|
von circushead
Es war immer wieder das Selbe: Sie saßen alleine in ihrem Zimmer. In ihrem Zimmer, das sonst so warm wirkte. Sie konnten sich noch ganz genau daran erinnern, als sie anfingen, das Zimmer zu gestalten. Die Wände hatten beide rosa gestrichen. Auch Bilder wurden aufgehängt. Bilder, aus längst vergangenen Zeiten. Bilder, die schöne Momente in ihrem Leben beschreiben. Oft erscheint es ihnen, als würden die Bilder zu ihnen sprechen. Die vielen Menschen und Tiere. Manche flüsterten, andere riefen nach ihnen. Auch wenn es irgendwie unheimlich war, doch erst die Bilder verleihen diesen Raum Leben.
Doch nun sitzen sie in ihrem Zimmer. In dem Raum, den sie so liebevoll gestaltet hatten. Bei dem Ertönen des Klingelgeräusches bemerkten sie jedoch, dass all das gar nichts gebracht hat. Die ganze Wärme, die Geborgenheit war verflogen. Es war plötzlich still und kalt. Wie eingefroren saßen sie da. Keine von beiden kann sich aufraffen, aufzustehen und die Türe zu öffnen. Doch das sollte nichts ändern. Schließlich war da ja noch Mark, der die Türe aufmachte. Mark. Mark, der gewissenhafte. Beide mögen Mark sehr gerne. Mark ist ein sehr gewissenhafter Mensch. Er versucht immer nur das Gute im Menschen zu sehen. Wie auch bei dem Mann, der jeden Moment das Zimmer betreten würde.
Sie hören, wie sich die Wohnungstüre öffnet. Hören Marks fröhliche Stimme. Und natürlich die andere. Die Stimme des bekannten Besuches. Diese tiefe, dynamische Männerstimme. Sie war nicht monoton, aber dennoch einseitig. Nicht bestimmend, aber rechthaberisch. Nicht beleidigend, trotzdem sehr direkt.
Die beiden schauen sich an, versuchen zu lächeln. Eine von beiden weiß, sie sollte sich freuen. Der Blick auf die andere, löst aber Freudlosigkeit und Niedergeschlagenheit in ihr aus.
Dann diese Schritte. Die Schritte des Besuches. Er hatte einen lautet Schritt. Vielleicht liegt es an seiner Statur. Er ist ein großer, gut gebauter Mann. Nein, es liegt nicht an seiner Figur. Seine Schuhe sind schuld, dass er immer so einen lauten Tritt hat. Aber das ist gewollt. Die beiden haben ihm die Schuhe gekauft. Extra, damit sie ihn kommen hören. Dafür, dass sie sich darauf vorbereiten können, was gleich passieren wird.
Sie schauen sich in dem Zimmer um. Die Wand, die einst rosa war, wird dunkel. Beide haben die Vision, das Zimmer würde sich verkleinern. Der Raum würde so klein werden, dass gerade noch so das Bett hinein passte.
Diese schweren Schritte. Sie hören sie den Flur entlang kommen. Immer ein Stückchen näher. Vor der Tür macht er halt.
Ein letztes Mal schauen sich die beiden an. Das Gesicht der einen und der anderen von Tränen überströmt. Sie fassen sich an der Hand. „Es tut mir leid“, wisperte sie, bevor die Tür aufflog.
Nun stand er da. Dieser eigentlich attraktive Mann. Er grinst und verschließt die Tür. Mit langsamen Schritten nähert er sich dem Bett. Dabei lässt er das Sakko fallen. „Hallo Babe, ich musste den ganzen Tag an dich denken. An letzte Nacht. Du weißt schon“. Sein Grinsen wurde breiter. Der einen blieb nichts anderes übrig als sein Lachen zu erwidern. Sie will aber gar nicht an letzte Nacht denken, will sie aus ihrem Gedächtnis streichen, vergessen. Aber nein, er erinnert sie daran. Sie sitzt mit diesem unglaublich hilflosen Gefühl auf ihrer Bettkante. Er kommt immer näher, bis er endlich vor ihr steht. Dieses andauernde Lächeln auf seinem Gesicht. Am Liebsten würde sie schreien. Doch sie kann nicht. Sie hat dieses Versprechen gegeben. Die andere hatte sie ja gewarnt, aber sie fühlte sich gezwungen, dieses Versprechen zu geben.
