Ein unfreiwilliges Coming-Out

von Stephi90


Sie liebt ihre Lehrerin

Es war an einem ganz normalen Morgen Anfang August, na ja ein fast normaler Morgen, schließlich war heute wieder der erste Schultag nach den großen Ferien. Mit einem leisen Knurren stellte Amy ihren nervenden Wecker aus und zwei Minuten später zwang sie sich endlich aufzustehen und ins Bad zu eilen. Sie war etwas spät dran. Es war bereits kurz vor sieben und der Unterricht begann halb acht. Schlecht gelaunt lief Amy ins Bad und duschte sich rasch und sehr heiß damit sie endlich wach wurde. Danach packte sie ihre Schulsachen und machte sich auf den Weg in die Schule. Zum Glück hatte sie es nicht weit, gerade mal fünf Minuten. Auf den Weg in die Schule bemerkte sie plötzlich dass sie sehr nervös wurde.
Aber das war bei ihr eigentlich normal, besonders nach den großen Ferien. Vor allem freute sie sich auf ihre Freundinnen, was die wohl in ihren Ferien gemacht hatten? Die meisten waren mit ihren Eltern weggefahren und würden von ihren Reisen berichten. Mal sehen was die anderen in der Klasse gemacht haben. Und dann bekam Amy noch eine neue Lehrerin. Im letzten Schuljahr wurde kurz vor Ende noch bekannt gegeben, dass sie ein neues Schulfach bekommen würden: Ethik. Na toll, niemand war davon begeistert gewesen, keiner hatte sich gefreut. Aber ändern konnte man das ja sowieso nicht und so war sie einfach nur gespannt wer die neue Lehrerin war, wie sie aussah. Wahrscheinlich war das so eine alte, verklemmte Hexe die alle mit ihren Moralpredigten oder so einen Schwachsinn auf die Nerven gehen würde. Na ja Amy hatte ja nur noch 2 Jahre, sie ging ab heute in die 9. Klasse und die würde sie auch noch überstehen. Und solange sich der Ethikunterricht nur auf einmal die Woche belief war es ihr egal. Jetzt freute sie sich nur noch auf ihre Freunde. Mittlerweile war sie vor dem Schultor angekommen und zögerte noch etwas. Sollte sie noch draußen warten oder sollte sie schon reingehen? Die meisten ihrer Freundinnen kamen immer erst in letzter Minute, doch sie hatte keine Lust draußen zu warten und ging einfach schon mal rein.

Sie stellte sich auf ihren Stammplatz mitten auf den Schulhof wo sie immer mit ihren Freundinnen stand und wartete. Während sie wartete, machte sie sich Gedanken worüber es in dem Fach Ethik nur gehen konnte. Zuletzt hatte sie das Fach in der vierten Klasse. Und da ging es irgendwie um die Natur oder so ein Blödsinn, sie konnte es nicht zuordnen und hoffte dass sie nicht genauso ein Drache ist wie ihre Biologielehrerin.
Nach etwa zehn Minuten trudelten schließlich Klassenkameraden von ihr ein und nicht wenig später auch endlich ihre Freundinnen die sie freudig begrüßten und umarmten da sie sich lange nicht gesehen hatten. Aufgeregt schwatzten alle noch etwas miteinander, bis es wenig später dann zum Unterricht klingelte und sie sich zum Klassenraum auf machten.
Auf den Weg zum Klassenzimmer ließ es sich Anika wie immer nicht nehmen Amy zu belabern und zu bequatschen, da sie eine ihrer besten Freundinnen war.
Als sie endlich im Klassenzimmer ankamen setzte sich Amy wie immer ganz hinten in die Wandreihe wo sie sich gleich an die Wand lehnte um das Schuljahr anzufangen wie sie es beendet hatte. Glücklicherweise waren die Plätze vor und hinter ihr schon besetzt, sodass sich Anika nicht vor oder hinter sie setzen konnte, was Amy nur sehr recht war. Stattdessen blieb Anika nur ein Platz in der Fensterreihe übrig, da sie auch alleine sitzen wollte.

