Um LESARION optimal zu gestalten und fortlaufend zu verbessern verwenden wir zur Auswertung Cookies. Mehr Informationen über Cookies findest du in unseren Datenschutzbestimmungen. Wenn du LESARION nutzst erklärst du dich mit der Verwendung von Cookies einverstanden.




Stories » Detail

Die Prinzessin

von QueenOfHades


Als erstes hab ich mir den Dialekt abgewöhnt.
Das ging ganz schnell. Weil, ich hab so oft eins aufsMaul gekriegt wegen dem Bayerischen, daß ich bald garnichts mehr gesagt hab, und dann bin ich bestraftworden, weil ich keine Antworten mehr gegeben hab.Ganz schnell hab ich mir da Hochdeutsch angewöhnt, nurdas gerollte "r" ist mir geblieben, und in Berlin hältman mich deshalb manchmal für eine Ungarin oderAlbanin, jedenfalls für eine vom Balkan. Aber dasgerollte "r" ist eigentlich nur ein Aufhänger, diehaben immer die wüstesten Phantasien, wo ich her seinsoll. Dass ich Faltlhuber heiße, hilft mir nichts. Diesagen dann, Sogar Neger heißen doch schon so. Das istso als Totschlag-Argument gemeint, da kannst du nichtsdagegen machen, wenn du eine bestimmte Pigmentzahlhast und Faltlhuber heißt, stimmt was nicht mit dir.Und selbst wenn eigentlich alles in Ordnung ist,sorgen sie dafür, daß am Ende tatsächlich mit dir wasnicht stimmt.
So war das, als ich mit zehn ins Internat kam. Das warso ein deutsches Nobel-Internat, es hat damitgeworben, daß es in der anthroposophischen Traditionsteht. Meine Mutter hat gedacht, das wär für michgenau das richtige. Sie hat aber keine blasse Ahnunggehabt von Anthroposophie. Als ich sie zum ersten Malangefleht hab, sie soll mich da rausholen, da hat siezu mir gesagt, ich soll mich zusammenreißen, soschlimm können die nicht sein bei dem Namen. Also derName ist schuld daran, dass ich von Weisheit nichtsmehr wissen will, mit den Menschen hab ich das auchversucht, aber es geht nicht. Leider. Die meiste Zeitfinde ichs schade, dass ich ein Mensch, d.h.: daß ichnoch am Leben bin. Ich habs einfach bisher nichtgeschafft, Schluss zu machen. Im Gegenteil, ich binnicht nur aus jeder Klemme wieder rausgekommen, ichhab auch noch andere gestützt, gegen meinen Willen.Sie haben sich auf mich draufgelegt. Und jetzt bin ichwirklich in der Klemme, weil, ich halte den Ekel vorden Menschen nicht mehr aus, und ganz ohne Menschenkann ich aber nicht leben, aber sterben kann ich auchnicht, ich sterb einfach nicht.
Also hab ich gedacht, ich versuchs mal mit einerTherapie. Und dann bin ich zu einem der Therapeutengegangen, die von der Kasse empfohlen werden. Derwollte meine Beschwerden wissen, und nachdem ich sieihm gesagt hatte, hat er mich gefragt, für wen ichmich halte. Ich hab gesagt, für Jeanette Faltlhuber.Das ist so meine Standard-Antwort. Ich werd immerwieder danach gefragt, so richtig inflationär ist dasaber erst im Internat geworden. Und nachdem ich mirzum ersten Mal meine Antwort zurechtgelegt hatte, dawar ich so vierzehn Jahre alt, da hab ich erfahren,dass das mit dem Faltlhuber gar nicht stimmt. Ich habeinen Brief gekriegt vom Jugendamt, dass mein Vater,Otto Strauß, infolge Herzversagens in der MünchnerNervenheilanstalt Nußbaumstraße verstorben sei.
Ich hab in der Nacht meine Mutter angerufen, die hatzuerst lange rumgedruckst, dann hat sie zu mir gesagt,Jeanette, mein Kind, du bist eine Zigeunerprinzessin.Darum hab ich dich auch in dieses Internat getan. Aberdas braucht keiner zu wissen, weil, die Nazizeit istnoch nicht so lange her, und man weiß nie was nochkommt. Aber sei stolz auf deine Tradition, dieZigeuner haben die Weisheit des Orients nach Europagebracht, und ...
Ich hab aufgelegt. Auf die Prinzessin hab ich keinenWert gelegt, aber dass ich eine Familie haben soll,die nicht zu diesen Untoten da gehört, das fand ichschon spannend. Das ist es auch, die Spannung hat bisheute nicht nachgelassen.
Dann hab ich Angst gekriegt. Vielleicht ist das jaecht, wenn die mich dauernd fragen, für wen ich michhalte. Vielleicht wissen die was, was ich selbst nichtweiß, vielleicht bin ich ein gläserner Mensch, aber sogläsern muss ich gar nicht sein, meine schwarzen Augenund Haare reichen schon. Und wer weiß, die Nazizeitist ja wirklich noch nicht so lange her, ob ich hierjemals wieder rauskomme, das ist hier wie einGefängnis, wie die Insel Alcatraz. Und selbst wenn ichdavonlaufe, wo soll ich denn hin, die nächste Stadtist mehr als zwei Stunden mit dem Zug entfernt, unduntertauchen geht nicht mit den Haaren...
Ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen und dienächsten vierzehn Tage auch nicht. Dann hab ich aufdem Klo einen Schreikrampf gekriegt. Rausgeholt hatmich die griechische Putzfrau, und die hat mich dannauch in eine Decke gewickelt und mir einen Schnapsgegeben und mich gefragt, was los war. Aber ich konnteder das doch nicht erzählen. Die hatte zwar auchschwarze Haare, und freundlich war sie auch, aberinzwischen hab ich gewußt wie es den Zigeunern geht inEuropa und eben auch in Griechenland. Da hat sie nichtweitergewusst und den Vertrauenslehrer geholt, aberder hat gesagt, Wir lassen die Jeanette am besteneinfach in Ruhe. Das wär ja auch nicht schlechtgewesen, aber vom Schulbetrieb haben die mich ebennicht in Ruhe gelassen, das hätten die auch nicht übermeine Leiche getan, trotz der Anthroposophie.
Die Putzfrau ist dann irgendwann doch noch mit einerLehrerin angekommen, der Oberstufen-Lehrerin fürDeutsch und Geschichte. Die hat sich auch neben michgesetzt und mich gefragt, was los war, und da hab ichmich zum ersten Mal gefragt, welches Fenster hochgenug ist zum runterspringen. Es gab keins.
Da hat sie gesagt, Wenn du nicht willst, musst dunichts sagen. Aber wenn du erzählen willst, was dichbedrückt, steht dir meine Tür jederzeit offen. Und hatmich angelächelt und hat meinen Arm genommen undgedrückt und gesagt, Jetzt ruh dich erstmal aus, undhat mich zusammen mit der Putzfrau ins Bett gebrachtund mich für den Rest der Woche vom Unterrichtbefreit.
Ich weiß nicht wie sie das geschafft hat. Muss ganzschön schwer gewesen sein.