Er fasst sie an der Schulter und stößt sie zurück. Sie schließt die Augen und hofft, dass das alles nur ein böser Traum ist. Die Matratze unter ihr hebt sich. Er hat sich auf das Bett gekniet. Immer noch betet sie und hofft, dass das alles nicht die Realität ist. Sie hört, wie er seinen Gürtel öffnet, dreht ihren Kopf auf die Seite. Er darf nicht sehen, dass sie Angst hat. Er öffnet den Reißverschluss, sie fängt an, sich zu verkrampfen. Schließlich, zieht er die Hose runter. Sie krallt sich in den Bettlacken fest. Während er ihr Kleid nach oben schiebt, starrt sie die Wand an. Die Wand, an der die ganzen Bilder hängen. Sie versucht sich an die Zeit zu erinnern, als sie das ild geschossen hat. Sie hat es noch ganz genau vor Augen: Sie war damals zu Besuch bei ihrer Großtante –
Doch sein Stöhnen ruft sie in die Realität zurück. Dieses Gefühl, wenn er sie mit seinem Penis bearbeitet. Sie würde sich am Liebsten übergeben. Immer wieder wird ihr schlecht. Sie starrt an die Decke, starrt diese wunderschöne, rosa Decke an. Sie ist verwirrt und verletzt, das rosa färbt sich rot. Sein Stöhnen wird immer lauter, seine Bewegungen schneller, tausend Gedanken schissen ihr durch den Kopf, tausend Bilder – Großtante Lucy, ihr Hund Benni, die beiden Ponys Felix und Lisa – sie sieht wie sich seine Muskeln immer schneller anspannen, währenddessen verkrampfen die ihren – die Bilder beginnen zu sprechen, alle schreien ihren Namen. Die Stöße werden immer heftiger, sie kann die Tränen nicht mehr zurück halten. Sie schluchzt, doch er bemerkt es nicht. Er macht immer weiter. Er hat noch nie bemerkt, wenn etwas nicht stimme. Immer war sie mit ihren Problemen alleine. Ihr Make-up ist nun völlig verflossen, zu viel Tränen fließen, zu viel Schmerzen muss sie ertragen. Sie fängt an sich von oben zu sehen. Sieht seinen mit Muskeln bepackten Rücken und erblickt, wie sie unter ihm leidet.
Doch sie sieht auch die andere. Die andere, die für ihn immer unsichtbar war. Sie steht daneben und muss sich alles mit ansehen. Sie weint, schneidet sich dabei die Arme auf und schreit. Auch sie hofft, dass alles nur ein böser Traum ist, will die Realität zurück. Die Realität, in der sie weiß, dass sie das alles nur spielt. Die Blicke treffen sich und verschmelzen. Es gibt nur noch eine Frau. Eine Frau, die die Welt aus beiden Augenpaaren betrachtet.
Die Welt, in der eine Frau, eine andere Frau lieben kann und sich nicht der Männerwelt versprechen muss.
copyright © by
circushead. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.
Sehr interessante Geschichte <3
|
Hallo~
Großes Lob erstmal von meiner Seite, das Ganze hat bei mir doch rechten Anklang gefunden.
Zum Einen die Thematik, die Art, wie du ihren inneren Konflikt dargestellt hast. Kompliment!
Als Leser erfährt man wirklich erst ganz am Schluss, was genau die "zwei Frauen" nun eigentlich verbindet - und das wiederrum unterstreicht den Ton deiner Geschichte sehr gut.
Auch von der Wortwahl... Mir scheint, du wählst deine Worte mit Bedacht, sorgsam. So kommt es jedenfalls rüber, einschlägig. Deine Metaphern, die Bilder an der Wand - gefällt mir.
Du schaffst es, die Stimmung gelungen rüberzubringen und dem Leser zu vermitteln. Mir jedenfalls ist jetzt schon etwas anders. Das bekommt nicht jeder hin.
Zudem ist es immer wieder hoch
anzurechnen, wenn Autoren Absätze in ihre Geschichten einbauen... Man liest das Ganze wirklich flüssig runter.
Der einzige Makel wäre für mich, dass du offenbar immer mal wieder zwischen den Zeitformen wechselst. Das irritiert auf Dauer etwas, aber es wäre nichts, was man nicht beheben könnte.
Und ein paar Wortwiederholungen sind mir aufgefallen - aber das ist so mein persönliches Steckenpferd, wo ich besonders mein Augenmerk drauf werfe... Dramatisch ist es nicht <3
Keep that great work!
NEDEN
|
|
|
|
|