Schließlich betrat die Klassenlehrerin den Raum, mal wieder mit super guter Laune, die absolut jeden nervte. Sie brauchte etwas über zehn Minuten um die Klasse zumindest halbwegs zu beruhigen, damit sie sprechen konnte.
Natürlich hörte fast keiner zu. Nachdem Amy den Stunde – und Raumplan aufgeschrieben hatte, legte sie sich gelangweilt mit dem Kopf auf den Tisch und horchte erst dann auf, als die Klassenlehrerin von der neuen Lehrerin zu sprechen begann, weil jemand in der Klasse nach dieser gefragt hatte. Doch sie erfuhren gerade mal dass sie morgen ihre erste Ethikstunde hatten und dass sie den Rest von der Lehrerin erfahren sollten, sie wollte sich da nicht einmischen. Bei diesen Worten stutzte Amy ´wieso mischt sie sich da nicht ein?? In jeden scheiß mischt sie sich ungefragt ein, aber bei der neuen Lehrerin nicht?? Da stimmt doch was nicht´ Unmerklich schüttelte Amy leicht den Kopf und legte sich dann wieder mit ihrem Kopf auf die Bank, solange bis der Unterricht vorbei war. Anschließend packten sie ihre Sachen zusammen da sie den Raum wechseln mussten. Kaum hatte sie ihre Sachen gepackt, kam auch schon Anika auf sie zu und stieß sie grinsend an. ´Sag mal was ist eigentlich mit deinem Verehrer? Mit Willi? ´ Genervt ging Amy neben Anika in Richtung des nächsten Raumes. ´Lass mich bitte mit dem in Ruhe, ich will nichts von dem, ja ich weiß er ist süß und auch wie er sich um mich bemüht, aber echt nicht. Ich hab ihn gesagt er soll mich in Ruhe lassen. Ich will keinen Freund! ´ Grinsend erwiderte Anika: ´Suchst du etwa eine Freundin??´
`Hä?? Nein, hallo, ich bin doch keine Lesbe, um Gottes Willen!! Verschone mich mit solchen Unsinn´ genervt ging Amy an Anika vorbei und setzte sich auf ihren Platz, weit von Anika entfernt. Diese merkte dass sie mit der Bemerkung zu weit gegangen war und entschuldigte sich vor dem Klingeln bei Amy die die Entschuldigung annahm und verlangte, nie wieder so einen Blödsinn zu hören, schließlich war sie nicht lesbisch, sie war 100 % hetero.
In den nachfolgenden Unterrichtsstunden dachte sie immer wieder darüber nach, was es wohl zu bedeuten hatte, dass die Klassenlehrerin meinte sie würde sich nicht einmischen bezüglich der Lehrerin und nichts dazu sagen. Amy wurde immer neugieriger auf die Ethiklehrerin und konnte es kaum erwarten diese endlich zu sehen, aber vielleicht hatte ihre Freundin Franziska, die in ihre Parallelklasse ging schon Unterricht bei ihr. Sie wollte die nächsten zwei Stunden Unterricht überstehen und dann nach der vierten Stunde wenn Franzi vom Sportuntericht gekommen war mit ihr reden. Sie war einfach zu neugierig.
Als dann schließlich die vierte Stunde zu Ende war, beeilte sich Amy um schnell auf den Schulhof zu gelangen, da sie gerade mal 10 Minuten Pause hatten. Franzi wartet schon und sah sie grinsend an, Amy hatte vorher im Unterricht Franzi eine sms geschickt, damit diese ja auf sie wartete. ´Nun sag mal wann hast Du denn bei der neuen Lehrerin Unterricht? ´ fragte sie sehr neugierig und ging mit Franzi etwas an die Seite, damit die anderen sie nicht störten.
´Du meinst wann ich wieder bei ihr habe? Ab nächster Woche ist sie unsere neue Sportlehrerin, das heißt eigentlich ab heute schon, aber keiner hatte sein Sportzeug mit, was ja verständlich ist und da haben wir nur Belehrung gemacht und ein bisschen in Strümpfen und Jeans gespielt. War genial, heute in der zweiten Stunde hatten wir Ethik bei ihr…´grinste Franzi Amy an, diese erwiderte gespielt ungeduldig: ´Nun komm, lass Dir nicht alles aus der Nase ziehen…erzähl schon´ mittlerweile hatten sich auch andere Freundinnen zu ihnen gesellt und waren auch neugierig auf die Lehrerin.
´Also die ist voll Cool, richtig locker drauf, wir haben unterschiedliche Themen aufgeschrieben und jeder soll sich bis zur nächsten Stunde eins aussuchen und die Themen die die meisten Stimmen haben, werden wir im Unterricht behandeln..´ bevor Franzi etwas anderes über die Lehrerin sagen konnte, klingelte es bereits zum Pausenende und alle machten sich auf den Weg zu ihren Unterrichtsräumen.
Noch zwei Stunden dann war der Tag auch schon geschafft. Irgendwie freute sie sich schon auf den nächsten Tag. Nachdem sich alle voneinander verabschiedet hatten, gingen Anika und Amy gemeinsam nach Hause. Unterwegs unterließ es Anika zum Glück, Amy wieder über Willi auszufragen. Worüber Amy sehr froh und erleichtert war, denn gedanklich war sie weit weg…

