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Die sogenannte BESSERE HÄLFTE

von ich1985


'Wie geht's jetzt weiter', fragte sie mich mit einem erwartungsvollem Blick, voller Hoffnung und Reue zugleich. Es war nicht das erste Mal, dass sie ihr ganzes, einfaches, kleines Leben einer fremden Person, mit der sie vielleicht nur eine Nacht verbracht hatte, in die Hände gab.
Somit konnte sie sich jeglicher Verantwortung und den damit verbundenen Pflichten entziehen, welche sie schon als kleines Mädchen verabscheut hatte. Ich kannte sie bereits seit einiger Zeit. Sie war in den selben Clubs Stammgast wie ich. Wir hatten uns zuvor noch nie so richtig unterhalten, aber ich kannte schon innerhalb weniger Stunden ihre ganze Lebens- bzw. Leidensgeschichte.

Ich schlug die Decke zur Seite und konzentrierte mich auf ihre wunderschönen langen Beine, die sie, während sie am Bettrand saß, herunterbaumeln ließ. Ich hatte zu der Zeit eine extrem schlechte Phase und brauchte doch nur ein bisschen Sex. Jetzt musste ich auf einmal 'Dr. Freud' spielen. Warum die Leute immer zu mir mit ihren Problemen kamen, blieb mir immer ein Rätsel. Etwa nur wegen meiner Neigung zur Psychologie und Philosophie? Ich wusste es nicht. Jetzt aber war keine Zeit zum Nachdenken, und so entschloss ich mich, mich anzuziehen, ihr noch schnell irgendetwas Belangloses zu sagen und mich noch schneller hinaus in die Kälte zu begeben.

Draußen angekommen, zündete ich mir erst einmal eine Zigarette an und zog genüsslich ein paar mal daran, atmete die kühle Luft tief in meine Lungen ein, schaute mich noch einmal kurz um und ging. Das war mein Ritual. Damit konnte ich leben. Zigarette anzünden, ein paar Mal dran ziehen, noch mal umdrehen und dann verschwinden. Ich war immer noch ich.
Aber ich konnte nicht mit so was umgehen. Ich musste mir etwas Neues einfallen lassen, denn meine alte Schiene verrostete allmählich. Ich stumpfte ab und wurde von einer vergangenen Nacht zur anderen gefühlloser.

Seit meiner letzten Beziehung, welche schon anderthalb Jahre zurückliegt, hatte ich keine tiefergehenden Bekanntschaften erlebt. Und so schlief ich mich von einer Affäre zur anderen, womit ich ziemlich gut zurechtkam. Keine Verpflichtung, keine Liebe also auch keine Vorwürfe und Missverständnisse. Aber sie war anders, auf ihre eigene Art und Weise übte sie doch eine starke Anziehungskraft auf mich aus, was ich natürlich niemals zugeben würde. Es erinnerte mich an längst vergessenen, nein besser gesagt, verdrängten Gefühlen. Liebe. Ein Phänomen für sich, aber auf jeden Fall nichts mehr für mich. Es durfte mir niemand mehr zu nahe kommen, denn das würde sowieso nur in einer Katastrophe enden. Genauso wie meine bisherigen Beziehungen würde es dann in Streit und gegenseitigem Hass enden.

Gedankenverloren schlenderte ich durch düstere, einsame und mir unbekannte Gassen. Wie konnte ich nur so tief sinken? Mich ganz heimlich, still und leise aus irgendwelchen Wohnungen mitten in der Nacht zu schleichen. Früher wäre mir so etwas noch unendlich fern gewesen, und jetzt? Jetzt gehörte es schon zu meinem Alltag. Es war ein Teil von mir. Und alles nur wegen einer unerfüllten Liebe und getrieben von dem Hass, der noch an einem haften bleibt. Lange nachdem die Liebe, nein, nicht die Liebe, die geliebte Person sich schon verabschiedet hat. Einer unerfüllten Liebe zu ihr. Der ich einst ewige Liebe bis in den Tod und darüber hinaus schwor. Obwohl es jetzt so weit zurücklag, konnte ich mich immer noch an ihre Berührungen, ihre Stimme, ihrem Lachen, ihrem Mund, ihrem Körper erinnern. So als wäre ich diejenige gewesen, die sie erschaffen hatte. Aus Lehm und Wasser geformt und ihr dann mein Blut und mein Leben eingeflößt. Als hätte ich ihr meine Augen gegeben und mit ihr meine Innereien geteilt. So war sie nun mal nicht nur zu einem, sondern zu vielen Teilen von mir geworden. Und wenn es ihr schlecht ging, konnte ich es an MEINEM Körper spüren. Und wie könnte man von einem physisch gesehen 'halben' Menschen erwarten, er würde ohne seine ihm zugehörige Hälfte weiterleben?
Nein, so etwas Unmenschliches würde kein Richter der Welt von einem verlangen.

Ich versuchte mich wieder auf die Straße zu konzentrieren um herauszufinden, wo ich mich befand. 'Verdammt', fluchte ich vor mich hin und merkte, dass ich auf der Brücke stand.




copyright © by ich1985. Die Autorin gab mit der Veröffentlichung auf lesarion kund, dass dieses Werk Ihre eigene Kreation ist.





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