Das war Frau Kai, meine erste große Liebe. Eigentlichwar ich ja noch ein bisschen jung, gerade malvierzehn, und sie war fünfunddreißig. Da hatte ichnoch was, das nicht rauskommen durfte, die hätten michfertiggemacht. Irgendwann hab ich ihr das dann dochnoch erzählt mit der Zigeunerprinzessin, und sie hatgelacht und gesagt, Das mit der Prinzessin istvermutlich übertrieben. Da hab ich auch lachen müssen,und von dem Tag an hab ich nicht mehr aufhören können,an sie zu denken. Und wie sie das gemerkt hat, hat sieplötzlich keine Zeit mehr für mich gehabt. Ich habmich schrecklich gequält, weil, sie war der einzigeMensch, in dessen Gegenwart ich mich sicher gefühlthab, und in der Oberstufe war ich ja noch lange nicht.Da hab ich sie gefragt, ob ich in ihre Theatergruppedarf. Sie hat gesagt, Warte noch ein, zwei Jahre, dubist noch zu jung.
Ich bin dann halt immer in der Bibliothek rumgehangen,die hat wenigstens am Lehrerzimmer gegrenzt. Da hatteich dann auch halbwegs meine Ruhe. Ich hab eine Mengegelesen in der Zeit, und geschrieben hab ich auch, zumBeispiel meine ersten Gedichte. Die hab ich sogarnoch, weil, sie erinnern mich an Frau Kai.
Ja, und dann ist sie einmal mit ihrer Theatergruppe indie Bibliothek gekommen. Ich hab gestaunt, wie da dieFetzen geflogen sind. Das war eine richtigeAbrechnung, Hinrichtung wär vielleicht noch passender.Für wen sie sich eigentlich halten würde, ach ja, daswar mir ja so wohlvertraut, ich war überrascht undsogar ein wenig erleichtert, dass es ihroffensichtlich genauso ging wie mir, sie ist richtigeingeknickt, hat sich mit keinem Wort gewehrt.
Zwischendurch hat sie einmal ganz kurz zu mirhingeguckt und dann auf mein Buch, also das, was ichgerade las, es war "Mehmet mein Falke". Und dann istsie plötzlich rot geworden und hat vor sich hin aufden Tisch gestarrt.
Aha. Also die Frau Kai reitet heimlich mit mir durchsWilde Kurdistan. Ich hab sie zuerst angegrinst, ichwollte unbedingt, dass sie merkt, ich habs begriffen.Also zum Wildwestspielen bin ich noch gut genug, auchwenns von mir aus in Anatolien sein soll, aber bittenicht im anthroposophischen InternatNiederschönhausen, weil da macht sich das WildeKurdistan einfach nicht so gut. Das ist halt nicht sopassend in Gegenwart des Oberregierungsrats oder vonwem auch immer sie sich die Erfüllung ihres Lebensverspricht. Naja, wenigstens die eine Hälfte, für dieandere bin ich dann zuständig, ist doch ganz nett, voneinem jungen schwarzäugigen Prinzen angehimmelt zuwerden, das hatte inzwischen die ganze Schule kapiert.Als ich dann soweit war, dass ich geglaubt hab, derWitz über die Prinzessin hätte sich nur auf meinGeschlecht bezogen, hab ich die Schule verlassen.Meine Mutter hat getobt, weil, sie wollte doch, dassich studiere, aber sie hat nichts machen können, dieSchulpflicht war für mich vorbei. Ich habs nichtbereut. Ohne Abitur kann ich leben, aber nicht ohneFrau Kais Witz über die Zigeunerprinzessin.



copyright © by QueenOfHades. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.



Kommentare


was soll das?
hääääääääääääääääääää? Ich versteh den text nicht, bin zu jung?

merlinausberlin - 24.04.2004 19:20
...
daylight8888 - 07.04.2004 15:55
text
Meike - 02.04.2004 12:11

vivalavita: 30 Karat Karneval - Freitag 28.2. - 20 Uhr in Kölle - 2 Floors - Karneval - Dance/Charts - Instagram 30 karat deluxe      +++     >>> Laufband-Message ab nur 5,95 € für 3 Tage! <<<