Am nächsten Morgen erwachte Amy schon sehr früh, was sehr ungewöhnlich für sie war, aber sie lenkte es darauf dass es an der neuen Lehrerin lag und dass es normal sei. Sie würde sie sehen, mit ihr auskommen, zumindest wenn sie wirklich so locker drauf war, wie Franzi sie beschrieben hatte, wahrscheinlich würde sie ganz gut mit ihr auskommen, sie hasste strenge Lehrer die im Unterricht nichts durchgehen ließen. Aber da sie so nicht war, sah sie kein Problem und freute sich auf die zweite Unterrichtsstunde, in der sie Ethik hatten
Also stand sie rasch auf, duschte sich schnell und nachdem sie sich die Zähne geputzt und sich angezogen hatte, schnappte sie sich ihren Rucksack und machte sich dann auf den Weg zur Schule. Auf den Weg merkte sie dass sie immer nervöser wurde, Franzi hatte nach Schulende noch erwähnt dass die Lehrerin sehr jung sei, was Amy nur noch neugieriger machte. Sie beschloss ihre immer größer werdende Nervosität zu ignorieren und freute sich auf das Wochenende, heute musste sie wieder nur sechs Stunden ertragen und die würde sie schon überleben. Vor dem Schulgebäude angekommen sah sie auf die Uhr, es war gerade mal kurz nach sieben Uhr. Na toll, da musste sie noch über zwanzig Minuten warten, bis ihre Freundinnen eintrudelten. Was sollte sie denn solange machen??
Gelangweilt sah sie sich auf den Schulhof um, nur sehr wenige waren schon da, halt die Streber, solche, die den Lehrer sogar die Taschen hinterher tragen. Zu den wollte Amy auf keinen Fall gezählt werden, sie war zwar bei den Lehrern beliebt, weil sie sehr ruhig und schüchtern war, aber so etwas kam für sie nie infrage, sie würde sich nie bei irgendeinem Lehrer auf der Welt einschleimen, ebenso wenig nutzte sie ihre Beliebtheit bei den Lehrern aus, worum sie von manchen Schülern beneidet wurden, ihr war das aber eher unangenehm und sie ignorierte dies. Dann sah sie auf den Lehrerparkplatz ob sie ein neues Auto sah, was nicht der Fall war. Etwas enttäuscht war sie schon deswegen, wollte sich dies aber nicht eingestehen und versuchte sich einzureden dass es ihr vollkommen egal war, ob die Neue kam oder nicht, ob der Unterricht stattfand oder ob er ausfiel. Dann drehte sie sich weg und stellte sich wieder vor den Eingang, wenn jemand aus ihrer Klasse früher kam, konnte sie sagen, sie wäre gerade erst gekommen. Doch ihre Freundinnen kamen erst kurz vor dem klingeln. Nachdem sie sich freudig begrüßt hatten und anfingen freudig loszuquatschen, klingelte es auch nicht viel später zum reingehen. Kichernd und sich gegenseitig rumschubsend betraten sie schließlich ihren Klassenraum und setzten sich auf ihre Plätze. Die erste Stunde hatten sie Deutsch, doch während dem Unterricht schweiften Amy´s Gedanken immer wieder ab in Richtung Ethik. Sie hörte weder was ihre Deutschlehrerin sagte, noch was ihr Klassenkameraden wieder für einen Unsinn machten, ihr gingen viele Dinge durch den Kopf, vor allem Ethik und die Lehrerin, doch diese Themen schob sie schnell beiseite weil sie nicht darüber nachdenken wollte, sie hasste Ethik, sie konnte dieses Fach noch nie leiden und das würde sich nie ändern. Viel mehr beschäftigte sie sich damit, was sie am Wochenende machen wollte und gedankenverloren kritzelte sie Kreise auf ihren Block.
Irgendwann – Amy kam es ewig vor – war der Unterricht dann auch vorbei und schnell packte sie ihre Sachen zusammen und verließ den Raum und ging zum nächsten Unterrichtsraum. Da sie sich ihre Nervosität nicht anmerken lassen wollte, überspielte sie diese mit einem gelangweilten Gesicht, der Raum war schon offen und so ging sie rasch in ihre Reihe. Ihre Biologielehrerin sah sie misstrauisch an, als Amy den Raum betrat, doch Amy ignorierte diese einfach. Sie konnte die dumme Kuh einfach nicht ausstehen und freute sich immer wenn der Biologie oder Sportunterricht ausfiel. Sie hatte das Pech beides bei der ´Kräuterhexe´, wie sie diese immer nannte, zu haben.
Allmählich trudelten auch die anderen ein und nicht viel später klingelte es zum Unterricht und ein unglaubliches Phänomen, was nur sehr sehr selten geschah trat ein: Es wurde vollkommen ruhig in der Klasse!!! So was erlebte man vielleicht einmal im Jahr, wenn es hochkam!!
Nervös sah sich Amy im Raum um, da sie Angst hatte, jemand würde ihren Herzschlag hören. Nachdem sie sich davon vergewissert hatte, dass dem nicht so war, lehnt sie sich angespannt in ihrem Stuhl zurück und wartete auf die Lehrerin. Nach wenigen Minuten hörten sie draußen auf dem Flur Schritte näher kommen und schließlich wurde die Tür geöffnet und die Lehrerin betrat etwas nervös, wie man sehen konnte, den Raum.
Als Amy die Lehrerin sah, richtete sie sich aufrecht in ihren Stuhl hin und für Sekunden, die ihr aber wie etliche Minuten vorkamen, blieb ihr Herz stehen und sie hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen…