in der Nähe liegenden Wald und suchte sich den größten und dicksten Baum aus, den sie finden konnte. Eine phantastische, fabelhafte Eiche. Natürlich mit unzählig vielen Ästen, schließlich musste man sich beim Klettern auch ordentlich festhalten können. Nur kein Risiko eingehen. Manchmal, und das freute Sara am meisten, kam ihr Papa vorbei und leistete ihr Gesellschaft. Sie redeten über die Blumen, über die Bienen, einfach über alles was Sara interessierte. Papa hatte auf alles eine Antwort. Er war ihr Held. Es kam vor, dass sie noch da saßen als es schon dunkel wurde. Sara redete und redete, sie war so neugierig und nicht aufzuhalten, wenn sie einmal angefangen hatte. Ihr Vater legte plötzlich den Finger an ihren Mund und zeigte mit der anderen Hand auf einen Hasen, der in seinen Bau lief. Sara lachte und sprang ihrem Papa in die Arme. Dieser drehte sie ein paar mal im Kreis, so sehr das ihm selbst schwindelig wurde und er sich abstützen musste. Ein guter Zeitpunkt Heim zu gehen, Mutter wartete ja auch schon. Es gab leckere Hühnerbrühe, dazu schneeweiße Klöße mit Rotkraut.
Als es schon sehr spät war, brachte der Vater den kleinen Sonnenstrahl noch ins Bett. Er flüsterte ihr eine gute Nacht ins Ohr und sagte ihr, das er sie sehr lieb hat. Danach setzte er sich auf die Veranda und schaute in die Sterne. Das tat er immer, egal ob Sommer oder Winter, ob Regen oder Sturm. Ja, für Sara war er der beste Papa der Welt. In dieser idyllischen Nacht starb er. Sara war 7 Jahre alt.
Für Mutter und Tochter brach eine Welt zusammen. Nicht nur das die Trauer, vor allem für Sara, unvorstellbar schmerzhaft war, das Geld reichte nicht mehr, um die Hypothek für das Haus zu bezahlen. Sie mussten um ziehen. In eine kleine Wohnung in einem Viertel am anderen Ende der Stadt. Eine düstere Gegend. Hier war alles so anders, so laut und schmutzig. Kein Tier war zu sehen oder zu hören, die Menschen brüllten den ganzen Tag und auch die Pflanzen ließen ihre Blätter hängen und waren mehr gelb als grün. So passten sie gut hier her. Sara musste in eine andere Schule. Die Kinder dort, waren gar nicht nett. Alle meckerten sie an ihr herum. Sie konnten sie nicht leiden. Sie war ja aus gutem Hause. Nur bei ihrer Mutter fand sie Trost. Diese musste, da die Witwenrente nicht reichte, in einer billigen Fabrik hart arbeiten. Das führte dazu, dass Josephine von Tag zu Tag ausgelaugter wurde. Sie verlor an Farbe und an Zuversicht. Oft weinte sie nach ihrem Mann. Josephine wurde krank. Sie bekam Krebs. Im Krankenhaus besuchte sie Sara jeden Tag und stellte ihr immer frische Blumen auf das Fensterbrett, gab ihr einen Kuss und eine feste Umarmung. Der kleine Sonnenstrahl war stark und tapfer. Trotz der Liebe zwischen ihr und Josephine, starb ihre Mutter einen qualvollen Tod. Sara war bis zum Schluss bei ihr. Sie war gerade 11 Jahre alt.
Nun begann für Sara eine schlimme, schwere Zeit. Sie war Vollweise und es gab keine anderen Verwandten, die sich um sie hätten kümmern können. Also wurde sie von einem Kinderheim ins nächste abgeschoben. Ohne eine Bezugsperson, ohne Liebe, ohne Zuneigung und Mitgefühl lernte Sara wie schmerzhaft das Leben sein kann. Sie weinte oft, wurde dafür nur belächelt. Das wird schon, sie ist noch jung, sagten die Erzieherinnen immer. Sie brauch Zeit, Zeit und Disziplin. Der ehemals so lebendige, vor Kraft strotzende kleine Sonnenstrahl verlor zunehmend an Energie und Freude. Sie wollte das nicht mehr. Diese Heime und immer ein anderes. Sara floh von diesem grauenvollen Ort. Sie wusste nicht wohin, hauptsache weg, hauptsache frei.
Mit Zeitung austragen, Blumen am Straßenrand verkaufen und Betteln verdiente sie sich ihr Essen. Für mehr reichte es nicht. Manchmal kam sie bei anderen Kindern, die auch weg gelaufen waren und allein lebten, in Kellerlöchern unter. Meistens schlief sie auf der Straße. Es war September, also noch warm genug. Was sie im Winter tun sollte? Sie wusste es nicht.
Einmal kam sie an ihrer alten Wohngegend vorbei. Sie brauchte Geld und Essen, vor 2 Tagen hatte sie ihre letzte Mahlzeit. Sie wusste, die Leute hier waren reich, vielleicht haben sie etwas Mitleid. Doch Sara wurde davon gejagt. Niemand kannte sie mehr. Der Engel von einst war gestorben. Das Licht, was sie einst erleuchtete, war erloschen. Die Nacht war sternenklar. Sara erinnerte sich an die Zeit mit ihrem Papa. Ihr liefen Tränen. Sie ging in den nahe gelegenen Wald und fand ihren Baum, die dicke Eiche mit den unzählig vielen Ästen. Sara schloss die Augen. Sie hörte noch ihren Vater über die Blumen und die Bienen reden. Ihre Mutter stand am Herd und kochte schneeweiße Klöße. Als sie die Augen öffnete, sah sie nur den dunklen, klaren Himmel. Sie war 13 Jahre alt und sie war allein.
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CJParker. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.